22.02.2011 | 15:05:00 | ID: 8299 | Ressort: Ernährung | Verbraucherschutz

Remmel: Dioxin-Aktionsplan noch nicht in allen Punkten umgesetzt

Düsseldorf (agrar-PR) - Minister zieht Bilanz des Skandals um belastete Futter- und Lebensmittel - 268 Betriebe zeitweise gesperrt - Hohe Kosten für öffentliche Hand
NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel hat zwei Monate nach den ersten Meldungen über Dioxin-Belastungen eine positive Bilanz der Zusammenarbeit der öffentlichen Hand im Kampf gegen das Umweltgift gezogen. „Nach Meinung vieler Experten war dieser Dioxin-Fall in NRW einer der größten seit langer Zeit. Doch die Arbeit der Überwachungsbehörden in Nordrhein-Westfalen hat sich in der Krise bewährt“, sagte Minister Remmel. „Mit offensivem und konkretem Handeln haben Kommunen, Kreise und die Landesbehörden gezeigt, was vorsorgender Verbraucherschutz bedeutet und im aktuellen Dioxin-Fall schnell dafür gesorgt, dass die permanente Belastung mit Giften aus dieser Quelle geschlossen werden konnte.“

Insgesamt mussten zwischen dem 23. Dezember 2010 und dem 21. Januar 2011 in Nordrhein-Westfalen insgesamt 268 landwirtschaftliche Betriebe in 12 Kreisen wegen des Verdachts von Dioxin belastetem Futtermittel vorsorglich gesperrt werden. Es handelte sich hierbei um landwirtschaftliche Betriebe mit Schweinehaltung, Putenmast, Rinderhaltung und Legehennen sowie um Betriebe mit Milchviehhaltung und ein Betrieb mit Entenmast. Ungefähr eine Million Eier mussten wegen möglicher Dioxin-Belastungen entsorgt werden. Im Zusammenhang mit dem Dioxinfall wurden insgesamt 163 Proben im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA-MEL) auf Dioxine analysiert. In dieser Zahl sind die Doppelbestimmungen zur Absicherung positiver Befunde sowie die Anzahl der parallel untersuchten Qualitätskontrollproben und Blindwertproben nicht einbezogen.

Überschreitungen der Grenzwerte fanden sich bei drei Eier-, zwei Hühnerfleisch- und drei Futtermittelproben. Remmel: „Wenn es stimmt, was verschiedene Medien berichteten, hat der beschuldigte Betrieb in Schleswig-Holstein über Jahre Futterfette gepanscht und illegalerweise technische Fette umdeklariert. Die entdeckten Dioxin-Chargen sind daher wohl nur die Spitze des Eisbergs gewesen.“ Der jüngste Dioxin-Skandal hat zeitweise dazu geführt, dass bundesweit in fünf Bundesländern mehr als 5000 landwirtschaftliche Betriebe gesperrt werden mussten. Die Leidtragenden des Dioxin-Skandals sind zum einen die Verbraucherinnen und Verbraucher und zum anderen die heimische Landwirtschaft. „Eine ganze Branche musste unverschuldet immense Einnahmeverluste verkraften“, erklärte Remmel. Der volkswirtschaftliche Schaden gehe nach Expertenmeinung in die Millionen.

Allein in NRW sind folgende Kosten durch den Dioxin-Skandal entstanden (ohne Kommunen und Kreise):

- Analyse der Proben durch das CVUA: rund 100.000 Euro,
- zusätzlicher Personalaufwand CVUA + Lanuv: rund 40.600 Euro,
- Schaden bei Mischfutterfirmen: etwa 300.000 Euro,
- Kosten bei gesperrten Betriebe: zirka 100.000 Euro,
- Preisverfall bei den Schweinepreisen: etwa (minus) 0,30 Cent pro Kilogramm zwischen KW 50/2010 und 03/2011

