Hannover (agrar-PR) - Benachteiligte Gebiete
Als gute und gerechtfertigte Maßnahme im Förderkatalog der EU hat
Josefine Loriz-Hoffmann von der EU-Kommission die Ausgleichszulage
verteidigt. Vor dem DBV-Fachausschuss Agrarstruktur- und
Regionalpolitik, der sich jetzt in der Wesermarsch umschaute,
begründete sie zudem, warum nun eine Neuabgrenzung der benachteiligten
Gebiete erfolgen soll.
Massive Kritik gab es zuletzt 2003 vom Europäischen Rechnungshof
an diesem Instrument der Agrarpolitik. Er hatte damals Argumente von
Nichtregierungsorganisationen aufgegriffen und die Ausgleichszulage als
zu vielfältig und undurchsichtig abqualifiziert. Dem möchte die
Kommission nun etwas entgegensetzen und sucht daher eine moderne
Begründung für die alte Maßnahme.
Der Agrarministerrat hat auf seiner
jüngsten Sitzung nun einen Testprozess beschlossen. Danach soll ein
wissenschaftlich basierter Kriterienkatalog im Konsens mit den
Mitgliedstaaten Grundlagen für ein neues gemeinsames System schaffen.
Dazu hat nach Angaben von Loriz-Hoffmann ein Sachverständigengremium
einen Katalog von acht Boden- und Klimakriterien festgelegt. Aktuell
sieht die Kommissionsbeamtin den idealen Zeitpunkt, um darüber zu
entscheiden, ob diese Kriterien richtig und ausreichend sind. In diese
Diskussion sollten sich die Mitgliedstaaten mit Anregungen und
Vorschlägen einbringen.
Keinen Zweifel ließ Loriz-Hoffmann daran
aufkommen, dass die Ausgleichszulage eine klare Zielrichtung zur
Stabilisierung der Einkommen hat. Die Kommission sieht in der
Ausgleichszulage einen Zuschuss zur Bewältigung spezieller Probleme.
Damit grenzt sie sich eindeutig von den Agrarumweltmaßnahmen ab, die in
ihrer Zielsetzung auf Leistungen der Landwirte zum Erhalt besonderer
Naturräume oder Arten abheben.
In der eigentlichen Gebietsausweisung
sah die Abteilungsleiterin Konsistenz Ländliche Entwicklung lediglich
einen „technischen Akt“, der aber konkret einzelne Betriebe treffe und
deshalb durchaus kompliziert sein könnte.
Und diese Komplikationen wurden bei der
Bereisung in der Wesermarsch sehr deutlich. Hier läuft die
Gebietsabgrenzung zwischen benachteiligtem und nicht benachteiligtem
Gebiet beispielsweise in der Gemeinde Schwei mitten durch die
Gemarkungen. Otto-Hermann Witting bewirtschaftet hier einen
Milchviehbetrieb, dessen Wiesen sich bis zu acht Kilometer lang
hinziehen. Die schmalen Handtücher sind über noch schmalere
Wirtschaftwege zu erreichen. „Ich kann nur kleine Maschinen einsetzen,“
verdeutlichte Witting und beeindruckte mit seiner bunten Flurkarte die
Dame aus Brüssel. Aber auch Futterlieferanten oder Milchwagen müssen
sich den schmalen Wirtschaftswegen anpassen. Erste Abhilfe soll nun
eine Flurbereinigung bringen. Aber die wirtschaftlichen Nachteile
dieser schlechten Struktur wären nach Einschätzung des Landvolkes mit
Kriterien wie Wasserlast oder Bodenqualität am besten beschrieben.
Das Landvolk Niedersachsen möchte bei
der Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete den natürlichen Nachteil
absoluter Grünlandstandorte mit berücksichtigt wissen, erläuterten
Vizepräsident Heinz Korte und Geschäftsführer Jörn Dwehus. Die von
Peter Cornelius, Landvolkvorsitzender in der Wesermarsch, hervorragend
vorbereitete Rundfahrt lieferte dafür überzeugendes
Anschauungsmaterial. Auf den Marschstandorten gibt es keine rechte
Alternative zur Grünlandnutzung, die wenigen Maisflächen sahen auf den
kalten und nassen Böden sehr kümmerlich aus. Wasserlasten, Küstenschutz
und auch der Vogelschutz verlangen ebenfalls ihren Tribut. Claudia und
Peter Cornelius aus Blexerwisch haben zu ihren 120 Kühen zwei weitere
Standbeine geschaffen: eine Ferienwohnung und ein Windrad bringen Geld
in die Betriebskasse, während bei der Milch zurzeit nichts überbleibt.
„Unter unserem Windrad brüten die Kiebitze, aber da es im
Vogelschutzgebiet steht, dürften wir keine neue Anlage errichten“,
schildern sie und hoffen, dass sich die Mühle noch lange dreht.
Es sind viele Probleme, mit denen die
Landwirte an der Küste zu kämpfen haben: die Flächen liegen zum Teil
unter Normalnull und „saufen“ immer wieder mal ab. Damit das Wasser in
den Gräben nicht brackig wird, müssen Pumpen die Be- und Entwässerung
regeln. Neu kommt die zunehmende Versalzung der Weser durch den Ausbau
hinzu. Diese Vielzahl an Benachteiligungen stellt für die Höfe eine
echte Last dar, die Ausgleichszulage könnte sie wenigstens etwas
abmildern. Josefine Loriz-Hoffmann nahm viele Eindrücke aus der
Wesermarsch mit.