Berlin (agrar-PR) -
Milchbauernpräsident Folgart fordert politischen Rückenwind für Erholung am Milchmarkt Im Vorfeld des Milchgipfels bei Bundeskanzlerin Angela Merkel
haben der Milchbauernpräsident Udo Folgart und der Generalsekretär des
Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Helmut Born, vor Journalisten die
milchpolitischen Positionen des DBV erläutert, die morgen in das
Gespräch mit der Bundeskanzlerin eingebracht werden. Der
Bundestagswahlkampf sei jetzt vorbei, die Krise auf dem Milchmarkt
halte jedoch an, weshalb die Politik den Milchbauern „ganz im Sinne der
sozialen Marktwirtschaft Hilfe zur Selbsthilfe“ gewähren müsse, betonte
Folgart. Die Milchbauern hätten seit über einem Jahr tagtäglich
gemolken und nur finanzielle Verluste erlitten. Allerdings zeichnete
sich im Milchmarkt derzeit eine leichte Erholung ab, da seit Mitte des
Sommers die Notierung für Milchpulver und Butter in Neuseeland, Asien,
aber auch in Amerika anstiegen. Dies wirke sich jetzt auch auf dem
europäischen und deutschen Markt aus.
Der heute bekannt gewordene Pilotabschluss des Discounters ALDI,
nach dem der Kilogrammpreis für Butter von 2,40 Euro auf 3,05 Euro
erhöht wird, sei ein gutes Zeichen, jedoch liege der Preis immer noch
deutlich unter dem Niveau von 2007. Auf der EU-Agrarministertagung am
kommenden Montag in Brüssel müsse durch eine gute politische
Flankierung dieser Aufwärtstrend gefestigt werden, sagte Folgart.
DBV-Präsident Sonnleitner sowie Milchbauerpräsident Folgart werden
Bundeskanzlerin Merkel morgen vorschlagen, Kommissionspräsidenten
Barroso zu mehr Engagement der EU bei der Absatzförderung im In- und
Ausland aufzufordern. Die Milchbauern seien Opfer des
Nachfrageeinbruchs im Rahmen der weltweiten Finanz- und
Wirtschaftskrise, betonte Folgart. Zur Überwindung dieser Krise seien
in Europa hunderte von Milliarden Euro an Banken und
Automobilindustrieindustrie geflossen. Gemessen daran, würden noch
nicht einmal eine Milliarde Euro benötigt, um den Milchmarkt EU-weit
wieder flott zu machen.
In dem vorgestellten Milchpositionspapier des DBV, das der
Kanzlerin morgen überreicht wird, ist deutlich unterstrichen, dass eine
Renationalisierung des Milchmarktes entschieden abgelehnt wird. Dies
hatte EU-Kommissarin Mariann Fischer Boel andeutungsweise ins Spiel
gebracht. Deutschland sei das wichtigste Milcherzeugerland in der EU,
20 von 27 EU-Ländern müssten Milch und Milchprodukte importieren.
„Liebend gern sehen diese Länder eine Produktionsdrosselung in
Deutschland, um so gleich im eigenen Land wieder mit der
Milchproduktion zulegen zu können“, stellte Folgart fest. Die
EU-Kommission und die Mehrheit im Agrarministerrat hätten es im
vergangenen Herbst zugelassen, dass völlig marktwidrig die bestehenden
EU-Quoten weiter angehoben würden. Es sei niemandem zu erklären, wenn
die EU jetzt mit deutschen Steuergeldern diese Quoten wieder bei den
Bauern aufkaufen wolle. Dieses Geld sei effizienter für die Milchbauern
angelegt, wenn die Kommission jetzt mutiger den Export von
Milchprodukten in Schwellenländer (z.B. China, Indien) aber auch in
Rohstoff exportierende Länder (z.B. Russland) ankurbelte.
Das Milchpositionspapier des DBV hat folgenden Wortlaut:
Jetzt endlich handeln!
