Hannover (agrar-PR) - Das Brüsseler Sondertreffen der EU-Agrarminister hat wenig Konkretes
gebracht. Die Europäische Kommission stellte am Montag die umgehende
Einberufung einer Expertengruppe in Aussicht, um eine mittel- und
langfristige Strategie zur Stabilisierung des Milchsektors zu
erarbeiten. Forderungen wie die Erhöhung des Interventionspreises und
der Exporterstattungen sind für EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer
Boel auch weiter keine Option.
Aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium sollen der hochrangigen
Gruppe Staatssekretär Gert Lindemann und Abteilungsleiter Dr. Theo
Seegers angehören. Zunächst dürfte sie sich vor allem die
Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern, Molkereien und
Lebensmitteleinzelhandel vornehmen. Dabei soll es um EU-weite
Rahmenbedingungen gehen. Für diese Idee gab es von den Ministern
„weitreichende Unterstützung“. Fischer Boel betonte vor Journalisten,
man sei sich einig gewesen, dass dabei die Ergebnisse des Health Check
- und damit der Ausstieg aus dem Quotensystem - nicht in Frage gestellt
werden dürften. Im Health Check war aber auch der Ausstieg aus
Verarbeitungssubventionen wie der Bäckerbeihilfe beschlossen worden,
für deren Wiedereinführung sich zahlreiche Mitgliedstaaten, darunter
Deutschland, stark machen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner sprach nach dem Treffen
von einem „schwachen Licht am Ende des Tunnels“. Die Krise auf dem
Milchmarkt sei aber noch nicht überwunden. Im
Bundeslandwirtschaftsministerium will man erreichen, dass für
Begleitmaßnahmen zum Quotenausstieg im Milchsektor weitere EU-Mittel
zur Verfügung gestellt werden. Damit soll die Zeit überbrückt werden,
bis der aus Modulationsmitteln gespeiste Milchfonds voll greift, der ab
2013 rund 300Mio. Euro jährlich bringen soll. Dahinter steht die Idee
eines nationalen Finanzrahmens aus dem EU-Budget, wie es bei der
Weinmarktreform vorgemacht wurde. Zur Finanzierung ist der Rückgriff
auf nicht genutzte Mittel vorgesehen. Fischer Boel ist von diesem
Ansatz wenig begeistert. Sie verwies auf den geringen Spielraum im
EU-Haushalt 2010 und sieht die Finanzierung nur im Falle frischen
Geldes aus den Mitgliedstaaten gesichert - wenn man eine lineare
Kürzung der Direktzahlungen außer Acht lässt.
Gegenüber den Ministern verwies Fischer Boel einmal mehr auf die
bereits unternommenen Maßnahmen zur Stützung des Milchmarkts und
bestätigte, dass Ende der Woche Vorschläge vorgelegt werden sollen.
Dabei geht es um die Ermächtigung der Kommission in Krisenzeiten
schneller eingreifen zu können sowie um veränderte Regeln zum
Quotenrückkauf, womit die Superabgabe künftig eher fällig werden
könnte. Hier ist die Umsetzung aber den Mitgliedstaaten freigestellt.
Deutschland hat hier keine Bereitschaft gezeigt, ein strengeres
Quotenmanagement einzuführen. Ferner soll den Mitgliedstaaten erlaubt
werden, Landwirten vorübergehend bis zu 15.000 Euro an Staatsbeihilfen
zu zahlen - das Doppelte des normalen Satzes.
Das Treffen der Minister wurde von lautstarken Protesten
insbesondere der im European Milk Board (EMB) organisierten Erzeuger
begleitet. Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen
Genossenschaften (COGECA) distanzierten sich von den EMB-Aktionen. Vom
Ausgang der Gespräche zeigten sich COPA/COGECA am Abend enttäuscht.
COPA-Präsident Padraig Walshe hatte zuvor die Forderung nach einer
Ausweitung der Marktmaßnahmen, insbesondere Intervention und
Exporterstattungen, bekräftigt. Gleichzeitig drängt er weiter auf die
Gewährung der Verfütterungsbeihilfe von Magermilchpulver sowie auf die
vorübergehende Wiedereinführung der Verarbeitungsbeihilfe für Butter.
Mittel- bis langfristig müssten Maßnahmen zur Stärkung der
Genossenschaften und Erzeuger gegenüber der „monopolartigen
Machtstellung“ des Einzelhandels entwickelt werden. Walshe betonte, die
Milchpreise seien binnen eines Jahres um 30 Prozent gesunken. Er
bezifferte die möglichen Verluste für Milcherzeuger auf bis zu 14 Mrd.
Euro bis Ende 2010. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV)
und COPA-Vize, Gerd Sonnleitner, hatte die Europäische Kommission und
den Rat im Vorfeld der Gespräche aufgerufen, „endlich und entschieden
zu handeln, um die tiefe Marktkrise zu überwinden“. Viele Milcherzeuger
stünden wegen des extrem niedrigen Milchpreises vor existenziellen
Problemen.