31.05.2010 | 00:00:00 | ID: 5939 | Ressort: Energie | Erneuerbare Energien

Erneuerbare statt Atom – die Energiewende sichern

Berlin (agrar-PR) - Mit einer als Pressekonferenz inszenierten Demonstration haben Spitzenvertreter aus Umweltorganisationen, Parteien, ökologisch orientierten Verbänden und Unternehmen in Berlin vor dem Brandenburger Tor gegen die Atompolitik der Bundesregierung und für eine entschlossene Fortsetzung der Energiewende in Deutschland demonstriert. Die binnen weniger Tage mobilisierte gesellschaftliche Vielfalt der Teilnehmer deute auf eine "zunehmende Selbstisolation der Bundesregierung in der Frage der Atomenergie" hin, erklärten die Initiatoren der Veranstaltung. Unmittelbarer Auslöser des Protests war die nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bekannt gewordene Absicht von Union und FDP, den Weiterbetrieb sicherheitstechnisch veralteter Atomkraftwerke sehr kurzfristig und ohne das seit der Bundestagswahl angekündigte nationale Energiekonzept zu beschließen. Damit entlarve sich die Energiepolitik der Regierung endgültig als "reine Lobbyveranstaltung zugunsten der dominierenden Energieversorger in Deutschland".

An der "demonstrativen Pressekonferenz" beteiligten sich neben Spitzenvertretern des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), von Greenpeace, der Deutschen Umwelthilfe (DUH), des Naturschutzbund Deutschland (NABU), von Germanwatch und der Klima-Allianz auch der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin. Von Seiten der Energiewende-Wirtschaft nahmen die Spitzen des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE), des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK), des Bundesverbandes Geothermie, GtV und Manager des Projektentwicklers für Erneuerbare-Energien-Anlagen juwi, der deutschen Marktführer von Windkraft- und Photovoltaikanlagen Enercon und Solarworld sowie die Ökostromhändler Lichtblick, Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und Greenpeace Energy teil.

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Rainer Baake, warf der Bundesregierung vor, die Öffentlichkeit seit ihrer Wahl im Herbst 2009 mit der Behauptung, sie wolle Atomkraft nur noch als "Brückentechnologie" in das regenerative Zeitalter nutzen, systematisch hinters Licht geführt zu haben. Es sei "geradezu absurd, nun zuerst die zeitliche Streckung einer Hochrisikotechnologie des 20. Jahrhunderts bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts zu beschließen, um anschließend darüber nachzudenken, welche Rolle die Zukunftsenergien in diesem Konzept spielen könnten." Es gebe keine sicheren Atomkraftwerke, erklärte Baake, schon gar nicht, wenn sie älter und älter werden. "Angela Merkel muss wissen, jeder Atomunfall, der in diesem Land in Zukunft passiert, ist ein Unfall der Kanzlerin."

 Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sprach sich gegen jede Laufzeitverlängerung aus und forderte eine Beschleunigung des Atomausstiegs. Der Ruf nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke stoße in weiten Teilen der Bevölkerung auf Widerstand. "Wir fordern die Bundesregierung auf, die kurzsichtigen Gewinninteressen von Stromkonzernen nicht zur Grundlage ihrer Politik zu machen. Wenn Merkel und Röttgen den Schutz von Bevölkerung und Umwelt vor den Strahlenrisiken ernst nehmen, dann stehen nicht Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke auf der Tagesordnung sondern Laufzeitverkürzungen." Der BUND-Vorsitzende kündigte an, den Protest gegen eine rückwärtsgewandte Energiepolitik erneut auf die Straße tragen zu wollen. Eine Großdemonstration gegen die Atomkraft in Süddeutschland im Herbst sei bereits in Vorbereitung. Auch im November, anlässlich des angekündigten nächsten Castor-Transports nach Gorleben, werde es überregional unterstützte Proteste geben.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel versicherte, seine Partei werde den Atomausstieg auch in Zukunft entschieden verteidigen und dabei weiterhin mit Bündnispartnern zusammenarbeiten. Der Ausstieg sei die Voraussetzung für die energiewirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Deutschlands. "Diese Bundesregierung ist ein Sicherheitsrisiko. Längere Laufzeiten von alten Pannenreaktoren sind nicht zu verantworten", sagte Gabriel. Wer aus dem Atomausstieg aussteige, sorge für immer mehr Atommüll, für den es bis heute weltweit kein sicheres Endlager gebe. Auch ökonomisch seien die Pläne der Regierung unverantwortlich: "Wenn Atomkraftwerke länger laufen, wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien ausgebremst. Mit verheerenden Folgen für die rund 300000 Arbeitsplätze in dieser Boom-Branche", erklärte Gabriel.

