Zürich (agrar-PR) -
Wer vor einer Wein-Verkostung Informationen zum Produkt erhält, für den schmeckt der Wein anschliessend anders. Das zeigten Versuche, bei denen die Probanden jeweils vor und nach der Probe Informationen zum Wein erhielten. Manch
ein Winzer zittert vor dem Besuch Robert Parkers, einem der bekanntesten
Weinkritiker weltweit. Seine «Parker-Punkte» haben eine ähnliche Wirkung wie
einst der Daumen des römischen Imperators: wenn nicht gerade über Gedeih oder
Verderb so entscheidet er doch über den Erfolg eines Weingutes. Wie stark
Informationen über das Produkt, wie etwa die Bewertung Parkers, den Konsumenten
beeinflussen, zeigt eine Studie von Michael Siegrist, Professor für
Konsumverhalten am Institute for Environmental Decisions und seiner Postdoc Marie-Eve
Cousin von der ETH Zürich, die in der Fachzeitschrift «Appetite» publiziert
wurde.
Die
beiden Wissenschaftler wollten durch ihren Versuch herausfinden, wie derartige
Informationen das Geschmacksempfinden beeinflussen. Sie testeten dabei ihre
Hypothese, dass die Beurteilung der Weinkritiker die Geschmackswahrnehmung – und
nicht nur die Bewertung – beeinflusst.
Gute und
schlechte Informationen
Hierfür
liessen sie 163 Probanden den argentinischen Rotwein «Clos de Los Siete
Mendoza» (2006) probieren, der von Robert Parker mit 92 von 100 Punkten
bewertet wurde und somit laut Parker zu den aussergewöhnlichen Weinen zählt.
Die beiden Wissenschaftler teilten die Probanden in fünf Gruppen ein, wobei die
eine Gruppe die positive Parker-Beurteilung vor dem Probieren erfuhr. Die
zweite Gruppe erhielt die Informationen ebenfalls vorab, jedoch wurde ihr
gesagt, dass der Wein mit nur 72 Parker-Punkten bewertet wurde und somit
durchschnittlich wäre. Zwei weitere Gruppen erhielten die positiven
beziehungsweise negativen Informationen, nachdem sie den Wein gekostet hatten,
jedoch bevor sie ihre Bewertung abgaben. Eine weitere Gruppe erhielt weder vor
noch nach der Probe Informationen und diente als Kontrollgruppe.
Die
Testpersonen, die abgeschirmt voneinander den Wein probierten, wurden
aufgefordert, auf einer 10er-Skala den Wein von «überhaupt nicht geschmeckt»
bis «sehr gut geschmeckt» einzuordnen. Ausserdem sollten sie angeben, wie viel
sie bereit wären, für den Wein zu bezahlen.
Vorabinfo
beeinflusst Sinne
Die
Auswertung der Testresultate zeigte, dass die Probanden, welche die Beurteilungen
mit 92,
resp. 72 Punkten vor der Verkostung erfahren haben, den Wein
unterschiedlicher beurteilten als jene, die die Parker-Bewertung nach dem
Probieren erhielten. Bei den ersten beiden Gruppen beurteilten die
Versuchspersonen, die negativ eingestimmt waren, den Wein deutlich schlechter
als jene, die von einem gut benoteten Wein ausgingen. Wer vor der Probe wusste,
dass der Wein mit 92 Parker-Punkten bewertet wurde, fand den Wein zudem besser,
als wer die Bewertung erst nach dem Probieren erfuhr.
Die
Information beeinflusst nicht nur das Geschmacksempfinden, sondern auch den
Willen, wie tief man für einen Wein ins Portemonnaie greift. Auch hier
zeichnete sich das selbe Muster ab: Bei negativer Vorabinformation wollten die
Testpersonen am wenigsten bezahlen.
Die
Forscher sehen ihre Ausgangshypothese bestätigt und schliessen aus den Versuchen,
dass die Beurteilungen von Weinkritikern das Geschmacksempfinden von
Weintrinkern beeinflusst. Überraschenderweise verändern die Probanden ihre
Beurteilungen nicht, wenn sie die Informationen nach der Degustation erhalten.
«Die Probanden wollten sich also nicht einfach in einem guten Licht darstellen,
sondern die Informationen veränderten tatsächlich ihr Geschmacksempfinden»,
sagt Siegrist.
Den Wein vor
dem Trinken loben
Psychosoziale
Faktoren spielen sicher eine Rolle: Die Wissenschaftler schliessen nämlich
nicht aus, dass passionierte Weintrinker- und Kenner, um ihr Gesicht zu wahren,
beispielsweise nachträglich ihre Meinung und somit Bewertung revidieren würden.
Dieser Frage sollen spätere Studien auf
den Grund gehen. Vorab haben die Wissenschaftler aber einen praktischen Tipp
für Restaurants oder Gastgeber: Immer die Qualität des Weines hervorheben,
bevor er probiert wird!
Literaturhinweis:
Siegrist M & Cousin M-E: Expectations influence
sensory experience in a wine tasting: Appetite (2009), 52, 762-765, doi:10.1016/j.appet.2009.02.002