26.08.2013 | 20:25:00 | ID: 15844 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Staatsminister Helmut Brunner - Pressegespräch im Vorfeld der Agrarministerkonferenz in Würzburg

München (agrar-PR) -

Wegen der Wahltermine auf Bundes- und Landesebene ha-ben wir die Herbstkonferenz der Agrarminister etwas früher als üblich angesetzt. Mir war es wichtig, dass wir uns möglichst rasch zusammensetzen und nicht erst im Nachgang zu den Wahlen im Oktober oder November. Denn wir müssen uns einig werden, wie wir die EU-Agrarreform in Deutschland umsetzen wollen. Das ist wegen der unterschiedlichen Interessen der Länder an sich schon schwierig. Wir stehen aber zudem unter Zeitdruck, weil schon für das nächste Jahr Übergangsregelungen festgezurrt werden müssen. Und die konkrete Ausgestaltung ab 2015 muss noch in Bundesgesetze und Verordnungen gegossen werden.

Nach der Frühjahrskonferenz in Berchtesgaden findet das Treffen diesmal in Würzburg statt. Die Konferenz beginnt am Mittwoch mit Beratungen auf Amtschef-Ebene. Am Donnerstag und Freitag setzen die Bundesministerin und die Länderminister dann die Verhandlungen fort. Die Ergebnisse werden wir am Freitag bei einem Abschluss-Pressegespräch bekannt geben.

Nationale Umsetzung der EU-Agrarreform

Nachdem sich im Juni die EU-Agrarminister geeinigt haben, stehen die wesentlichen Eckpunkte für eine Umsetzung der Agrarreform in den Mitgliedstaaten fest. Mit diesen Vorgaben bin ich durchaus zufrieden. Sie sind deutlich besser, als man noch vor einem Jahr erwarten durfte, und sie tragen in wesentlichen Punkten bayerische Handschrift. Der intensive Kontakt und Austausch mit EU-Agrarkommissar Ciolos hat sich also bezahlt gemacht. Ergebnis ist: Die EU lässt den Nationalstaaten bei der Umsetzung der Reform große Spielräume, damit regionale Besonderheiten berücksichtigt werden können. Jetzt liegt also der Ball bei uns. Die Agrarminister von Bund und Ländern müssen sich auf eine Lösung einigen, die den Agrarstandort Deutschland stärkt und wettbewerbsfähig hält. Hier erwarte ich intensive und kontroverse Diskussionen, denn wegen der unterschiedlichen Strukturen gehen die Vorstellungen der Länder zum Teil weit auseinander.

Mein Ziel als AMK-Vorsitzender ist es, die Interessen möglichst zusammen zu führen. Wir müssen ein Paket schnüren, mit dem alle leben können. Extrempositionen helfen uns nicht weiter. Deshalb appelliere ich schon jetzt an die Kompromissbereitschaft meiner Kolleginnen und Kollegen. Wir werden nur dann eine gemeinsame Lösung finden, wenn alle bereit sind, ein Stück weit aufeinander zuzugehen. Die Bundesministerin hat dazu bereits einen ersten Umsetzungsvorschlag vorgelegt, den wir bei unserem Treffen intensiv beraten werden.

Natürlich habe ich als bayerischer Minister ganz besonders die Aspekte im Auge, die unserer kleinstrukturierten bäuerlichen Landwirtschaft zugute kommen. Einige Punkte möchte ich Ihnen nennen:

Direktzahlungen (1. Säule)

Mehr Geld für die ersten Hektar

Ich will eine deutliche Aufstockung der Basisprämie für die ersten 30 Hektar eines Betriebs erreichen. Das stärkt bäuerliche Strukturen und ist ein wichtiger Beitrag für mehr Gerechtigkeit. Denn mit zunehmenden Produktionseinheiten verringern sich die Produktionskosten. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Landwirt 20 Hektar Getreide anbaut oder 200 oder gar 2 000. Deshalb brauchen wir einen spürbaren Bonus, um den Mehraufwand kleinerer Strukturen ein Stück weit auszugleichen.

Zuschlag für Junglandwirte

Ich will eine möglichst effiziente Starthilfe für Junglandwirte. In Bayern steht bundesweit jeder dritte Bauernhof und daher ist die gesicherte Hofnachfolge gerade bei uns ein Thema. Deshalb sollten wir den Rahmen, den uns Brüssel für eine Junglandwirteförderung zulässt, voll ausschöpfen. Also: Bei Hofübernahme bis zum Alter von 40 Jahren fünf Jahre lang 50 Euro pro Hektar Zuschlag für die ersten 90 Hektar.

