14.10.2015 | 16:00:00 | ID: 21226 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Landeskodex zur Vermeidung der Schlachtung hochtragender Rinder unterzeichnet

Schwerin (agrar-PR) - Wichtiger Schritt für mehr Tierwohl in Mecklenburg-Vorpommern.
„Heute erfüllen wir einen weiteren Punkt aus unserem Tierschutzkonzept und ich freue mich, dass alle wesentlichen Akteure rund um das Tier Rind sich dem Kodex angeschlossen haben. So lange es keine rechtlichen Regelungen auf nationaler und EU-Ebene gibt, ist dies der höchste Standard, den wir bieten können. Aktuelle Zahlen des ersten Halbjahres 2015 belegen, dass 61 % aller geschlachteten Rinder weibliche Tiere waren. Von diesen weiblichen Rindern gesamt waren 1,24 % - und nicht 10 % wie oft behauptet wurde - im letzten Drittel der Trächtigkeit. Jedes Prozent ist eins zu viel. Daher werde ich mich weiterhin auf Bundesebene für eine gesetzliche Regelung einsetzen“, so Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, heute in Schwerin.

Zu den Unterzeichnern gehören neben Dr. Backhaus (in alphabetischer Reihenfolge):

- Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.,

- Biopark e.V.,

- Landestierärztekammer Mecklenburg-Vorpommern,

- Landesverband der Tierärzte im öffentlichen Dienst Mecklenburg-Vorpommern,

- Landesverband Mecklenburg-Vorpommern des Bundesverbandes der praktizierenden Tierärzte e.V.,

- LMS Agrarberatung GmbH,

- Rinderzuchtverband Mecklenburg-Vorpommern e.G.,

- Teterower Fleisch GmbH,

- Tierschutzbeirat des Ministers.

Die Unterzeichner sehen den Landeskodex unisono als eine positive Entwicklung.

Rainer Tietböhl, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern
: „Wir Landwirte freuen uns sehr über den Landeskodex. Seit 2011 beschäftigen wir uns mit dem Thema. Im vergangenen Jahr haben wir mit der Landestierärztekammer eine Vereinbarung zur Vermeidung der Schlachtung hochtragender Rinder geschlossen. Nun ziehen alle Beteiligten in Mecklenburg-Vorpommern endlich an einem Strang zum Wohl unserer Tiere."

Gottfried Marth, Vorsitzender BIOPARK
: „Wir unterstützen den Landeskodex, da kein Landwirt entstehendes Leben bewusst tötet.“

Dr. Rolf Pietschke, Präsident der Landestierärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, und Dr. Karl Henning, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern des Bundesverbandes der praktizierenden Tierärzte:
„Die Tierärzteschaft begrüßt die Formulierung des Kodex, weil es im Ethikverständnis der Tierärzte liegt, werdendes Leben zu schützen und Leiden und Schmerzen von den Tieren fernzuhalten. Das Schlachten von hochtragenden Tieren sollte deshalb unbedingt vermieden werden!

Dr. Guntram Wagner, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der Tierärzte im öffentlichen Dienst
: „Der Landesverband der Tierärzte im öffentlichen Dienst begrüßt den Landeskodex zur Vermeidung der Schlachtung hochtragender Rinder. Mit der getroffenen Vereinbarung wird es möglich, die Schlachtung hochtragender Rinder durch geeignete Managementmaßnahmen in den Betrieben und mit tierärztlicher Unterstützung wirksam zu vermeiden, obwohl einschlägige gesetzliche Regelungen fehlen. Damit kann das ethische Problem der Schlachtung gravider Rinder, dem sich die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte seit langen ausgesetzt sehen, endlich durch Konsens der Beteiligten gelöst werden.“

Berthold F. Majerus
, Geschäftsführer der LMS Agrarberatung: „Die LMS als Beratungsorganisation der Landwirtschaft unterstützt diese Vereinbarung, da mit dem Landeskodex das gemeinsame Engagement aller Unterzeichner zur weiteren Sensibilisierung der vorliegenden Thematik dokumentiert wird und klare Handlungsabläufe bis zu einer potentiellen gesetzlichen Regelung definiert werden."

Andreas Schulz, Vorsitzender des Vorstandes des Rinderzuchtverbandes Mecklenburg-Vorpommern:
„Wir wollen mit der Unterschrift die Haltung der Rinderzüchter zur Schlachtung tragender Rinder dokumentieren, die aus ethischer und wirtschaftlicher Sicht von unseren Mitgliedern abgelehnt wird.“

Rene Drews, Geschäftsführer der Teterower Fleisch GmbH:
„Aus tierschutzrechtlichen und ethischen Gründen befürworten wir das Schlachtverbot von tragenden Rindern.“

Kerstin Lenz, stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzbeirates des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern:
„Da nicht zu erwarten ist, dass sich die geltende EU Gesetzgebung zeitnah ändert, unterstützt der Tierschutzbeirat diesen Kodex und setzt auf das Verantwortungsbewusstsein der Landwirte und der Handelsbeteiligten, dieses Papier mit Leben zu erfüllen.“

„Das Schlachten hochtragender Tiere wirft viele Fragen auf und ist auch aus Tierschutzgründen hochproblematisch und deshalb abzulehnen. Es gibt wissenschaftlich begründete Anhaltspunkte dafür, dass Föten zumindest ab dem letzten Drittel der Trächtigkeit bei der Schlachtung des Muttertieres bis zu ihrem eigenen Tod Schmerzen und Leiden empfinden. Dies muss nun aufhören!“, unterstrich Minister Dr. Backhaus.

