Stuttgart (agrar-PR) -
Universität Hohenheim nimmt Neubau für Deutschlands größte universitäre Lehr- und Forschungseinrichtung für den Lebensmittelbereich in Betrieb Donnerstag, 9. Juli 2009, 16:00 Uhr, Garbenstr. 25, 70599 Stuttgart
Es
ist die größte universitäre Lehr- und Forschungseinrichtung im
Lebensmittelbereich in Deutschland, deren Arbeit mit dieser Übergabe
eine ganz neue Qualität erhält. Auf 1.872 Quadratmeter Labor- und
Büroflächen wollen das Land Baden-Württemberg und die Universität
Hohenheim die internationale Konkurrenzfähigkeit der Universität
Hohenheim in einem stetig wachsenden Bereich sichern.
Insgesamt
acht Professoren werden derzeit in dem Neubau oder seiner unmittelbaren
Nachbarschaft lehren, forschen und den Transfer in die Praxis
gewährleisten. Außerdem ergänzt der Neubau die bundesweit einmalige
Ausstattung mit insgesamt sieben Technika, in denen die Laborergebnisse
auch in einen größeren, mehr praxisrelevanten Maßstab überführt werden
können. Dazu gehören zum Beispiel die Technika für die Getreide- und
Früchteverarbeitung und ebenso die Pilotanlagen der Forschungs- und
Lehrmolkerei sowie Brennerei. Neu hinzugekommen mit dem Neubau ist ein
Technikum für die Biotechnologie, in dem beispielsweise die Herstellung
und Verwendung von besonderen Enzymen für hochqualitative
Lebensmittelsysteme erforscht wird.
Fachlich decken die Professuren dieses großen
Instituts alle Lebensmittelgruppen und – noch wichtiger – alle
Verfahren und modernsten Analysemethoden ab: Dazu gehören die
Lebensmittelmikrobiologie, Lebensmittelverfahrens¬technik,
Prozessanalytik und Getreidetechnologie (derzeit vakant),
Biotechnologie, Gärungstechnologie, Technologie funktioneller
Lebensmittel, Lebensmittel pflanzlicher Herkunft und Lebensmittel
tierischer Herkunft. Ergänzt und komplettiert werden diese
praxisorientierten Professuren innerhalb der Fakultät durch Professuren
der Lebensmittelchemie und den Ernährungswissenschaften.
„In all diesen Bereichen gibt es starke
Überlappungen. Wenn wir uns zum Beispiel die Qualitätsan¬forderungen an
das Convenience-Produkt Pizza vorstellen, kann jeder aus dem Institut
einen Teil dazu beitragen. Gleichzeitig bringt uns die Spezialisierung
im jeweiligen Bereich die nötige wissenschaftliche Tiefe“, meint Prof.
Dr. Jörg Hinrichs als stellvertretender Direktor des Instituts für
Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie.
Auch transdisziplinär sei die
Lebensmittelwissenschaft in Hohenheim ideal eingebettet – dank direkter
Nachbarschaft zu der Fakultät Agrarwissenschaften als Experten der
Rohstoffproduktion und den Ernährungswissenschaften mit ihrem Blick auf
die gesundheitlichen Aspekte moderner Ernährung. Darüber hinaus gäbe es
viele nationale und internationale Kooperationen mit
Forschungseinrichtungen und der Industrie, so dass die
Forschungsprojekte den Bogen von der Lebensmittelerzeugung, der
Verarbeitung, der Qualitätssicherung und des Bedarfs bis zur Akzeptanz
beim Konsumenten spannen.
In naher Zukunft sieht Prof. Dr. Hinrichs die
wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Lebensmittelversorgung und
damit den Forschungsbedarf wachsen. Dabei gäbe es zwei Arten
inhaltlicher Konzepte, die von der Industrie verfolgt und entwickelt
werden: „Der Markt separiert sich in Unternehmen, die experimentieren,
wie sich Inhaltsstoffe neu kombinieren lassen, um spezifische
Kundenbedürfnisse oder regionale Bedürfnisse zu befriedigen. Ein
anderer Flügel arbeitet daran, wie man Nahrungsmittel möglichst
natürlich belassen kann. In Hohenheim sind wir in beiden Welten gut
aufgestellt“, erklärt Prof. Dr. Hinrichs.
