16.09.2022 | 14:45:00 | ID: 34094 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Backhaus: Lebensmittelversorgung hat in der Energiekrise höchste Priorität

Schwerin (agrar-PR) - In Quedlinburg trafen sich heute die Agraministerinnen und -minister von Bund und Ländern zur turnmäßigen Herbstkonferenz. Auf der Tagesordnung standen drängende Agrarthemen wie der Umbau der Tierhaltung, die Anpassung des Düngerechts sowie die Energieversorgung. Erwartungsgemäß wurde die Konferenz von Protesten der Landwirtschaft begleitet. „Die Stimmung in der Branche ist aufgeheizt, das kann ich verstehen und man erwartet zu Recht Antworten von der Politik“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Dr. Till Backhaus. Entsprechend intensiv wurde in der Konferenz um zielführende Beschlüsse gerungen.

Energieversorgung/Ausbau der EE in der Landwirtschaft

In Anbetracht des weiterhin angespannten Energiemarktes wurde auf Initiative des Landes MV die Bundesnetzagentur zur Konferenz eingeladen, um sich zur Frage der Absicherung der Energieversorgung für die Betriebe der Land- und Ernährungswirtschaft zu verständigen. „Auch wenn die Gasspeicher gut gefüllt sind und es aktuell so aussieht, als könnten wir ohne Gasnotfallstufe über den Winter kommen, müssen wir unsere Anstrengungen weiter fortsetzen und uns auch auf den Ernstfall vorbereiten“, bekräftigte Backhaus. Er verwies erneut darauf, dass die Land- und Ernährungswirtschaft für ihn ein systemrelevanter Sektor sei. „Deshalb auch unsere klare Forderung an den Bund und die Bundesnetzagentur, zumindest die Akteure der Grundnahrungsmittelproduktion als „geschützte Kunden“ im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes zu behandeln und sicherzustellen, dass man ihnen in einer Gasmangellage nicht den Gashahn zudreht und schnell die Energiepreisbremse in Deutschland einzuführen.“ Nur so könne die Versorgung mit Lebensmitteln auch im Krisenfall abgesichert werden. Wie für alle anderen Branchen sei es jetzt aber auch für die Land- und Ernährungswirtschaft sowie den Klein- und Mittelstand im ländlichen Raum das Gebot der Stunde, schnellstmöglich auf erneuerbare Energien umzustellen, um sich unabhängiger von fossilen Energien zu machen.

Backhaus sieht den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht nur als eine Herausforderung, sondern auch als eine große Chance für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume: „Schon jetzt tragen landwirtschaftliche Betriebe in erheblichem Maße zur erneuerbaren Energieproduktion bei, zum Beispiel durch die Erzeugung von Biogas oder einem überdurchschnittlich Anteil von Solaranlagen auf Dachflächen; und ich bin davon überzeugt, dass die Branche das Potential dazu hat, ihre Energie künftig vollständig aus erneuerbaren Quellen zu generieren.“

In diesem Zusammenhang warnte er aber auch vor einer dauerhaften Flächenverknappung. „Ein ungesteuerter Ausbau von Freiflächen-PV könnte zu einem weiteren Treiber des anhaltenden Strukturwandels werden und das Höfesterben forcieren.“ Bei der Planung und Umsetzung dürfen daher die Belange der Agrarstruktur und des Natur- und Bodenschutzes nicht auf der Strecke bleiben. Die Nutzung versiegelter und bebauter Flächen sowie die Schonung hochwertiger Böden müssen einen hohen Stellenwert einnehmen, sagte er weiter. Ein für ihn sinnvoller Weg seien Agri-PV-Systeme, also die Kombination von Stromerzeugung und landwirtschaftlicher Produktion auf der Fläche. Damit ließe sich die Produktionsfähigkeit der Flächen erhalten und zusätzliche Wertschöpfung im ländlichen Raum ermöglichen. „Wir müssen es schaffen, dass nicht die großen Energiekonzerne, sondern die Landwirte und die Kommunen vor Ort vom Ausbau der Erneuerbaren Energien profitieren“, betonte der Minister. Die Agrarchefs begrüßten daher ausdrücklich, dass das Erneuerbare Energiengesetz in 2023 eine Förderung solcher Doppelnutzungen vorsieht.