Landeskodex Mecklenburg-Vorpommern
zur Vermeidung der Schlachtung hochtragender Rinder

Die Schlachtung tragender Tiere ist - unabhängig vom Trächtigkeitsstadium –tierschutzrechtlich weder auf europäischer, noch auf nationaler Ebene reglementiert. Vorgaben zum tierschutzgerechten Töten der Föten fehlen ebenfalls. Lediglich der Transport hochtragender Rinder während der letzten 10% der Trächtigkeitsdauer kann sanktioniert werden.

Das Tierschutzgesetz klammert den Schutz des ungeborenen Lebens bisher aus, so dass die generellen Anforderungen gemäß §§ 1 und 2 Tierschutzgesetz - das sind der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens von Tieren unter Vermeidung von Schmerzen, Leiden und Schäden sowie die Pflegeverpflichtung des Tierhalters - keine Anwendung finden.

Aufgrund des Standes der Wissenschaft ist davon auszugehen, dass der Tod des tragenden Muttertieres auch für die Föten Leiden und Schmerzen bewirkt.

Für Tierhalter gibt es kaum einen vernünftigen Grund, ein tragendes Tier zur Schlachtung abzugeben. Seit langem stehen die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern auch zu diesem Thema in Kontakt mit ihren Tierärzten, Veterinärbehörden und den Schlachtbetrieben.

Wenngleich die Thematik auch auf europäischer Ebene diskutiert wird, sind verbindliche rechtliche Regelungen bestenfalls langfristig zu erwarten. Deshalb wird in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Vorliegen rechtsverbindlicher Regelungen zwischen den Unterzeichnern auf Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung eine Verfahrensweise vereinbart, die das gemeinsame Vorhaben unterstützen soll, die Schlachtung hochtragender Rinder zu vermeiden. Diese Verfahrensweise wird im „Landeskodex Mecklenburg-Vorpommern zur Vermeidung der Schlachtung hochtragender Rinder“ zusammengefasst. Der Begriff „Rinder“ steht hierbei für die Tierart, er umfasst somit auch hochtragende Kühe. „Hochträchtig“ sind Tiere im letzten Drittel der Trächtigkeit.

Landeskodex Mecklenburg-Vorpommern zur Vermeidung der Schlachtung hochtragender Rinder
 

Der Tierhalter richtet sein betriebliches Herden-/Management insbesondere darauf aus, dass keine hochtragenden Tiere geschlachtet werden. Er wird dabei von Tierärzten, Beratern und Verbänden im Rahmen von Behandlung, Betreuung und Beratung unterstützt.  

Bei anstehenden Schlachtungen derjenigen weiblichen Rinder, die zeitweise gemeinsam mit Bullen gehalten oder künstlich besamt wurden, hat der Tierhalter zu gewährleisten, dass keines der Tiere hochtragend ist. Im Zweifelsfall hat der Tierhalter eine geeignete Trächtigkeitsuntersuchung zu veranlassen. Bei Feststellung einer Hochträchtigkeit ist die Abkalbung abzuwarten, bevor das Tier geschlachtet werden darf. 

Schlachtungen oder Tötungen hochtragender Rinder sowie Aborteinleitungen bei hochtragenden Rindern, dürfen grundsätzlich nicht erfolgen.

Ausnahmen hiervon sind in begründeten Einzelfällen möglich, die in jedem einzelnen Fall gründlich zu prüfen sind. Dabei hat der Tierhalter – erforderlichenfalls unter Beteiligung des Bestandstierarztes – alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, hochtragende Tiere vor einer Schlachtung oder Tötung zu bewahren. Hochtragende Tiere, die im begründeten Einzelfall geschlachtet oder getötet werden sollen, sind dem Schlachtbetrieb vorher anzumelden. Erkrankte Tiere, für die keine Aussicht auf Heilung besteht, sind zu euthanasieren.

Der Tierhalter bestätigt gegenüber dem Transportunternehmen und/oder Schlachtbetrieb nachweislich, dass kein hochtragendes Tier abgegeben wird. Näheres zu dieser Bestätigung regeln Transportunternehmen und Schlachtbetriebe in ihren Geschäftsbedingungen. Im Rahmen der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung festgestellte Hochträchtigkeiten werden durch die für den Schlachtbetrieb zuständige Behörde dokumentiert. Über festgestellte Hochträchtigkeiten informiert die zuständige Behörde den Tierhalter, den Schlachtbetrieb und die für den Tierhaltungsbetrieb zuständige Veterinärbehörde, sofern dieses nicht durch den Schlachtbetrieb erfolgt. Die für den Tierhaltungsbetrieb zuständige Veterinärbehörde verwendet solche Mitteilungen erforderlichenfalls im Rahmen der Risikoanalyse für die veterinärfachliche Kontrolle der Tierhaltung. Die Unterzeichnenden versichern mit ihrer Unterschrift, die Inhalte dieses Landeskodex bis zur Vorlage einer einschlägigen gesetzlichen Regelung umzusetzen und dessen Umsetzung zu unterstützen.
Pressekontakt
Frau Sarah Zivkovic
E-Mail: zivkovic@oxmo.de
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