24.03.2010 | 00:00:00 | ID: 5179 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarpolitik

Strukturwandel offensiv gestaltet

Bad Kreuznach (agrar-PR) - Orientierung am Markt und professionelle Betriebswirtschaft, Kostensenkung und höchste Produktivität, Spezialisierung und Qualität betrachtet Ökonomierat Norbert Schindler MdB, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz als zentrale Elemente zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in Landwirtschaft und Weinbau. Im Intervie mit dem französischen Landwirtschaftmagazin Agriculture Internationale zeigte der Präsident u.a. die Funktion der Landwirtschaftskammer für die Zukunftssicherung der heimischen Landwirtschaft auf. Die Fragen stellte AI-Chefredakteur Christian Monvoisin.

Welches sind die wichtigsten Erzeugnisse des Landes Rheinland-Pfalz und welche davon sind am stärksten von der derzeitigen Krise betroffen?

Das Bundesland Rheinland-Pfalz wird schon immer sehr stark von Land- und Forstwirtschaft, von Wein- und Gartenbau geprägt. Fast 85 Prozent seiner Fläche werden dahingehend genutzt. Die wichtigsten Erzeugnisse sind Milch und Fleisch aus dem Bereich der tierischen Produktion sowie Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln aus dem Bereich Ackerbau. Mit seinen sechs Anbaugebieten ist Rheinland-Pfalz mit Abstand das größte Weinbau treibende Bundesland mit rd. 65.000 Hektar Rebfläche und ca. 6 Mio. Hektoliter Weinerntemenge pro Jahr. Der jährliche Milchertrag liegt bei rd. 770.000 Tonnen. Der Ertrag bei Getreide, einschließlich Mais liegt bei 1,67 Millionen Tonnen/Jahr.  Dazu kommen rd. 280.000 t/Jahr Kartoffeln und 1,2 Mio. t/Jahr Zuckerrüben. Der Gartenbau erzeugt vor allem Gemüse (rd. 530.000 t/Jahr) und Obst (rd. 70.000 t/Jahr). Im Forst werden jährlich fast 5 Millionen Festmeter Holz eingeschlagen. Von den Folgen anhaltend niedriger Erzeugerpreise sind zunächst alle Bereiche betroffen. Die Preise und in der Folge die Einkommen der Betriebe sind insgesamt nicht ausreichend, um die Produktionskosten zu decken und darüber hinaus einen Gewinn zu erwirtschaften, der notwendig ist, um den Lebensunterhalt der Familien zu bestreiten und in die Zukunft der Betriebe zu investieren. Besonders schwierig ist die Situation bei Milchviehbetrieben und den Schweinehaltern.

Welche Erzeugnisse gehen am besten aus dieser Krise hervor und welches sind Ihrer Analyse nach die Gründe dafür?

Die Krise überstehen werden die Betriebe, die ihre Produktion am Markt orientieren können und die betriebswirtschaftlich professionell geführt werden, und das bedeutet vor allem, dass sie rationell, mit hoher Kosteneinsparung und höchster Produktivität, Erzeugnisse in bester Qualität liefern. Krisenfest sind alle Erzeugnisse, die der Markt auch in Zukunft nachfragen wird. Das sind die klassischen Nahrungs- und Genussmittel; das sind zunehmend aber auch nachwachsende Rohstoffe und biologische Energieträger sowie verschiedene Dienstleistungen von der Landschaftspflege bis zu touristischen und gastronomischen Angeboten. Im Food-Sektor wird die Nachfrage wieder steigen, weil das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher wieder steigt und damit auch die Nachfrage nach hochwertigen, gesunden Nahrungsmitteln mit Herkunftsnachweis. Im Non-Food-Bereich übt die Endlichkeit fossiler Rohstoffe und die wachsende Klimaproblematik einen permanenten Entwicklungsdruck aus. Im Touristik- und Gastronomiesektor ist es das wachsende Interesse der Kunden an einem authentischen, qualitativ hochwertigen Angebot zu einem fairen Preis ohne weite Anreisewege, aber mit einer ehrlichen und persönlichen Betreuung.

Welche Sichtweise nimmt die Landwirtschaftskammer konkret in dieser Situation ein?
 
Die Landwirtschaftskammer betrachtet die Veränderung der Märkte, die Veränderung des Nachfrageverhaltens und den daraus folgenden strukturellen Wandel als unausweichlich. Es wäre sinnlos, sich gegen diesen seit Jahrzehnten bereits anhaltenden und nicht selten schmerzhaften Strukturwandel aufzulehnen. Deshalb halten wir es für besser, den Wandel anzunehmen und offensiv zu gestalten, wo immer das möglich ist. Dazu sind natürlich langfristig angelegte, verlässliche Vorgaben  und Rahmenbedingungen durch die Politik erforderlich, die es den Betrieben ermöglichen realistische und in der Umsetzung tragfähige Planungen zu erstellen.
 
