Bad Kreuznach (agrar-PR) - 08.06.2010
Ein innovativer Querdenker, ein bodenständiger Globalist, ein
landwirtschaftlicher Energieproduzent und ein Milcherzeuger mit
zukunftsweisender Hightech-Anwendung standen auf dem Programm des
jüngsten Regionalbesuchs des Präsidenten der Landwirtschaftskammer
Rheinland-Pfalz. In unregelmäßigen Abständen reserviert Ökonmierat
Norbert Schindler MdB einen Tag für den unmittelbaren Kontakt und den
direkten Meinungsaustausch mit Betriebsleitern in unterschiedlichen
Regionen des Landes und mit unterschiedlichen
Unternehmensschwerpunkten. Zuletzt ging es nach Zell im Herzen des
Weinbaugebietes Mosel und zu zwei landwirtschaftlichen
Familienbetrieben in der Eifel.
Erste
Etappe. Schon die Fassade des Haupthauses des renommierten
Familienbetriebes, an der Zeller Hauptstraße nur einen Steinwurf weit
von der Mosel gelegen, zeigt, was in der Weinphilosophie von Albert
Kallfelz eine wesentliche, wenn nicht die entscheidende Rolle spielt:
Gemauert mit Naturschiefer, wie er schon seit Jahrhunderten in der
Region typischer Weise mit den verschiedensten Funktionen verbaut
werden. Der Schiefer und die ihm eigene Mineralität machen den Wein aus
den Steilhängen der Mosel einzigartig und unverwechselbar. Diesen
Charakter zu erhalten, ihn zu betonen und zum Markenzeichen eines
kompromisslos auf Qualität setzenden Weinbaus zu machen, ist für den
hochdekorierten Kallfelz der Schlüssel zu einem auch langfristig
tragenden Erfolg und damit für eine gute Zukunft für Wirtschaft und
Beschäftigung, aber auch für Landschaft und Lebensqualität an der
Mosel. Qualität, Glaubwürdigkeit und Vertrauen betrachtet er als
Fundament einer tragfähigen Erzeuger-Kunden-Beziehung, das auch durch
bestes Marketing nicht zu ersetzen sei. Als Garant für eine
glaubwürdige und vertrauenschaffende Qualität betrachtet Kallfelz die
Landesprämierung für Wein und Sekt. Hier werde objektiv, ohne
kommerziellen Hintergrund und ohne Blendwirkung eine ehrliche und
aussagekräftige Bewertung durch unabhängige Fachleute erstellt, die
sich nicht nach der Bekanntheit eines Betriebsnamens, sondern
ausschließlich nach der Güte des geprüften Weins ausrichte. Die
bestehende Vielzahl an Wettbewerben und Prämierungen in Deutschland
betrachtet Kammerpräsident Schindler als wenig hilfreich für den
Verbraucher. Die Kammer versuche daher die Landesprämierung mit ihren
klaren Regeln und ihrer transparenten Durchführung als Vorbild an
Neutralität herauszustellen. Albert Kallfelz bezeichnete der
Kammerpräsident als Flaggschiff, das Vielen als Vorbild dienen könne,
das aber auch den Verbund vieler in gleicher Weise ausgerichteter
Betriebe benötige. Mit Landrat Manfred Schnur und Weinbaupräsident Rolf
Haxel zeigte sich der Kammerpräsident einig, dass der Weinbau an der
Mosel auch für andere Wirtschaftsbereiche von existenzieller Bedeutung
ist. Die Kammer werde durch eine gute Ausbildung des Winzernachwuchses
und durch ein vielfältiges Angebot an Beratungsdienstleistungen
gemeinsam mit Berufsverband und Politik positive Perspektiven für die
Mosel entwickeln. Ansätze sah die Gesprächsrunde im Weingut Kallfelz
bei verbesserten Betriebsstrukturen, größerer Wirtschaftlichkeit,
Bodenordnung und Flurbereinigung, einem Zukunftskonzept für die
Flachlagen und einer einheitlichen und verbindlichen Definition von
Qualitätskriterien für Steillagen.
Zweite
Etappe. Die gewaltigen Größenordnungen beeindrucken als erstes.