Umbau der Tierhaltung/Tierhaltungskennzeichnung

Ein weiterer Themenschwerpunkt lag für Mecklenburg-Vorpommern im Umbau der Nutztierhaltung: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Tierhaltung haben sich angesichts tiefgreifender Marktveränderungen stark verschlechtert . Gerade den Schweinehaltern steht das Wasser bis zum Hals, was vielfach bereits zu Betriebsaufgaben geführt hat. Ich bedaure außerordentlich, dass der Bund nach wie vor kein gangbares Konzept vorgelegt hat, das den tierhaltenden Betrieben eine langfristige Perspektive und Planungssicherheit bietet. Weder hat der Bund die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um Genehmigungen für Stallneu- oder umbauten zu beschleunigen, noch ist es gelungen, eine praktikable verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung zu etablieren. Den jetzt vom Bund vorgelegten Entwurf hält Backhaus wie auch viele seiner Länderkollegen und -kolleginnen für völlig unausgereift. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die damit verbundene Vermischung des Tierhaltungskennzeichnungsrechts mit dem Tierschutzrecht und den nicht administriebaren Kontrollaufwand in den Ländern. „Außerdem soll die Kennzeichnungspflicht nur für Schweine und das auch nur für den Mastbereich gelten. Das ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben“, konstatiert der Minister.

„Der Handel hat mit der Tierwohlinitiative bereits eine vierstufige Haltungsskala am Markt implementiert und gezeigt, wie es gehen kann. Darauf sollte man aufbauen. Schon vor einem Jahr habe ich insbesondere mit Blick auf die ruinöse Schweinehaltung ein Bekenntnis zu fünfmal „D“ gefordert - geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet in Deutschland. Daran müssen wir weiter arbeiten“, sagte der Minister und verwies auf die gesellschaftlichen Erwartungen an eine moderne und nachhaltig ausgerichtete Tierhaltung und eine transparente Tierhaltungskennzeichnung. Die Empfehlungen der Borchert-Kommission seien für den Minister weiterhin eine wesentliche Grundlage und daher sei der Bund zur schnellen Umsetzung dieser Vorschläge aufgefordert.

„Am Umbau der Tierhaltung führt kein Weg vorbei. Das geht aber nicht von heute auf morgen, denn die Tierhaltung mit der Fleischverarbeitung/-veredlung ist Existenzgrundlage für viele Menschen in unserem Land. Es braucht dringend eine solide Finanzierungsstrategie für notwendige Investitionen und den laufenden Mehraufwand der Landwirtschaft für Tierwohlställe. Sonst machen die Tierhalter dicht und das Fleisch kommt aus Ländern, die deutlich niedrigere Tierwohlstandards haben. Das kann niemand wollen. Auch darf die Finanzierung auf keinen Fall zulasten anderer Förderbereiche der integrierten ländlichen Entwicklung gehen. Bei der Dorferneuerung oder Kitas und Schulen darf wegen der Tierwohlförderung nicht der Rotstift angesetzt werden“, bekräftigte Backhaus.

Anpassung des Düngerechts

Auch die Anpassung des Düngerechts stand auf Antrag von MV erneut auf der Tagesordnung und wurde kontrovers diskutiert. „Wir müssen mit der Nitratbelastung im Grundwasser runter, auch die Landwirtschaft muss hier ihren Beitrag erbringen, da gibt es keine zwei Meinungen. Wir müssen diesen Weg aber mit der Landwirtschaft gehen. Es braucht eine nachhaltige Zukunftsstrategie, die den Schutz der natürlichen Ressourcen sicherstellt, aber gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion in Deutschland nicht gefährdet“, so Backhaus. Das Gebot der Stunde sei es, Bürokratie abzubauen, Vorgaben zu harmonsieren sowie eine engere Verzahnung mit der Agrarförderung zu erreichen. Nur so könne Akzeptanz für das Düngerecht erreicht werden.

„Noch ist das Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie nicht vom Tisch und keiner will die Einigung mit der EU-Kommission gefährden. Wir müssen daher mit Hochdruck die noch offenen Hausaufgaben abarbeiten und insbesondere die Anpassung der Landesdüngeverordnungen zur Ausweisung der roten Gebiete schnell zum Abschluss bringen. Ich habe aber immer gesagt, dass die Gebietskulisse nicht in Stein gemeißelt sein darf. Hier müssen wir Perspektiven aufzeigen, wenn wir wollen, dass die Betriebe im Sinne des Gewässerschutzes mit uns kooperieren und dafür erhöhte Anforderungen in Kauf nehmen. Für jene, die nachweislich vorbildhaft wirtschaften, es eine verursachergerechte Maßnahmendifferenzierung. Parallell muss es ein deutschlandweit einheitliches Messsverfahren zur Nitratbelastung geben, denn den Landwirten ist vor allem eines wichtig, dass sie wettbewerbsfähig bleiben. Das geht nur, wenn nicht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht. Die Länder müssten außerdem endlich in die Lage versetzt werden, betriebliche Daten einfordern zu dürfen, am besten über die Antragstellung für Direktzahlungen“, betonte Backhaus.