Entsprechend seien die Forschungsrichtungen
ausgerichtet: Laut Prof. Dr. Hinrichs suchten vor allem große
Unternehmen neue Käufergruppen über neue, innovative Produkte. Dazu
gehörten zum Beispiel Gesundheitsprodukte zur Fettreduktion oder
Produkte mit spezifischen biofunktionellen Eigenschaften. In der
westlichen Welt ginge es zudem darum, sich auf die Bedürfnisse der
wachsenden Konsumentengruppe älterer Menschen mit entsprechenden
Lebensmittelkompositionen einzustellen. Nach wie vor wachsend wäre auch
der Convenience-Bereich, d.h. dass fertige Mahlzeiten aus der Kühltruhe
oder aus Trockenprodukten rasch und „frisch“ in der eigenen Küche
zubereitet werden können.
Ein langfristiger Trend sei das „Clean Labelling“.
Gesucht werden zum Beispiel färbende Naturstoffe, mit denen
deklarationspflichtige Farbstoffe ersetzt werden können. Durch den
europaweiten Verdrängungswettbewerb ergäben sich zudem
verfahrenstechnische und prozesstechnische Forschungs- und
Entwicklungspotenziale – so sind sichere, kostengünstige und
ressourcenschonende Technologien gefragt, die nur interdisziplinär
durch Zusammenführen der verschiedenen Forschungsexpertisen zu
realisieren sind.
Dieser Rahmen sei in Hohenheim über die Professuren
ideal gegeben. Von dieser universitären Forschung profitierten
insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen in
Baden-Württemberg, die auf möglichst naturbelassene, regionale Produkte
setzen oder neue Maschinen und Apparate oder Analysetechniken
entwickeln. Denn die Ideen und Forschungserkenntnisse, die über
Drittmittelforschung (im vergangenen Jahr 1,7 Millionen Euro)
erarbeitet wurden, sind frei zugänglich und fließen auch direkt in die
Lehre ein. So bringen Absolventen anschließend innovative Methoden und
neue Technologien mit in die Unternehmen hinein.
Mit dem neuen Gebäude ersetzt das Land einen nicht
mehr sanierungsfähigen Altbau, der im Herbst 2006 abgerissen werden
musste. Die damalige Ausstattung hatte die bislang sehr erfolgreiche
Zusammenarbeit mit der Industrie gefährdet, da die Durchführung
moderner Prozesse und empfindlicher Analysen, wegen stark schwankender
Raumtemperaturen und baulicher Mängel, nicht möglich gewesen waren.
„Wir sind dem Land deshalb mehr als dankbar, dass
es diesen Standortvorteil Baden-Württembergs klar erkannt und zur
eigenen Sache machte, indem Finanz- und Wissenschaftsministerium durch
gute Zusammenarbeit den Neubau zügig anstießen, um unseren
Konkurrenzvorsprung auch für die Zukunft zu halten und auszubauen“,
hatte der Rektor der Universität, Prof. Dr. Hans-Peter Liebig im
Vorfeld der Übergabe erklärt. Um den Neubau zu beschleunigen, hatte
sich die Universität Hohenheim ausdrücklich an der Finanzierung
beteiligt.
In diesem Sommersemester konnten die 80
Studierenden des Bachelor-Studiengangs erstmals in den neuen Räumen des
Instituts für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie ihre Praktika
absolvieren. Ab dem kommenden Wintersemester sollen zusätzlich jährlich
48 Master-Studierende in den Studiengängen Lebensmittelwissenschaft und
-technologie sowie Enzym-Biotechnologie hinzukommen. Daneben beteiligt
sich das Institut an der Ausbildung der Studierenden in
Ernährungswissenschaft, Agrarwissenschaften, Biologie und
Lebensmittelchemie der Universität.