Landwirtschaftliche Nutzflächen als wichtigste
Ressource zur Erzeugung von Nahrungsmitteln sind nicht vermehrbar. Im
Gegenteil, sie werden eher knapp. Das Landvolk Niedersachsen macht seit
Jahren auf den ungehemmten „Landhunger" aufmerksam. Wir zeichnen die
Chronologie der Aktionen nach.
Erstmals wurde das Thema in einer Entschließung auf
der Mitgliederversammlung des Verbandes im Jahr 2006 in Hannover in die
Öffentlichkeit getragen. Schon damals kritisierte der Verband die
Eingriffsregelung nach dem Naturschutzrecht, da sie den Landwirten
zusätzlich Nutzflächen entzieht. Ein weiterer Kritikpunkt richtete sich
gegen die Vernachlässigung von Schutzgebieten und Kompensationsflächen.
Das Ersatzgeld und produktionsintegrierte Alternative zur grenzenlosen
Ausweitung von Kompensationsflächen wurden eingefordert.Auf dem
Landesbauerntag im Herbst 2007 in Celle sicherte Ministerpräsident
Christian Wulff den Landwirten zu: „Wir werden noch stärker dafür
sorgen müssen, die teilweise widerstreitenden Interessen sorgfältig
auszubalancieren. Sowohl Natur-, Umwelt- und Klimaschutz als auch die
gestiegenen Anforderungen an die Nahrungs- und Energieversorgung sind
zu berücksichtigen". In einer Diskussionsrunde sagten David McAllister
(CDU) und Philipp Rösler (FDP), die Landwirtschaft gerate zwischen
bebauter Fläche und Ausgleichsflächen unter Druck. Auf große Resonanz
stieß im Sommer 2008 ein parlamentarischer Abend des Verbandes im
hannoverschen Leineschloss. Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker
schlossen sich der Einschätzung von Landvolkpräsident Werner Hilse an,
der einen „anderen Umgang mit der Ressource Boden" anmahnte.
Landwirtschaftsminister Hans Heinrich Ehlen prophezeite das Ende
landwirtschaftlicher Flächen im Jahr 2080, falls die Ausweisung von
Kompensationsflächen im bisherigen Tempo weitergehe. Umweltminister
Hans-Heinrich Sander wünschte sich stattdessen eine ökologische
Aufwertung vorhandener Schutzgebiete. Landvolkvizepräsident Franz-Josef
Holzenkamp, zugleich CDU-Bundestagsabgeordneter, stellte damals fest,
beim Thema Flächenverbrauch gebe es keinen Erkenntnismangel, sondern
nur
Umsetzungsverzug.
Und auf dessen Abbau warten die Landwirte leider noch immer. Was
niedersächsische Abgeordnete zu dem Thema sagen, lesen Sie auf der
nebenstehenden Seite.
Im Grundsatz eher für das Ersatzgeld
Meinungen Der Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzflächen für
Siedlungs- und Verkehrszwecke aber auch Kompensationsmaßnahmen ist nach
wie vor zu hoch. Abhilfe könnte die Option für das Ersatzgeld schaffen.
Im Gesetzentwurf für das Niedersächsische Naturschutzgesetz wurde
dieser Ansatz kurzfristig zurück gezogen. Die LAND & Forst hat
agrar- und umweltpolitische Sprecher der Parteien im Niedersächsischen
Landtag gefragt, wie Sie diese Entscheidung gegenüber der
Landwirtschaft erklären?
Das Bundesnaturschutzgesetz ermöglicht den
Bundesländern einige abweichende Regelungen in den Landesgesetzen.