GAK

Das wichtigste bundesdeutsche Instrument zur Förderung der Landwirtschaft und der integrierten ländlichen Entwicklung ist die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, kurz GAK. Die Agrarministerinnen und -minister von Bund und Ländern verständigten sich auf eine kontinuierliche und ausreichende Mittelausstattung der GAK einschließlich des Sonderahmenplans Ländliche Entwicklung. „Zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen sind die GAK-Mittel von zentraler Bedeutung. Damit werden Investitionen in eine erreichbare Grundversorgung, attraktive Ortskerne und in die ländliche Infrastruktur kofinanziert“, betonte Minister Backhaus und reagierte damit auf die im Bundeshaushalt 2023 vorgesehene Kürzung der GAK-Mittel um über 40 Millionen Euro. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung gemäß ihres Koalitionsvertrages handelt. Darin heißt es, die Möglichkeiten der Infrastrukturförderung zu erweitern, deren Anwendbarkeit zu flexibilieren und die mehrjährige Übertragbarkeit von Mitteln sicherzustellen. Daran werden wir den Bund messen“, sagte er.

Zukunft der Fischerei

Auf Antrag Mecklenburg-Vorpommerns wurde auch über Möglichkeiten debattiert, die Auswirkungen des Brexits für die Fischerei abzumildern. „Die Branche ist gleich mehrfach gebeutelt: Brexit, fortlaufende Fangquotenreduktionen, Corona und jetzt die Energiekrise. Es ist fünf vor zwölf – hier steht ein wichtiger Wirtschaftbereich und ein Kulturgut unseres Landes vor dem Aus“, zeigte sich der Minister besorgt. Es brauche schnellstmöglich wirksame Unterstützungsmaßnahmen der EU, die auch eine Förderung investiver Maßnahmen ermöglicht. Instrumente wie die Brexit-Anpassungsreserve (BAR) nützten nichts, wenn sie am Ende nicht bei den Fischern ankommen. Der Bund wurde daher aufgefordert, sich bei den Notifizierungsabstimmungen der Richtlinie zur Umsetzung der BAR mit Nachdruck für die berechtigten Interessen der deutschen Fischerei und Fischwirtschaft einzusetzen. „Wir dürfen die Branche in dieser schwierigen Zeit nicht im Stich lassen und alle Register ziehen, um Unterstützung zu leisten.“ Erklärtes Ziel müsse es sein, einen Abfluss der zur Verfügung stehenden BAR-Mittel zugunsten der vom Brexit betroffenen Sparten der Fischerei zu sichern und drohende Wettbewerbsverzerrungen im Sektor zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden oder zumindest abzumildern.“ Backhaus forderte den Bund außerdem auf, ein System für Kompensationszahlungen an von Brexit-bedingten Fangquotenverlusten betroffenen Fischereiunternehmen zu erarbeiten und als Fördermaßnahme zu notifizieren.

EU-Schulprogramm

Besorgt zeigten sich die Ministerinnen und Minister auch über die Fortführung des EU-Schulprogramms für landwirtschaftliche Erzeugnisse, also die Versorgung der Schulen mit Obst, Gemüse und Milch. „Durch die aktuell steigenden Lebensmittelpreise- und Rohstoffpreise wird das von der EU bisher bereitgestellte Finanzbudget bei weitem nicht ausreichen, um das Programm im erforderlichen Umfang weiterzuführen. In der Konsequenz könnten zukünftig deutlich weniger Schulen an dem Programm teilnehmen und die Anzahl der Liefertage muss reduziert werden“, erklärte Backhaus. Die EU-Mittelausstattung ist auf 250 Millionen Euro pro Schuljahr begrenzt. Der Bund selbst beteiligt sich bisher finanziell nicht an dem Programm. „Hier müssen wir schnell zu gangbaren Lösungen kommen, um dieses erfolgreiche Programm für möglichst alle Schulen zugänglich zu halten“, so Backhaus.
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