Die deutschen Milchbauern müssen aus der Talsohle heraus
Am 5. und am 19. Oktober dieses Jahres wird sich der
EU-Agrarministerrat erneut mit der schwierigen Situation der
Milchbauern befassen. Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen
Lage in den Milchviehbetrieben ist das mehr als geboten. Erst
allmählich erholt sich der deutsche und europäische Milchmarkt von der
weltweiten Nachfrageschwäche, ausgelöst durch die nicht von den Bauern
zu verantwortende Banken- und Finanzkrise. Es ist an der Zeit, dass nun
endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden, um die arg gebeutelten
Milchbauern aus dieser Talsohle herauszuholen. Der Deutsche
Bauernverband und seine Landesbauernverbände erwarten nun von der neuen
Bundesregierung, dass sie Brüssel zum Handeln zwingt. Nur dort ist die
Wende zum Besseren durchsetzbar. Die Wahlkampfzeit ist vorbei.
Scheingefechte auf nationaler Ebene müssen der Vergangenheit angehören.
Vor diesem Hintergrund erklärt der DBV zusammen mit den Landesbauernverbänden:
1. Die miserable Situation der deutschen Milchbauern lässt
sich nur dadurch verbessern, dass die EU-Kommission unverzüglich den
Milchabsatz im In- und Ausland massiv ankurbelt. Die erste leichte
Erholung des Milchmarktes muss auf europäischer Ebene verstärkt und
beschleunigt werden. Gerade Kommissionspräsident Barroso und
EU-Kommissarin Fischer-Boel dürfen die Milchbauern nicht im Regen
stehen lassen, wenn gleichzeitig auf der anderen Seite EU-weit hunderte
von Milliarden Euro zur Rettung der Banken und Automobilindustrie
aufgewendet werden.
2. Der Deutsche Bauernverband lehnt es strikt ab, den
gemeinsamen europäischen Milchmarkt aufzugeben und auszuhöhlen. Eine
Renationalisierung der Milchpolitik würde ein Fiasko für die deutschen
Milchbauern bedeuten - insbesondere dann, wenn die deutsche Politik dem
Irrglauben unterliegt, durch nur auf Deutschland begrenzte
Mengensteuerungsmaßnahmen wirkungsvolle Hilfe zu erreichen. Von den 27
Mitgliedsländern sind ca. 20 Nettoimporteure bei Milch. Sie alle
möchten den europäischen Rahmen nutzen und ihre eigene Produktion auf
Kosten des Milcherzeugerlandes Nr. 1 ankurbeln. Das gilt es zu
verhindern.
3. Die EU-Kommission muss deshalb zu ihrer Verantwortung
stehen und ihre marktwidrigen Entscheidungen aus dem Herbst 2008
(„health check“) korrigieren. Die gegen den erklärten Widerstand der
deutschen Bauern beschlossene Anhebung der Milchquoten für die nächsten
Jahre muss ausgesetzt werden. Es ist niemandem zu erklären, weshalb die
Milchquoten erst angehoben und dann – so zumindest eine Idee der
EU-Kommission - mit Steuergeldern von den Bauern wieder zurückgekauft
werden sollen. Dieses Geld ist besser und vor allem marktwirksamer
angelegt, wenn die EU-Kommission nun endlich und mutiger den Absatz und
den Konsum von Milchprodukten fördert.
4. Der Deutsche Bauernverband bekräftigt erneut seine
grundsätzliche Ablehnung, den Versuch der Marktsteuerung auf nationaler
Ebene zu unternehmen. Dieses Drehen an den kleinen Schrauben (z.B. die
Änderung der Saldierung) würde die deutschen Milchbauern in einem
offenen europäischen Binnenmarkt zurückwerfen. Die nationale Politik
ist stattdessen aufgefordert und tut gut daran, die Steuer-, Sozial-
und sogar die Umweltpolitik zu nutzen, um durch gezielte Unterstützung
den Milchbauern z. B. in den Grünlandregionen eine Zukunftsperspektive
zu sichern.
5. Die verbleibende Frist bis zum Quotenausstieg 2015 muss
auf deutscher Ebene auch genutzt werden, den Strukturwandel der
Molkereiwirtschaft so voranzutreiben, dass diese wieder zu einem echten
Partner der Milchbauern wird. Nur Molkereien, die auf gleicher
Augenhöhe mit den Großen des Lebensmitteleinzelhandels verhandeln
können, sind für die Milchbauern ein Garant für deren Zukunft. Die neue
Bundesregierung muss im Sinne von „Fordern und Fördern“ der
Molkereiwirtschaft größere Eigenanstrengungen abverlangen, um den
gesamten Milchstandort Deutschland dauerhaft bauernfreundlich zu
gestalten.