Zimmermann-Graeff &Müller, kurz ZGM, gehört zu den führenden
Weinkellereien in Deutschland. 280 Mitarbeiter, rd. 170 Mio. Euro
Jahresumsatz, über 70 Mio. Liter verkaufte deutsche Weine, Verbindung
zu allen großen Handelspartnern in der Welt bedeutet Existenzsicherung
für mehr als 1.000 Winzer, die das von Johannes Hübinger geleitete
Familienunternehmen beliefern. Ein ausgeklügeltes Qualitätsmanagement,
ein optimiertes Betriebsmanagement, ein in Perfektion abgestimmter
Einsatz von Hightech und engagierten Mitarbeitern sowie ein
professionelles Marketing und eine konsequente oftmals höchst
individuelle Kundenorientierung begründen die starke und im Export
sogar dominierende Marktposition von ZGM. Kammerpräsident Schindler
bezeichnete ZGM als eindrucksvolles Beispiel, dass Abfüll- und
Absatzmengen einerseits sowie Qualität und regionale Identität kein
Gegensatzpaar bilden müssen. Trotz der globalen Ausrichtung, trotz des
internationalen Charakters seines Portfolios lasse ZGM Bodenständigkeit
und Herz für die Region und das Anbaugebiet Mosel erkennen. So seien
etwa große, in traditioneller Weise ausgebaute und bei der
Landesprämierung entsprechend hoch bewertete Rieslinge Beleg für die
Verbundenheit von ZGM und dem "Zeller Jungen" Johannes Hübinger mit der
Weinbautradition an der Mosel. Der Kammerpräsident und der
Kellereiunternehmer bekundeten beiderseits die Bereitschaft, bei den
anstehenden Beratungen über Änderungen in der Weingesetzgebung
bestehende Benachteiligungen nicht einfach nur zu verschieben, sondern
sich auf für Erzeugerbetriebe wie Kellereien gleichsam gerechte
Regelungen zu verständigen. Hübinger erinnerte daran, dass Wein in
Rheinland-Pfalz zu 64 Prozent als Fasswein vermarktet werde.
Kostenerhöhungen in diesem Bereich würden zu Lasten zahlreicher Klein-
und Mittelbetriebe gehen. Präsident Schindler regte an, politische
Entscheidungen mit intensiven Diskussionen der beteiligten Fachgremien
vorzubereiten. Das Interesse der Kammer bestehe darin, gleiche
Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Dritte
Etappe. Mit dem Abschied von der Bullenmast vor einigen Jahren hat die
Familie Kesseler in Lutzerath vieles von dem, was man herkömmlich unter
Landwirtschaft versteht, hinter sich gelassen. Aus dem primären
Nahrungsmittelerzeuger ist im Wesentlichen ein Energieerzeuger und
landwirtschaftlicher Dienstleister geworden. Zwar wird mit dem Anbau
von Raps, Braugerste und Brotweizen noch Marktfruchtanbau betrieben, im
Mittelpunkt des Unternehmens stehen aber Auftragsarbeiten (Ernten,
Drillen, Dreschen) für andere Betriebe und eine mit im eigenen Betrieb
angebauten Nachwachsenden Rohstoffen betriebene Biogasanlage. Die
Kesselers beschäftigen vier Vollzeitmitarbeiter und nach Bedarf bis zu
fünf Saisonarbeitskräfte. Zur Verfügung steht ein auch im
Lohnunternehmen begründeter hochleistungsfähiger Maschinenpark. Bei der
Biogasanlage mit einer Leistung von 360 KWel (490 KWel in Vorbereitung)
zeigten Kammerpräsident Schindler, Vizepräsident Rudolf Schneichel und
BWV-Präsident Leo Blum besonderes Interesse an der kommunalen
Wärmenutzung neben der Stromerzeugung. Damit sei in entscheidendem Maße
die Rentabilität einer solchen Anlage verbunden. Neben den eigenen
Betriebs- und Wohngebäuden versorgen die Kesselers ein Gemeindehaus und
ein weiteres Doppelwohnhaus sowie Feuerwehrhaus, Regionale Schule und
Kindertagesstätte mit Heizwärme. In seiner Arbeit zunehmend behindert
sieht sich Land- und Energiewirt Hermann Kesseler durch "politisch
verursachte Bürokratie" und nennt beispielhaft das neue
Erosionskataster, das den Eindruck erwecke, der gut ausgebildete
Landwirt werde erst durch behördliche Auflagen und behördliche
Überwachung zur korrekten Bewirtschaftung seiner Flächen angehalten.
