17.11.2011 | 08:45:00 | ID: 11419 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarwirtschaft

Agrarmärkte bleiben von der Nachfrage getrieben und freundlich gestimmt

Frankfurt/Main (agrar-PR) - „Die Markterwartungen sind Bestandteil der Kalkulation für die Landwirtschaft und Trends im globalen Marktgeschehen von höchster Relevanz.“
Mit diesen Worten eröffnete DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer die internationale Fachtagung „Agrarmärkte 2012", die am Dienstag, dem 15. November 2011, im Rahmen der Agritechnica in Hannover stattfand. Auf der Veranstaltung, die gemeinsam von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) und dem Deutschen Bauernverband (DBV) organisiert wurde, erläuterten Experten aus dem Handel und Analysten die Hintergründe zu den Entwicklungen auf den Weltagrarmärkten. Im Fokus standen die extreme Ernte 2011, die Auswirkungen der Finanzkrise und die Konsequenzen für das Angebot an Agrarrohstoffen und das Nachfrageverhalten. Die zunehmende Volatilität und die daraus resultierende Preisunsicherheit auf den Agrarmärkten sowie die Risiken für die Agrarwirtschaft standen dabei im Vordergrund.

DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer verwies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit funktionierender Warenterminbörsen. Die großen Preisausschläge der jüngsten Zeit hätten heftige Diskussionen ausgelöst. Der Begriff der Spekulation sei schnell bei der Hand, insbesondere im Hinblick auf den Börsenhandel. Allerdings dürfe man nicht außer Acht lassen, dass ein Großteil der Marktschwankungen auch fundamental bedingt sei. Bartmer appellierte an die Politik, bei allen gegenwärtig diskutierten Regulierungsabsichten die stabilisierende Wirkung der Börseninstrumente im Auge zu behalten. Er betonte, dass vor allem ausreichende Transparenz notwendig sei für den freien Handel von Agrarprodukten.


Banken und Investmenthäuser sind große Spieler am Agrarmarkt

Die Agrarmärkte werden mittlerweile in nahezu allen Wirtschaftskreisen diskutiert und haben seit längerer Zeit das Interesse von Anlegern von institutionellen Investmenthäusern geweckt. Die großen Preisausschläge, die die Branche mittlerweile sieht, werden unter anderem auch auf die Engagements von außerlandwirtschaftlichen Investoren und Institutionen zurückgeführt. Diese These unterstrich Lars Kuchenbuch, Geschäftsführer des Maklerunternehmens KS Agrar GmbH, Mannheim. Das Anlagevolumen im Agrarmarkt benannte Kuchenbuch mit 600 Mrd. Euro.

Die größten Spieler am Agrarmarkt seien die Investmenthäuser Goldman & Sachs und die Deutsche Bank. Betrachtet man den Getreidemarkt seit der Saison 2007/08 zeigen Kuchenbuch zu Folge die aktuellen Getreidebilanzen sowohl eine Zunahme der Bestände wie eine Zunahme des Verbrauchs. Die Bestandszuwächse beruhen auf Erntesteigerungen nach dem Einbruch von 2007, wobei auch die Saison 2010/11 global mit Mindererträgen aufwartete. Beim Mais ist ebenfalls eine jährliche Ertragssteigerung zu verzeichnen, gleichzeitig aber auch ein kontinuierlicher Bestandsabbau aufgrund des jährlich steigenden Verbrauchs, der vor allem auf das Konto der Bioenergie und hier speziell auf die Bioethanolproduktion geht.


Weltbevölkerung, Inflation und Börsentechnik stehen hinter Preisbewegungen

Die treibenden Faktoren für Rohstoffinvestments sieht Kuchenbuch in der wachsenden Zahl der Weltbevölkerung und der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten. Hinter dem Einstieg der institutionellen Anleger in die Agrarmärkte steht der Wunsch nach Diversifikation der Anlagen, um das Depotrisiko zu vermeiden, da Rohstoffwerte eine niedrige Korrelation zu Aktien und Anleihen aufweisen. Außerdem bieten Agrarrohstoffe einen gewissen Inflationsschutz. Denn Aktien und Anleihen verlieren an Wert mit steigender Inflationsrate, wohingegen Rohstoffe durch ihren reellen Gegenwert unabhängiger davon sind.

