Stuttgart (agrar-PR) -
„Unrechtsgewinne sollten abgeschöpft werden“, fordert Prof. Dr. Tilman Becker vom Lehrstuhl Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre an der Universität Hohenheim Betroffene sollten entschädigt werden:
Zwar kündigte das Bundeskartellamt gestern bundesweit weitere
Durchsuchungen von Unternehmen an, um illegalen Preisabsprache zu
verhindern, nach Ansicht von Prof. Dr. Tilman Becker profitieren
Verbraucher davon jedoch noch zu wenig. Der Agrarmarktexperte, der an
der Universität Hohenheim zu Finanzierungsmodellen für die
Verbraucherarbeit in Deutschland forscht, empfiehlt: „Einnahmen aus
Geldbußen und Unrechtsgewinne sollten in eine Stiftung für die
Finanzierung der Arbeit der Verbraucherorganisation fließen.“
Weil
sich drei Kaffeeröster intern über ihre Preise absprachen, zahlten die
Verbraucher pro Pfund Kaffee einen Euro mehr. Das bestätigte das
Bundeskartellamt im Dezember 2009 und verhängte ein Bußgeld von 160
Mio. Euro. Die Kosten, die Verbrauchern allein durch diese
Preisabsprachen entstanden sind, werden auf 4,8 Milliarden Euro
geschätzt.
Gestern beschloss das Bundeskartellamt weitere
Durchsuchungen von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, des
Drogeriewarenhandels, des Tierbedarfshandels sowie von
Markenartikelherstellern des Konsumgüterbereichs. „Verbraucherschützer
gehen davon aus, dass der Fall der Kaffeeröster nur die Spitze des
Eisbergs ist“, erklärt Prof. Dr. Tilman Becker von Lehrstuhl
Agrarmärkte und Agrarmarketing an der Universität Hohenheim. „Sie
schätzen den Schaden für die Kunden auf viele Milliarden Euro seit dem
Jahr 2000.“
Experte: „Bußgelder derzeit kein wirksames Instrument“
In der gegenwärtigen Form seien die Bußgelder kein
wirksames Instrument, um nachhaltig gegen die illegalen Preisabsprachen
vorzugehen, attestiert der Experte: „Bußgelder kommen nicht den
geschädigten Verbrauchern zu Gute, sondern fließen in den
Staatshaushalt. Natürlich kann man nicht jeden, der ein Pfund Kaffee
gekauft hat, mit einem Euro entschädigen.“ Allerdings sei es möglich,
die Unrechtsgewinne abzuschöpfen und zusammen mit den Bußgeldern in
eine Stiftung für Verbrauchorganisationen fließen zu lassen. „So
könnten diese von den jährlichen Zuwendungen der Länder unabhängig
werden“, urteilt Prof. Dr. Becker.
Problematisch sei besonders, dass nur das
Bundeskartellamt, in diesem Fall auf Grund von Anzeigen von
Mitbewerbern, tätig werde. „Einzelkunden sind von dem millionenschweren
Betrug durch Preisabsprachen nur verhältnismäßig gering betroffen. Der
Aufwand eines Gerichtsprozesses steht für diese in keinem Verhältnis“,
so Prof. Dr. Becker. Auch Verbraucherschutzorganisationen könnten nur
bedingt Abhilfe schaffen. Auch sie tragen bei Gerichtsprozessen die
vollen finanziellen Risiken. Im Fall eines gewonnen Prozesses
profitierten sie jedoch nicht von den Bußgeldeinahmen, so der
Agrarmarktexperte.
Hintergrund illegale Preisabsprachen
Durch vertikale oder horizontale Preisabsprachen
würden Verbraucher oftmals über Jahre hinweg geschädigt, da die
marktgesetzliche Preisbildung außer Kraft gesetzt werde, so Prof. Dr.
Becker. „Für die an diesen Absprachen beteiligten Unternehmen ergeben
sich höhere Gewinnmargen, zudem profitieren sie von einer gewissen
Planungssicherheit. Hingegen werden die Konsumenten systematisch
benachteiligt, da sie die höheren Preise tragen müssen.“