Über welche Vorrechte und Mittel verfügen Sie, um Ihre Landwirte, Erzeuger und Winzer zu unterstützen?
 
Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und das in den sechs Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) angesiedelte Beratungsangebot des Landes unterstützen die Betriebe in ihrem Bemühen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Dazu unterhält die Kammer ein umfassendes und in sich sehr differenziertes Beratungsangebot von der allgemeinen Investitions- und Förderberatung über Beratungsangebote in den Bereichen Bau und Technik sowie Tierzucht bis zur Beratung in Sachen Direktvermarktung und Einkommensalternativen. Der Schwerpunkt der DLRs liegt im Bereich Produktionsberatung, Versuchswesen, Forschung und schulischen Angeboten. Wir gehen davon aus, dass die Zukunft den hochleistungsfähigen, weitgehend spezialisierten Betrieben gehört, die sehr stark marktorientiert arbeiten und entsprechend flexibel sind. Die Betriebe müssen in jedem Bereich professionell aufgestellt sein, vom Betriebsmanagement über die technische Ausstattung und den rationellen Einsatz von Energie und Betriebsmitteln bis zu einem umsichtigen Marketing und einer optimalen Wertschöpfung. Dazu werden bestens ausgebildete und hochmotivierte Betriebsleiter und qualifizierte Mitarbeiter benötigt, die wir gemeinsam mit den staatlichen Schulen in insgesamt 14 verschiedenen Berufen aus- und fortbilden.

Hat der Einsturz des Milchpreises im Jahr 2009 Auswirkungen auf Ihr Quotenaustauschsystem gehabt?
 
Der Handel mit Milchquoten ist ein Spiegel des Strukturwandels im landwirtschaftlichen Milchsektor. Kurzfristige Markt- und Preisentwicklungen spielen da weniger eine Rolle als Langzeittrends. Die Milchquotenbörse hat sich als Umschlagplatz von Lieferrechten von den nicht (mehr) melkenden zu den melkenden Betrieben in der Übergangsphase bis zum Auslaufen der Milchquote 2015 bewährt.

Welche Haltung nehmen Sie in Bezug auf die Einführung von Verträgen mit vertraglichen Festlegungen ein, die den Erzeugern Mindestkaufpreise garantieren sollen?

Derartige Verträge, die, beispielsweise bei Braugerste, vor der Ernte geschlossen werden und der Landwirtschaft Abnahmemengen und Preise garantieren, nehmen den Erzeugern die Möglichkeit, auf der Grundlage der zum Erntezeitpunkt gegebenen Marktsituation einen besseren Preis heraus zu handeln. Sie geben ihnen aber auch die Sicherheit, mit dem festgelegten Preis kalkulieren und planen zu können. Bei dieser Frage muss der Landwirt als Unternehmer abwägen zwischen garantiertem Preis, der möglicherweise unter seinen Erwartungen liegt, und einem zu erzielenden Preis, der höher liegen kann, aber auch mit dem Risiko behaftet ist, bis zur Ernte auch fallen zu können. Wir raten den Betrieben hier in der Regel, für einen Teil der Ernte Vorträge abzuschließen, um mit einem Teil des Erlöses sicher kalkulieren zu können, und sich für den anderen Teil der Ernte freien Verhandlungsspielraum zu erhalten.

Was erwarten Sie von dem neuen Mitglied der Europäischen Kommission für Landwirtschaft?
 
Den neuen EU- Agrarkommissar Dr. Dacian Cioloş konnte ich bei einem längeren Gespräch in Berlin kennen lernen. Die Vorstellungen von Dr. Cioloş stimmen in hohem Maße mit meinen Überzeugungen zur zukünftigen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik nach 2013 überein. Wir werden unsere Vorstellung der multifunktionalen Landwirtschaft in den nächsten Wochen nachdrücklich in die Diskussion in Brüssel einbringen. Neben überzeugenden Antworten auf die Frage nach einer verlässlichen Finanzierungsgrundlage der europäischen Agrarpolitik konnten bei unserem Gespräch bereits wichtige Details wie Fragen der Rebpflanzrechte als deutsches Qualitätsspezifikum oder die Problematik einer Verlängerung des deutschen Branntweinmonopols angerissen werden, um damit die Kommission für diese Themen zu sensibilisieren. Kommissar Dr. Dacian Cioloş überzeugte durch seine Sachkenntnis auch in diesen Details und legte besonderen Wert auf die Feststellung, dass er nicht als Vertreter Rumäniens sondern Gesamteuropas auftreten wird. Er wisse sehr wohl um die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Nationen. Auch für ihn sind die sichere Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln und die Sicherung eines angemessenen Einkommens für die Landwirte zentraler Auftrag für eine zukünftige Agrarpolitik. Es gelte das System der zwei Säulen der Agrarpolitik unter Beibehaltung des heutigen Niveaus des Agrarbudgets zu erhalten.
Pressekontakt
Herr Frieder Zimmermann
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