Das Anlageangebot im spekulativen Bereich wurde nach Ansicht von Kuchenbuch in den vergangenen Jahren stetig erweitert. Hier zu nennen sind Fonds, Zertifikate, Index Funds und Index basierte Fonds (ETF), die börsengehandelt sind. Durch die verstärkten Aktivitäten von Investoren an den Terminbörsen ist die Volatilität der Preise sprunghaft angestiegen. Das führt nach Ansicht von Kuchenbuch auch zu Auswirkungen auf das klassische Hedging, das zur Preisabsicherung über die Warenterminbörsen genutzt wird.

Der Experte erläuterte, dass höhere Einstiegsmargins notwendig seien und ein höherer Kapitalaufwand zur Absicherung nötig sei, um die Engagements (Hedge Positionen) zu halten. Damit steigen die Kosten für Absicherung überdimensional und der Zweck der Futuresbörse als Absicherungsinstrument wird in Frage gestellt.

Die elektronischen Handelssysteme haben für Kuchenbuch ebenfalls einen großen Markteinfluss. In den letzten Jahren hat der Handel über diese börsentechnischen Instrumente stark zugenommen. Rund 60 % des Weltaktienhandels werden über solche Systeme abgewickelt. Die Hinterlegung von charttechnischen Algorithmen führt hierbei zur automatischen Auslösung von Positionsbewegungen mit den entsprechenden Kursauswirkungen auf den Rohstoffhandel.

Zusammenfassend sieht Kuchenbuch einen Preisanstieg durch spekulatives Kapital am Rohstoffmarkt als gegeben. Durch die große Zahl der Beteiligten aus dem Finanzsektor würden die Agrarteilnehmer zu Randbeteiligten am Agrarrohstoffmarkt, und der Einfluss elektronischer Handelssysteme nimmt zu.


OECD erwartet stabiles Preisniveau für Agrarmärkte

Bei der Auswertung der fundamentalen Daten kann man grundsätzlich von einer Preisstabilität und tendenziellen Befestigung für die Agrarmärkte ausgehen, die hauptsächlich nachfragegetrieben sein werden. Das bestätige Ignacio Pérez von der Agro-Food Trade and Market Division der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In ihrem Ausblick für die Dekade von 2011 bis 2020 geht die OECD davon aus, dass die hohen Lebensmittelpreise und starken Schwankungen auf den Rohstoffmärkten die Agrarmärkte bestimmen werden.

Weltweit steigt die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln sowie nach Biokraftstoffen. Das Preisniveau von landwirtschaftlichen Produkten bleibt hoch. Zu diesem Schluss kommt der gemeinsame Landwirtschaftsausblick "Agricultural Outlook 2011 - 2020".


Nur Produktivitätssteigerung kann steigende Nachfrage decken

Pérez stellte in seiner Analyse fest, dass es einige Zeit und gute Ernten brauchen wird, bis die Lagerbestände wieder auf einem höheren Niveau aufgebaut sein werden. In dieser Zeit werde aber das derzeit beispielsweise aus den Finanzmärkten kommende Risiko nicht abnehmen. Außerdem können unvorhergesehene Wetterereignisse eintreffen, die die Ernten schmälern. Die höheren Agrarpreise sieht Pérez durchaus als Stimulanz für weitere Investitionen in den Agrarsektor, die dazu beitragen werden, die Produktivität und Erträge zu erhöhen. Andererseits warnt der Marktanalyst auch davor, dass die Produktionskosten steigen, was das Produktivitätswachstum wiederum einschränken könnte.

Die OECD geht in ihren Marktanalysen davon aus, dass sich die Energiekosten noch signifikant erhöhen werden. Ein weiterer limitierender Faktor sind die Flächenverfügbarkeit und die Wasserverfügbarkeit. Es zeichne sich ab, dass sich die Agrarproduktion immer häufiger auf Grenzertragsstandorte ausdehnen müsse. Daher sieht die OECD, dass Investitionen zur Produktivitätssteigerung notwendig sind, um sicher zu stellen, dass die steigende Nachfrage gedeckt werden kann. (dlg)
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