Bei der Suche nach der Quelle des Dioxin-Musters konnte NRW zusammen mit dem CVUA einen wichtigen Beitrag leisten: Nach Untersuchungen von Produktionsstätten in Borken und Emden stellte das CVUA fest, dass das dort durch den Produktionsprozess entstandene Dioxin-Muster auch in den Futterfetten und in den belasteten Futtermitteln einzelner Firmen sowie in belasteten Eiern identifiziert werden konnte. Als Eintragswege in die belasteten Chargen kommen die angelieferten Altfette und die in der Aufbereitung als Filtermaterial eingesetzten Holzhackschnitzel in Frage. Durch die Destillation der Fette in den Anlagen Borken und Emden komme es nach Meinung der Fachleute im CVUAMEL zu einer selektiven Anreicherung der Dioxine. Dieses sehr spezifische Muster findet sich in den Proben von Lebens- und Futtermitteln wieder, welche im Zuge der Krise im CVUA analysiert wurden. Das Bundesumweltamt hat inzwischen die vorgelegten Daten analysiert und bestätigt. Die zuständige Staatsanwaltschaft wurde informiert.

Als Reaktion auf den Skandal legte NRW vor allen anderen am 6. Januar einen 10 Punkte-Plan vor, der die anschließende Debatte und die entsprechenden Krisenrunden bestimmte. Die bisherige Umsetzung des später beschlossenen 14-Punkte-Planes, den die Verbraucherschutzminister der Länder und des Bundes am 18. Januar 2011 auf dem Dioxin-Gipfel in Berlin beschlossen haben, zeigt nach Ansicht von Minister Remmel weiterhin noch eklatante Lücken. Zwar habe Bundesministerin Aigner mit dem aktuellen Entwurf zur Änderung des nationalen Lebens und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) eine Reihe von Punkten zeitnah auf den Weg gebracht, dennoch fehlten bei entscheidenden Vorhaben konkrete Ansätze.

Sollte die Bundesministerin in diesen Punkten in den nächsten Tagen nicht im Detail darlegen, wie der komplette 14-Punkte-Plan umgesetzt werden soll, wird Nordrhein-Westfalen entsprechende Initiativen in den Bundesrat einbringen. Hierzu gehört insbesondere die verpflichtende Anwendung einer Positivliste für Futtermittel sowie die Verpflichtung zur Absicherung des Haftpflichtrisikos für Futtermittelunternehmen. Remmel: „Da sich die auf EU-Ebene zahlreichen Mitgliedsländer durch Klientelinteressen gegen die Umsetzung einer Positivliste oder der verpflichtenden Haftpflichtversicherung ausgesprochen haben, müssen wir nun einen nationalen Alleingang prüfen, um die finanziellen Folgen eines solchen Skandals für die Landwirtschaft zu begrenzen. Bisher vermisse ich, dass sich Ministerin Aigner vor die Landwirte stellt und dieses heiße Eisen anpackt.“

In NRW hat das Verbraucherschutzministerium neben der Verstärkung der personellen Basis auch erste strukturelle Konsequenzen gezogen:

- Im Nachtragshaushalt wurden schon vor dem Ausbruch des Dioxin- Skandals 10 Stellen für den Verbraucherschutz eingestellt,

- Im Haushalt 2011 sind weitere Stellen für den Verbraucherschutz vorgesehen,

- Ausschreibungen für drei Stellen für die Futtermittelkontrolleure sind veröffentlicht,

- Für die Ausbildung von Lebensmittelkontrolleuren sind weitere Landesgelder vorgesehen,

- Die Risikoeinstufung von Futtermittelunternehmen wird derzeit überprüft und neu ausgerichtet. Derzeit wird eine Konzeption umgesetzt, die seit Jahren im Lebensmittelbereich gute Ergebnisse gebracht hat. Ziel ist es, die Futtermittelüberwachung auf das gleiche Niveau wie die Lebensmittelüberwachung zu bringen. Hierzu plant NRW zusätzlich eine Bundesratsinitiative.

- Das Ministerium hat eine Schwachstellenanalyse der Dioxinuntersuchung bei Futtermitteln veranlasst.

- Die bisherige Praxis, 400 Dioxinanalysen bei Futtermittelkontrollen pro Jahr zu ziehen, wird derzeit überprüft, ob sie effizienter eingesetzt werden können, um frühzeitig Verunreinigungen aufdecken zu können.

- Erarbeitung einer Gesamtstrategie zu Minimierung der Dioxin-Belastung und ähnlichen Verbindungen in der Futter- und Lebensmittelkette. (PD)
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