Braunschweig (agrar-PR) -
Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts zeigen, wie Phytoplasmen mit ihrem Wirt, dem Apfelbaum, und ihrem Überträger-Insekt, dem Sommerapfelblattsauger, interagieren Die Manipulation und das Anlocken durch bestimmte Geruchsstoffe
scheint ein alter Hut aus der Trickkiste von Mutter Natur zu sein.
Dennoch verblüfft die Taktik des Krankheitserregers der
Apfeltriebsucht, einem Bakterium ohne Zellwand namens
Candidatus
Phytoplasma mali. Phytoplasmen allein können keine Pflanzen infizieren.
Sie sind auf Insekten als Transportmittel angewiesen. Wie
Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) in Dossenheim nun
herausgefunden haben, manipuliert der Erreger der Apfeltriebsucht den
Geruch der infizierten Apfelbäume, um so eine ganz bestimmte
Insektenart anzulocken. In einem kürzlich in der Zeitschrift
„Phytopathology“ (Vol. 99 Nr.6/2009) veröffentlichten Artikel berichten
die Wissenschaftler, dass in Deutschland nur der
Sommerapfelblattsauger,
Cacopsylla picta,
verantwortlich ist, das Bakterium zu übertragen und zu verbreiten. Wie
viel Musik in dem Thema steckt, zeigt ein aktueller Artikel der
Zeitschrift „Science“ (Vol.325 vom 24.07.2009) zu weltweiten
Innovationen der Forschungen an Phytoplasmen. Die Arbeiten des JKI sind
die Einzigen aus Deutschland zitierten.
„Im Verlauf der Evolution hat sich eine sehr spezielle
Interaktion zwischen dem Apfeltriebsucht-Phytoplasma, seinem Wirt (dem
Apfel) und seinem Überträger herausgebildet“, sagt Dr. Jürgen Gross.
Der Wissenschaftler vom Julius Kühn-Institut arbeitet mit seiner
Arbeitsgruppe schon länger an Phytoplasmen, die die Apfeltriebsucht
auslösen, und an deren Infektionswegen. So konnte er bereits 2005
zeigen, dass der Sommerapfelblattsauger auf bestimmte chemische Signale
der Apfelbäume reagiert. „Dass die Phytoplasmen dazu beitragen, dass
sich der Geruch der von ihnen infizierten Apfelbäume dahingehend
ändert, dass sie attraktiver für bestimmte Stadien der Blattsauger
werden, haben wir erst kürzlich in olfaktorischen Laborexperimenten
nachgewiesen“, so Gross.
Gaschromatographische Analysen der von den Apfelbäumen
abgegebenen Duftstoffe ergaben, dass nur bei den mit Phytoplasmen
infizierten Bäumen verstärkt ß-Caryophyllen gebildet wurde. Junge
Sommerapfelblattsauger bevorzugen diesen Geruch und fliegen infizierte
Apfelbäume deshalb bevorzugt an. Damit hat das Bakterium sein Ziel
erreicht. Es hat sich ein geeignetes Taxi gerufen, das ihn zum nächsten
Apfelbaum bringen wird.
In Labor- und Freilandexperimenten zur Thematik wurde ebenfalls
untersucht, ob nicht auch eine andere bekannte Blattsaugerart zur
Verbreitung der Apfeltriebsucht beiträgt. Diese Vermutung bestätigte
sich nicht, da diese Blattsauger Weißdorn als bevorzugte Wirtspflanze
zur Vermehrung nutzen und nur geringe Mengen des Bakteriums in sich
tragen. Weißdorn wird durch das Bakterium nicht infiziert und stellt
somit eine Sackgasse für die weitere Verbreitung dar.
„Jetzt, da wir bereits einige der Geruchspräferenzen der
Überträgerinsekten kennen, können wir uns dieses Wissen zu Nutze
machen, um zukünftig der Ausbreitung der Apfeltriebsucht vorzubeugen“,
erläutert Gross. Er und seine Mitarbeiter wollen nun vor dem
Hintergrund dieser Ergebnisse neue Bekämpfungsstrategien entwickeln,
und beispielsweise die Blattsauger mittels Geruchsfallen abfangen oder
mittels abschreckender Stoffe von den Apfelbäumen fernhalten.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Jürgen Gross
JKI-Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau
Schwabenheimer Str. 101
69221 Dossenheim
juergen.gross@jki.bund.de
Fon: 06221 86805-21
Hintergrundinformation zu Phytoplasmen:
Phytoplasmen sind pflanzenpathogene Bakterien ohne Zellwand, die
ähnlich wie Viren nur in lebendem Wirtsgewebe wachsen. Sie werden durch
Insekten übertragen. Ihr eigener Stoffwechsel ist so stark reduziert,
dass lebensnotwendige Bio-Moleküle aus den Wirtszellen importiert
werden müssen. Mehr als 700 Pflanzenkrankheiten werden von Phytoplasmen
verursacht.
(siehe auch: Science, Vol 325 vom 24.7.2009 (NewsFocus), Evelyn Strauss: Phytoplasma Research Begins to Bloom; Download von
www.sciencemag.org)
Hintergrundinformation zur Apfeltriebsucht:
Die klassischen Symptome der Apfeltriebsucht treten im Herbst
auf. Es sind Kleinfrüchtigkeit (siehe Bild), gestauchte Triebe,
Nachblüte und Rotlaubigkeit. Ein eindeutiger Nachweis des
Apfeltriebsuchtbefalls erfolgt durch einen molekularen Test (PCR).
Wissenschaftliche Originalpublikationen zum Thema:
„
Cacopsylla melanoneura Has No
Relevance as Vector of Apple Proliferation in Germany“: Phytopathology
Vol. 99 Nr.6/2009, S. 729 ff., MAYER, C.J., JARAUSCH, B., JARAUSCH, W.,
JELKMANN, W., VILCINSKAS, A. & GROSS, J.
„Pathogen-induced Release of Plant Allomone Manipulates Vector
Insect Behaviour”: Journal of Chemical Ecology Vol. 34 Nr. 12/2008, S.
1518 ff., MAYER, C.J., VILCINSKAS, A. & GROSS, J.
„Phytopathogen Lures its Insect Vector by Altering Host Plant
Odor”: Journal of Chemical Ecology Vol. 34 Nr. 8/2008, S. 1045 ff.,
MAYER, C. J., VILCINSKAS, A. & GROSS, J.