Kleinerzeugerregelung

Die Brüsseler Vorgaben bieten leider kaum Ansätze für Bürokratieabbau, ganz im Gegenteil. Rühmliche Ausnahme ist aber die zugebilligte Kleinerzeugerregelung – ebenfalls eine urbayerische Forderung. Ich möchte, dass wir diese Regelung auch in Deutschland umsetzen. Das bedeutet, dass Kleinstbetriebe, die nicht mehr als 1 250 Euro Direktzahlungen im Jahr erhalten, von Greening-Auflagen und aufwändigen Kontrollen befreit werden. Allein in Bayern würden davon rund 15 000 Betriebe profitieren – ein spürbarer Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung.

Grünland- und Raufutterfresserprämie

Darüber hinaus will ich Betriebe besserstellen, die Grünland bewirtschaften. In Grünlandregionen kann man in der Regel nicht ohne Vieh wirtschaften. Und damit ist zwangsläufig der Arbeitsaufwand höher als bei viehlosen Betrieben. Diesen Mehraufwand möchte ich ausgleichen, auch um das ökologisch wertvolle und vielerorts landschaftsprägende Grünland dauerhaft zu schützen. Ich könnte mir vorstellen, die Haltung von Schafen und Ziegen und auf extensiven Standorten auch von Rindern über eine kombinierte „Grünland- und Raufutterfresserprämie" zu fördern. Der Vorschlag der Bundesministerin, der zwei getrennte Zuschläge für unterschiedliche Gebietskulissen vorsieht, geht zwar in die gleiche Richtung. Allerdings wäre wegen der EU-Vorgaben hierfür eine Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete erforderlich. Das ist bis 2015 aber nicht zu schaffen.

Greening

Auch beim Greening brauchen wir noch eine nationale Einigung. Dass die Auflagen von Seiten der EU nicht mehr zwangsläufig in Stilllegung münden müssen, ist angesichts von Flächenkonkurrenz und steigenden Pachtpreisen sinnvoll und richtig. Erfreulicherweise haben meine Länderkollegen bereits signalisiert, sogenannte produktionsintegrierte Maßnahmen als ökologische Vorrangflächen anzuerkennen. Ich denke dabei etwa an den Anbau von Leguminosen und Zwischenfrüchten oder die Anlage von Kurzumtriebsplantagen.

Programme für den ländlichen Raum (2. Säule)

Heiß debattiert wird sicher die Frage einer Umschichtung von Mitteln aus der ersten Säule, den Direktzahlungen, in die zweite Säule, also die Programme für den ländlichen Raum. Ich halte eine solche Umschichtung für falsch, weil wir gerade in einer bäuerlich geprägten Agrarstruktur auch künftig eine starke erste Säule brauchen, um leistungsfähige Betriebe zu erhalten und Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu sichern. Deshalb sehe ich den Bund in der Pflicht, die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" aufzustocken, um die EU-Kürzungen in der zweiten Säule weitgehend auszugleichen. Wenn alle Länder das wollen, gibt es eine realistische Chance, das auf Bundesebene durchzusetzen – wenn auch vielleicht erst im Rahmen von Koalitionsverhandlungen.

Weitere Themen

Milch

Wir werden uns in Würzburg aber auch mit anderen Themen befassen. Weil die Milch für Bayern so bedeutsam ist, habe ich das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Nach Auslaufen der Quotenregelung in zwei Jahren darf es keinesfalls zu Marktverwerfungen kommen. Ich hoffe, die für Herbst geplanten Konferenzen in Brüssel können hier krisentaugliche Instrumente liefern. Unabhängig davon fordere ich einen Mechanismus, wonach sich bereits bei ersten Anzeichen einer Krise der Agrarrat unverzüglich und verpflichtend mit dem Thema befassen muss. Zudem muss sich die EU finanziell und personell noch effektiver einsetzen, um die Absatzmöglichkeiten für Milchprodukte in Drittländern zu erleichtern. Wichtiges Anliegen ist mir zudem die Aufhebung der Exportbegrenzungen etwa nach Russland: Hier sollten die Agrarminister nochmals ein einmütiges Signal an die Bundesregierung senden, schnell Verbesserungen zu erreichen. Darüber hinaus möchte ich nochmals Druck in Richtung Brüssel aufbauen, das EU-Schulmilchprogramm endlich attraktiver und flexibler auszugestalten. Maßstab muss das äußerst erfolgreiche Schulfruchtprogramm sein.