Als Vertreter dieser Boom-Branche erklärte Dietmar Schütz, der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE): "Wir haben jetzt die einmalige Chance, mit Erneuerbaren Energien zügig auf die Energieversorgung der Zukunft umzusteigen. Die Erneuerbaren benötigen keinen Import fossiler Brennstoffe und hinterlassen keine gefährlichen Abfälle." Allerdings benötige die junge Branche für den Umstieg dringend verlässliche Investitionsbedingungen. Die seien in den vergangenen acht Jahren nicht zuletzt deshalb gegeben gewesen, weil der Atomausstieg im Jahr 2002 gesetzlich besiegelt worden sei. Schütz: "Laufzeitverlängerungen stehen dem Umbau der Energiewirtschaft im Weg, sie verzögern völlig unnötig den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor."

Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und frühere Bundesumweltminister, Jürgen Trittin, griff insbesondere die Widersprüchlichkeit der aktuellen Energiepolitik an: "Die Bundesregierung verspricht ein Energiekonzept aus einem Guss und tut das Gegenteil: Sie beschließt Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke um den vier großen Energieversorgern Milliardengewinne zuzuschanzen. Gleichzeitig bremst sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus." Es sei ein Unding, dass die Bundesregierung nun, nach der Wahl in NRW, zuerst die Laufzeitenverlängerung für die Atomkraftwerke festlegen wolle, um dann im Energiekonzept die noch notwendige Menge an Erneuerbaren Energien zu ermitteln. "Das versteht niemand mehr, so stellt man die Energiezukunft von den Füßen auf den Kopf", sagte Trittin. Die Mehrheit in diesem Land wolle keine Laufzeitverlängerung. Daher müssten auch die Atomkraftwerksbetreiber zur Kenntnis nehmen, dass jede Laufzeitverlängerung von einer neuen Regierung rückgängig gemacht werden könne. "Jede Investition, die die Betreiber mit Blick auf die Laufzeitverlängerung tätigen, läuft auf eigenes Risiko", schloss Trittin. 

Der Vorstandsvorsitzende der in Darmstadt ansässigen Heag Südhessische Energie AG (HSE), Albert Filbert, kritisierte, dass der von der Bundesregierung vorangetriebene Ausstieg aus dem Atomausstieg das eigentlich parteiübergreifend beklagte Oligopol der Großkonzerne im Stromerzeugungsbereich in die Zukunft verlängere. Wenn es so komme, werde es keine Fortschritte bei den klassischen Erzeugungstechnologien geben, erst recht werde der nachhaltige Ausbau der regenerativen Energie verhindert. Arbeitsplätze im Wirtschaftzweig der regenerativen Energie würden akut gefährdet. Dabei handele es sich aber immer noch um klassische Bereiche des Mittelstandes wie des Handwerks. Filbert: "Statt eines dringend erforderlichen Primats der Erneuerbaren Energie werden wir ein Primat der Kernenergie bekommen, um das ein Energiekonzept der Bundesregierung herumgebaut werden wird, sofern man dann überhaupt noch von einem Konzept sprechen kann." Der Staat greife mit Laufzeitverlängerungen einseitig in den Wettbewerb ein und zementiere die Marktmacht der vier großen Unternehmen. Die beste Lösung sei, das Atomausstiegsgesetz so zu lassen, wie es 2002 im Bundestag geschlossen worden sei. "Darauf haben sich alle Unternehmen, mit Ausnahme der vier großen Energieunternehmen, mit ihren Investitionen in regenerative Energien eingerichtet", sagte Filbert.

Im Zusammenhang mit der öffentlichen Aktion vor dem Brandenburger Tor trafen sich die Vertreter der beteiligten Organisationen, Verbände und Unternehmen, um über das weitere Vorgehen gegen die Pläne der Bundesregierung zu beraten. Es bestand Einigkeit darüber, dass der politische Preis einer Abkehr von der Energiewende für die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen weiter nach oben getrieben werden müsse.
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