Dabei hätten die Landwirte ein existenzielles Eigeninteresse an der
Erhaltung an der nachhaltigen Ertragsfähigkeit ihrer Flächen und
folglich auch an dem Schutz von Boden und Wasser. Dies hätten sie jeher
durch die Bewirtschaftung nach guter fachlicher Praxis unter Beweis
gestellt. Im Bemühen um Regulierung aller landwirtschaftlichen
Tätigkeitsbereiche würden die Betriebe immer mehr in ein enges Korsett
aus Gesetzen, Verordnungen, Ge- und Verboten sowie deren Durchführung
von verschiedenen behördlichen Instanzen und Verwaltungen gezwängt und
in ihrem unternehmerischen Tun eingeschränkt.
Vierte
Etappe: Mit Betriebskostensenkung durch Rationalisierung, mit
Effizienzsteigerung durch den Einsatz modernster Technik und mit
Zukunftssicherung durch Innovation beantwortet Karl-Heinz Nass die
Frage nach den Perspektiven der Milcherzeugung in Rheinland-Pfalz. 75
Milchkühe und die dazugehörige weibliche Nachzucht mit 60 Tieren stehen
in Alflen, auf dem Langenfelder Hof im Stall. Roboter- und
Computertechnik sind in diesem Stall längst heimisch und unersetzlich
geworden. So erledigt die Reinigung der Lauf- und Liegeflächen des
Milchviehs, die andernorts zu den täglichen schweren Arbeiten des
Landwirts gehört, vollautomatisch ein PC-gesteuerter Spaltenreiniger.
Kontinuierlich und selbständig, unterbrochen nur von den Aufladezeiten
der Akkus, erledigt das Gerät die Reinigungsarbeit rund um die Uhr, an
sieben Tagen der Woche. Mit der automatischen Kälbertränke muss sich
der Spaltenreiniger in die Liste der innovativen Hightech aber noch
hinter einem nagelneuen automatischen Melksystem, mit dem Karl-Heinz
Nass von nicht allzu langer Zeit die Arbeit auf seinem Hof
revolutionierte, einreihen. Neben mehr Ruhe und weniger Stress im
Stall, einer dadurch bedingten höheren Milchleistung und einer
optimierten Hygiene durch das selbstreinigende und selbst
desinfizierende System ist es vor allem die beträchtliche Einsparung an
Arbeitszeit, die der Melkroboter dem Betrieb eingebracht hat. Für
Familie Nass bedeutet das mehr Flexibilität, mehr Zeit für andere
Arbeiten der Betriebsführung und nicht zuletzt mehr Lebensqualität.
Kammerpräsident Schindler bezeichnete den unternehmerischen Mut als
beispielgebend für einen von Zuversicht und Vertrauen in die eigene
Leistungsfähigkeit getragenen offensiven Umgang mit der im Allgemeinen
schwierigen Situation im Milchsektor. Dazu gehört auch eine
Viertelbeteiligung an einer 750 KWel Biogasanlage, die den Flugplatz
Büschel mit Wärme versorgt. Begleitet durch eine intensive Betriebs-
und Förderberatung seitens der Landwirtschaftskammer habe die Familie
gewichtige, aber zukunftsorientierte Investitionsprojekte gestemmt und
den Betrieb somit zukunftsfähig gemacht.
Zum
Abschluss seiner Betriebsbesuche zeigte sich Präsident Schindler
beeindruckt von einem unabhängig von der individuellen betrieblichen
Ausrichtung der vier Unternehmen überall vorherrschenden Realismus bei
der Betrachtung des Marktes und der jeweils eigenen Marktposition sowie
einem gesunden Optimismus, mit dem alle Betriebsleiter nach vorne
schauen: "Mit konsequenter Qualitätsphilosophie und regionaler
Authentizität haben selbstvermarktende Winzer an der Mosel ebenso eine
gute Zukunft wie moderne, hochleistungsfähige und global orientierte
Kellereien. Neue unternehmerische Standbeine und Einkommensalternativen
und eine fortlaufende betriebliche Weiterentwicklung mit einer gesunden
Mischung aus Qualifikation, Expansion und Innovation bedeuten sowohl in
Pflanzenbau als auch in der Milchwirtschaft die Nutzung bestehender
Chancen zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der
landwirtschaftlichen Unternehmen."