Wein

Auf der Tagesordnung steht auch das Thema Wein, das gerade für Franken eine besondere Rolle spielt. Hier will ich erreichen, dass die Ausweitung von Rebflächen in engen Grenzen gehalten wird. Nach der Einigung auf EU-Ebene soll ja das bestehende Pflanzrechtesystem ab 2016 durch ein sogenanntes „Autorisierungssystem" ersetzt werden. Das heißt, die Mitgliedstaaten werden ermächtigt, jährlich Neuanpflanzungen von bis zu einem Prozent der Rebfläche zuzulassen. Ich möchte für Deutschland eine Begrenzung auf deutlich weniger, vielleicht 0,5 Prozent. Sonst besteht die Gefahr, dass Weinberge in landschaftlich wertvollen Steillagen all mählich zugunsten leichter zu bewirtschaftender Flächen aufgegeben würden – mit gravierenden Nachteilen für unsere Kulturlandschaft.

Eiweißstrategie

Einen Schritt weiterkommen möchte ich auch auf dem Weg hin zu einer europäischen Eiweißstrategie. Nur gemeinsam können wir die Eigenversorgung mit gentechnikfreien Futtermitteln spürbar voranbringen. Das ist notwendig, um Importe, die oft gentechnisch verändert sind, zu verringern und die Versorgungssicherheit für unsere Bauern zu verbessern. Das Aktionsprogramm für Bayern, das ich vor zwei Jahren gestartet habe, zeigt bereits Erfolge. Aber wir müssen auch auf europäischer Ebene weiterkommen. Hier erwarte ich mir ein starkes Signal der Agrarminister in Richtung Brüssel. Erste gute Ansätze bietet die Agrarreform: Der Anbau von Leguminosen kann beim Greening angerechnet werden. Aber wir brauchen mehr. Wir brauchen eine EU-weite Strategie, um den Anbau von gentechnikfreiem Soja voranzubringen – ein Zertifizierungssystem mit klarer Kennzeichnung und Transpa-renz in der gesamten Produktionskette.

Hochwasserschutz

Weiteres Thema ist der Hochwasserschutz

Die Landwirte sind nicht nur oft Hauptbetroffene bei Hochwasserkatastrophen, sie sind auch Teil der Lösung. Der Bau von Dämmen und die Schaffung von Retentionsräumen ist oft nur auf landwirtschaftlichen Flächen möglich. Wenn wir rasche Fortschritte erzielen wollen, müssen die Grundeigentümer frühzeitig und eng in die Planungen eingebunden werden. Der Hochwasserschutz muss im Konsens mit den Landwirten vorangetrieben werden. Und wir brauchen vernünftige Entschädigungsregeln. Für diese Forderungen erwarte ich mir eine breite Zustimmung meiner Kolleginnen und Kollegen.

Forstliche Themen

Wir werden in Würzburg auch forstliche Themen beraten. Zum einen berichtet der Bund über den Start des Waldklimafonds. Der Fonds muss künftig finanziell noch besser ausgestattet werden, um den Wald fit machen zu können für den Klimawandel. Darüber hinaus will ich die Vorzüge von Holz im Bauwesen noch stärker in den Fokus rücken. Gerade die öffentliche Hand muss hier Impulse setzen und mit gutem Vorbild vorangehen.

Schluss

Alles in allem haben wir auch in Würzburg wieder eine umfangreiche Tagesordnung zu bewältigen. Langwierige Diskussionen sind garantiert. Ich bin mir natürlich bewusst: So kurz vor der Wahl ist es eine gewaltige Herausforderung, die Länder zu einer einheitlichen Haltung zu bringen. Als Vorsitzender der AMK will ich versuchen auszugleichen und Kompromisslinien auszuloten. Dennoch kann es sein, dass bei der nationalen Umsetzung der Agrarreform ein Durchbruch noch nicht gelingt. Wenn sich das abzeichnet, werden wir uns aber bereits in Würzburg auf eine Sonderkonferenz rasch nach der Wahl verständigen.


Hubertus Wörner

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