Zürich (agrar-PR) -
Professor Ndaona Chokani und das Laboratory for Energy Conversion (LEC) an der ETH Zürich haben etwas gemeinsam: Beide kennen sich aus mit Strömungsmaschinen und stellen ihr Know-how neu in den Dienst der erneuerbaren Energien. Die Gruppe Windenergie im LEC will das Risiko und die Kosten verringern, die mit dem Bau von Windenergieanlagen verbunden sind. Turbinen,
Propeller, Ventilatoren, Pumpen und Triebwerke gehören zum Kerngeschäft des
LEC. Diese so genannten Strömungsmaschinen erzeugen Elektrizität mit Hilfe von
Flüssigkeiten oder Gasen, die in Bewegung sind. Oder sie versetzen
Flüssigkeiten oder Gase in Bewegung (z.B. Pumpen). An der ETH hat die Forschung
auf diesem Gebiet eine lange Tradition. Das LEC (früher Labor für
Strömungsmaschinen LSM) macht solche Maschinen effizienter. Mit dem Klimawandel
bekam ein Aspekt dieser Arbeit zusätzliches Gewicht: Mehr Effizienz bedeutet
auch weniger Emissionen. Dieser neue Fokus lenkte den Blick des Labors in
Richtung erneuerbare Energien und damit zu den Windturbinen.
Grosses
Wachstumspotenzial
«Dass
wir uns dafür interessieren, liegt nahe», sagt Professor Ndaona Chokani, der
als Senior Scientist seit anderthalb Jahren die Gruppe Windenergie leitet. «Es
ist die Fortsetzung dessen, was wir mit Antriebsystemen gemacht haben, die mit
fossiler Energie laufen.» Im beruflichen Werdegang des gebürtigen Malawiers
geschah eine ähnliche Verschiebung. Der 47-jährige Ingenieur wirkte während 17
Jahren an amerikanischen Universitäten in den Bereichen Raumfahrt und
Hochgeschwindigkeitsflugzeuge. Dabei arbeitete er vor allem mit der
US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA zusammen. Vor zweieinhalb
Jahren kam er an die ETH und begann, sich um Wind zu kümmern. Es war kein
schlechter Zeitpunkt. «Die Nutzung der Windenergie ist geradezu explodiert»,
sagt Chokani. «In den letzten zehn Jahren hat sie global um den Faktor 15
zugenommen.»
Schwierige Verhältnisse
überwinden
Das
LEC hat Windprojekte auf der ganzen Welt angeschaut und festgestellt, dass es
solche gibt, die nur einen Bruchteil dessen abwerfen, was sich die Investoren
erhofft haben. In anderen Fällen wurden die Erwartungen dagegen massiv
übertroffen. «Wir stellen uns deshalb die Frage, wie wir das Risiko von
Windenergieentwicklung reduzieren können», sagt Chokani.
In
Norddeutschland, wo das Meer nah und das Land flach ist, ist das leichter zu
beantworten als etwa in der Schweiz. Hierzulande liegen die guten Standorte für
Windturbinen im Jura und in den Alpen, wo die Strömungsverhältnisse komplex
sind. Sie zu verstehen – in der Schweiz und auf der ganzen Welt ˗ ist eine der
Aufgaben, die sich Chokanis Gruppe vorgenommen hat. Dazu macht sie Messungen an
Orten, wo Turbinen stehen oder geplant sind. Anschliessend werden die Daten mit
Hilfe einer speziellen Versuchsanlage im Labor modelliert.
Die Miniturbine
funktioniert mit Wasser statt mit Wind und ihre Rotorblätter sind statt 50
Meter bloss wenige Zentimeter lang. Sie wurde für ein Projekt mit
Flugzeugtriebwerken entwickelt und es hat sich gezeigt, dass sie die realen
Verhältnisse sehr gut simulieren kann. In der kontrollierten Umgebung können
die Forscher zudem schneller erkennen, was um eine Windturbine herum geschieht,
wie sie reagiert und wie ihr Design verbessert werden könnte. «Eine
Windturbine, die in Norddeutschland eine gute Leistung erzielt, tut das nicht
notwendigerweise auch auf einem Gebirgspass», erklärt Chokani. Eis, Böen und
Turbulenzen können Anpassungen notwendig machen.
Der optimale Standort
Mit
den Ergebnissen der Experimente draussen und im Labor wird ein Computermodell
entwickelt. Es soll dereinst zuverlässig voraussagen können, wie viel Strom
eine Windturbine produziert, wenn man es mit topografischen und
meteorologischen Daten ihres Standorts füttert. Das Modell soll auch errechnen
können, an welcher genauen Position die Turbine am meisten leistet. Verschiebt
man eine Windturbine um wenige Meter, kann das die Leistung um 5 bis 10 Prozent
verändern. Mit Hilfe des Modells soll auch die optimale Anordnung Dutzender von
Turbinen in Windfarmen bestimmt werden können.
Die
Standortüberlegungen sind damit noch nicht abgeschlossen. Die Position einer
Turbine, die maximale Energieproduktion verspricht, ist aus finanzieller Sicht
nicht notwendigerweise die beste. Weitere Faktoren wie die Bodenbeschaffenheit
müssen berücksichtigt werden. Liegt die leistungsstärkste Position zum Beispiel
auf unstabilem Boden, müssten Pfähle in den Grund getrieben werden. Die zusätzlichen
Kosten können den höheren Ertrag zunichte machen.
Ökonomisch bedeutsam ist auch
die Dauer des Planungsprozesses.Heute müssen Bauherren in der Regel ein Jahr
lang Messungen machen, um zu wissen, wie gross das Potenzial eines Standorts
ist. «Wir wollen diese Zeit mit unseren Modellen auf einen bis zwei Monate
drücken», sagt Chokani. Mit genauen und raschen Prognosen über die
Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen will er mithelfen, Investoren zu
überzeugen und so Zeichen zu setzen für eine klimafreundlichere Zukunft: «An
etwas zu arbeiten, das Auswirkungen auf Generationen haben wird, ist für einen
Ingenieur interessant.»