03.08.2009 | 00:00:00 | ID: 1529 | Ressort: Energie | Erneuerbare Energien

Mit Feuer und Flamme in die Tiefe

Zürich (agrar-PR) - Mit steigender Tiefe bietet die Geothermie ein schier unerschöpfliches Potential an erneuerbarer Energie, gleichzeitig steigen aber auch die Bohrkosten bei konventionellen Bohrverfahren exponentiell an. An der ETH Zürich wird zur Zeit ein Flammenbohrer entwickelt, der auch in grosse Tiefen effizienter und damit kostengünstiger vordringen kann.
Über eine schmale Leiter klettert Tobias Rothenfluh, Doktorand am Institut für Verfahrenstechnik, in die dreistöckige Versuchsanlage. Leitungen führen über Dosier- und Sicherheitsventile zum Reaktor, der liebevoll «Betsy» genannt wird. Zolldicke Platten aus hitzeresistentem Stahl halten ihn auch bei einem Druck von 300 bar noch zusammen. «In unserem Versuchsreaktor zünden wir unter Wasser eine Flamme bei rund 250 bar Druck und 450 Grad Celsius,» sagt Rothenfluh. «Damit simulieren wir Bedingungen, wie sie im Bohrloch in rund drei Kilometern unter der Erdoberfläche herrschen.» Zusammen mit seinen Kollegen Martin Schuler und Panagiotis Stathopoulos hat er in den letzten Monaten einen ersten Prototypen des Brenners gebaut.

Mit Hochdruck an Laborversuchen

Über diverse Leitungen und Ventile werden erhitzter Sauerstoff, Ethanol und Wasser in den Brenner des Reaktors gepumpt und mischen sich unter überkritischen Bedingungen für Wasser. Durch kleine Fenster aus Saphirglas filmt eine Kamera, wie sich das Gemisch spontan selbst entzündet. Eine eigens angefertigte Sensorplatte misst den Wärmefluss der Flamme und zeichnet die Temperaturverteilung auf der Oberfläche für verschiedene Abstände zum Brennerauslass auf. Daraus ziehen die Forscher Schlüsse über die Wärmeübertragung der Flamme auf das Gestein. «Der Wärmefluss ist der entscheidende Parameter für die Charakterisierung dieses alternativen Bohrverfahrens», sagt Philipp Rudolf von Rohr, Professor am Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Er betreut die Arbeit der drei Doktoranden.

Erosion im Zeitraffer

Im Versuch erreicht die Flamme eine Temperatur von rund 2000°C. Durch das rasche Erhitzen der obersten Gesteinsschichten entsteht ein steiler Temperaturgradient im Vergleich zu den kälteren, tieferen Schichten. «Die Hitze der Flamme bringt das Gestein durch die ausgeprägten Temperaturunterschiede und die damit verbundene Längenausdehnung zum Bersten», erklärt Tobias Rothenfluh. Aufgrund der Ausdehnung der obersten Gesteinsschicht fungieren natürliche Fehlstellen im Gestein als Entstehungsort für Bruchstellen. Ausgehend von diesen Bruchstellen lösen sich scheibenförmige Gesteinspartikel im Millimeterbereich, die mit der Strömung im umgebenden Medium nach oben transportiert werden. «Die Herausforderung besteht darin, eine möglichst heisse Flamme zu erzeugen, die das Gestein schockartig erhitzt, ohne es zu schmelzen», sagt Tobias Rothenfluh. «Je grösser die Temperaturdifferenz im Gestein ist, desto schneller kann gebohrt werden.»

Besonders effizient ist das Verfahren im harten, trockenen Gestein ab einer Tiefe von rund drei Kilometern. Um mit herkömmlichen Methoden in diesen Tiefen weiter bohren zu können, müssen die teuren mechanischen Bohrköpfe durch den Verschleiss regelmässig mit dem gesamten Rohrmaterial an die Oberfläche geholt und ausgetauscht werden. Dadurch entstehen erhebliche Kosten: Ein Bohrloch von zehn Kilometern kostet so rund 60 Millionen US-Dollar. Beim sogenannten «hydrothermal spallation drilling» hingegen nutzt sich der Flammenbohrer deutlich weniger ab. «Die Bohrkosten wachsen bei diesem Verfahren deshalb mit zunehmender Tiefe nur linear statt exponentiell an», sagt Philipp Rudolf von Rohr. «Je tiefer man bohrt, desto billiger wird schliesslich die gewonnene Energie.»

Simulation und Demonstration

Um das Verhalten der Flamme unter verschiedenen Bedingungen zu testen, entwickelt der Doktorand Martin Schuler zusammen mit dem Master-Student Karl Goossens eine numerische Simulation der Reaktions- und Transportprozesse. «Mit der Simulation können wir Parameter wie Brennstoff, Massenströme, Temperatur und Druck, aber auch die Geometrie des Brenners verändern und optimieren», sagt Martin Schuler. Die experimentellen Ergebnisse des aktuellen Versuchaufbaus werden zur Auslegung einer Pilotanlage verwendet, an der Panagiotis Stathopoulos arbeitet. Die Demonstrationsanlage für rund 1,2 Millionen Schweizer Franken soll zeigen, dass die hydrothermale Flamme auch tatsächlich durch Gestein bohren kann. Die Finanzierung des Projekts wird durch das Bundesamt für Energie, den Branchenverband swisselectric, die ETH Zürich sowie den Schweizerischen Nationalfonds gedeckt.

Forschung in Breite und Tiefe

Das Interesse von Bund und Industrie zeigt, dass dem «hydrothermal spallation drilling» durchaus Potenzial eingeräumt wird. Bis der Flammenbohrer tatsächlich für geothermische Bohrungen eingesetzt werden kann, vergeht zwar noch einige Zeit, die Machbarkeit wird aber nicht bezweifelt. «Für eine industrielle Anwendung könnte man das Projekt durchaus schneller vorantreiben», dessen ist sich Philipp Rudolf von Rohr durchaus bewusst, «an einer Hochschule wie der ETH Zürich wollen wir aber auch Grundlagenforschung betreiben.» Auf dem Gebiet der Wärmeübertragung einer Flamme im überkritischen Wasser sind die Forscher am Institut für Verfahrenstechnik zur Zeit nämlich weltweit die Einzigen. «Wir wollen sprichwörtlich nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite forschen», sagt Tobias Rothenfluh. Das erarbeitete Wissen könnte in Zukunft nicht nur für die Geothermie von Nutzen sein.

Überkritisches Wasser 


Ab einer Temperatur von 374,12°C und einem Druck von 221,2 bar sind Wasserdampf und flüssiges Wasser in ihrer Dichte nicht mehr voneinander zu unterscheiden. In diesem Aggregatzustand ist das Wasser weniger polar, hat keine Phasengrenzen mehr und eignet sich somit besser als Lösungsmittel für apolare Gase wie Sauerstoff. Brennstoff und Sauerstoff können sich unter diesen Bedingungen ohne Blasenbildung mischen und entzünden sich im Falle von Ethanol ab einer Temperatur von zirka 450 °C spontan.
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