15.07.2009 | 00:00:00 | ID: 1268 | Ressort: Ernährung | Wissenschaft & Forschung

Glacé-Genuss ohne klebrige Finger

Zürich (agrar-PR) - Mit einer ETH-Entwicklung ist es erstmals möglich, die Schmelzeigenschaften von Glacé exakt zu messen. Das neue Gerät soll helfen, Speiseeis zu entwickeln, das lange in Form bleibt.

Glacé, das zu schnell schmilzt und tropft, ist ärgerlich. Doch klebrige Hände, verkleckerte Hosen, zu wenig Zeit zum Geniessen – das muss nicht sein. Denn neuerdings gibt es ein Gerät, das Speiseeis-Entwickler dabei unterstützt, neue Sorten mit idealem Schmelzverhalten auszutüfteln. Mit Kamera und Waage

Das Gerät heisst «Meltdown Analyzer» und wurde 2004 am Institut für Lebensmittelwissenschaften der ETH Zürich entwickelt, um die Eigenschaften von Glacé zu beurteilen, das mit einem neuartigen Verfahren hergestellt wurde. Bis heute ist auf dem Markt kein vergleichbares Gerät erhältlich.

Da sich auch die Industrie für das neue Gerät interessierte, die Vermarktung und die Weiterentwicklung zur Serienreife jedoch nicht Aufgaben der ETH sind, übernahm Anfang 2008 Adrian Dürig, selbst Lebensmittelingenieur, gemeinsam mit seinen Entwicklungspartnern die Weiterentwicklung für industrielle Anwendungen. Im Oktober 2008 gründete er den ETH-Spin-off Certa Fides GmbH und kümmert sich seither vor allem um die Vermarktung der ETH-Erfindung.

Das Prinzip des Meltdown Analyzers ist relativ einfach: Im Innern des Chromstahlgehäuses ist Platz für vier Proben. Auf vier «Gondeln» schmilzt je eine standardisierte Glacé-Portion langsam vor sich hin. Vier Kameras machen alle paar Sekunden Bilder davon. Die vier Waagen, an denen die Gondeln aufgehängt sind, messen laufend das Gewicht, während die immer flüssiger werdende Masse durch die Löcher im Boden tropft. Erstmals standardisierte Resultate

«Neben dem eigentlichen Messgerät ist die Software das Wichtigste am Meltdown Analyzer», erklärt Dürig. Mit ihr lassen sich die aufgezeichneten Daten auswerten, als Kurven darstellen und die Kennzahlen, die das Abschmelzverhalten der Proben charakterisieren, berechnen. Formerhaltung, Schaumstabilität und Abtropfverhalten interessieren die Glacé-Tüftler besonders.

«Mit der neuen Maschine lassen sich diese Eigenschaften erstmals standardisiert erfassen und somit auch beurteilen und vergleichen», sagt Dürig. Ohne diese Möglichkeit waren die Firmen bisher gezwungen, eigene Lösungen zu suchen. Das Schmelzverhalten wurde deshalb oft subjektiv oder mit grossem Personalaufwand bestimmt.

Mit dem neuen Gerät lassen sich in Zukunft Pannen wie diese hoffentlich vermeiden: «Vor einiger Zeit musste sich ein Hersteller mit aufgebrachten Müttern auseinandersetzen», erzählt Dürig. Grund: Deren Kinder hatten sich beim Glacé-Genuss von oben bis unten bekleckert. Offenbar über das normale Mass hinaus. Es stellte sich heraus, dass eine ganze Charge betroffen war. Vom Prototypen zum markttauglichen Produkt

«Ich wollte mich eigentlich schon immer selbständig machen, wusste nur noch nicht womit», sagt Dürig. Für den Lebensmittelingenieur ETH, der bis zur Gründung seiner eigenen Firma bei zwei verschiedenen Arbeitgebern Schokolade und Bonbons entwickelt hatte, war der Meltdown Analyzer die zündende Geschäftsidee. Kurz nachdem er 2008 Vater von Zwillingen geworden war, begann er mit der Weiterentwicklung des Gerätes.

«Es ging darum, das Gerät, das Wissenschaftler entwickelt hatten, und das bisher nur zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt worden war, auf die Bedürfnisse der Industrie zuzuschneiden», erklärt Dürig. Zunächst musste eine anwenderfreundliche und stabile Software entwickelt werden. Auch musste das Gerät benutzerfreundlicher werden und leicht zu reinigen sein – denn Glace schmelzen zu lassen, ist eine klebrige Angelegenheit. Ungewöhnlicher ETH Spin-off

Dürigs Spin-off ist eher die Ausnahme als die Regel. Denn nach dem Studium - dem Zeitpunkt, an welchem normalerweise Spin-offs gegründet werden - machte er einen mehrjährigen Abstecher in die Industrie, um sich erst als Rückkehrer mit einem ETH Spin-off selbständig zu machen. «Ich sehe es als Vorteil, dass ich die ETH zuerst verlassen und in der Industrie Erfahrungen gesammelt habe», sagt Dürig. Dadurch habe er vieles gelernt, das er heute als Manager seiner eigenen Firma brauchen könne.

Zusätzlich zu seinen eigenen Erfahrungen kann Dürig bei der Vermarktung des Meltdown Analyzers auf die Unterstützung seines Coachs, Ulrich Hubacher, zählen. Hubacher, ein Verkaufs- und Marketingprofi mit 30 Jahren Erfahrung in der Maschinenindustrie, kann ihm immer wieder nützliche Tipps geben.

Finanziert hat er seine Firma zunächst mit eigenem sowie dem Geld von Verwandten und Freunden. Momentan leben er und seine Familie noch vom Ersparten und vom Teilzeiteinkommen seiner Frau. Um die Firma weiter aufzubauen, braucht Dürig in absehbarer Zeit zusätzliches Kapital. Geräte für die Glacé-Industrie

Der Meltdown Analyzer stösst auf Interesse. Dürig verhandelt bereits mit mehreren interessierten Firmen. In Kürze wird er zusätzlich eine Variante des Gerätes auf den Markt bringen, bei der sich die Temperatur im Innern kontrollieren lässt. Konstant sucht er auch nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten für sein Gerät: «Man kann zum Beispiel auch die Stabilität von Schlagrahm, Mousse oder Haarschaumfestiger bestimmen», meint Dürig.

Bei Certa Fides sind noch weitere Produkte in Vorbereitung. Der «Scoopability Analyzer» wird, wenn er zur Serienreife weiterentwickelt ist und bei der Entwicklung von Eiscreme zum Einsatz kommt, den Verkäuferinnen von Glacékugeln das Leben erleichtern: Mit ihm lässt sich testen, wie viel Kraft erforderlich ist, um aus Glacé schöne Kugeln zu formen. «Mit demselben Messprinzip lässt sich auch untersuchen, wie gut sich Brotaufstriche, wie Butter oder Margarine, streichen lassen. Da eröffnen sich einige Möglichkeiten», ist Dürig überzeugt. Er geht davon aus, in Zukunft noch weitere Geräte für die Glacé-Industrie anbieten zu können. Gute Aussichten also für Glacé-Liebhaber.
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