Diese Regelungen müssen aber bis zum 1.März 2010 in Landesrecht
umgesetzt werden, sonst gilt das Bundesgesetz. Im
Bundesnaturschutzgesetz ist, anders als im Koalitionsvertrag, die
Möglichkeit der Gleichstellung des sogenannten Ersatzgeldes mit
Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen noch nicht vorgesehen. Erst wenn der
Bundesgesetzgeber den Ländern diese Möglichkeit einräumt, haben wir die
rechtliche Sicherheit, dieses in Landesgesetz zu verankern. Sonst wäre
unser Gesetzentwurf rechtlich nicht haltbar und könnte nicht in Kraft
treten. Das würde bedeuten, dass z.B. auch bei Gewässern III. Ordnung,
Randstreifen einzurichten wären. Vor diesem Hintergrund haben sich die
Regierungsfraktionen entschlossen, die Gleichrangigkeit von
Ersatzgeldzahlung vorerst nicht in den Gesetzentwurf des Landes
aufzunehmen. Leicht wird es nicht werden, die Zahl derer, die dagegen
arbeiten, ist nicht zu unterschätzen. Wer aber von den Landwirten
verlangt, hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen, Rohstoffe für
erneuerbare Energien anzubieten, Flächen für Siedlung und Infrastruktur
zur Verfügung zu stellen, gleichzeitig aber Futtermittelimporte ablehnt
und immer mehr Fläche aus der Produktion nimmt, verlangt die Quadratur
des Kreises, oder wie ein Bauer neulich formulierte: „Noch ein paar
Jahre und wir hungern, weil Deutschland unter Naturschutz steht!
Clemens Große Macke, CDU
Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag kann
die Entscheidung nicht erklären, da es sich um eine Entscheidung der
Landesregierung handelt. Wir bedauern das Scheitern des
Umweltgesetzbuches- insbesondere auf Einwände der CSU und FDP auf
Bundesebene- da hierdurch bundesweit einheitliche Umweltrecht-Standards
gesetzt worden wären. Die jetzige Situation führt dazu, dass maximal 16
unterschiedliche Regelungen auch für den Bereich der Eingriffsregelung
erfolgen werden. Die Position der SPD-Fraktion in Niedersachsen hierzu
ist unverändert. Die Realkompensation in der Fläche ist ausdrücklich zu
begrüßen und hat Vorrang gegenüber der Ersatzgeldzahlung. Eine
Priorisierung oder Gleichstellung durch Ersatzgeld für Schäden, die an
Natur und Landschaft durch Eingriffe entstehen, ist abzulehnen.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Verwendung des Ersatzgeldes
streng zweckgebunden für die Kompensation der Funktionen des
Naturhaushaltes sicherzustellen ist.
Karin Stief-Kreihe, SPD
ie FDP Landtagsfraktion hält an der Einführung des
gleichrangigen Ersatzgeldes fest und fordert die schnellstmögliche
Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Wir sind der Ansicht, dass das
Ersatzgeld ein geeignetes Mittel ist, die Ansprüche des Naturschutzes
mit einer praktikableren Anwendung der Eingriffsregelung und der
Reduzierung der Flächeninanspruchnahme zu verbinden. Das Ersatzgeld
würde der jeweils zuständigen Naturschutzbehörde für sinnvolle
Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Ein Investor würde
durch die Zahlung eines Ersatzgeldes, neben den bestehenden Regelungen
gleichwertig, die Möglichkeit erhalten, sich prioritär mit seinem
Kernanliegen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig übernimmt die Untere
Naturschutzbehörde die fachliche Ausgestaltung und Koordinierung des
Ausgleiches für Eingriffe in Natur und Landschaft. Leider besteht
derzeit ein rechtlicher Diskurs, ob die von Niedersachsen angedachte
Einführung eines gleichrangigen Ersatzgeldes derzeit verfassungskonform
ist. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass die im
Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgeschriebene Zusage, den
Bundesländern die Kompetenz der gleichrangigen Anwendung des
Ersatzgeldes zu ermöglichen, schnellstmöglich herbeigeführt wird. Das
Ersatzgeld kann sowohl der Landwirtschaft als auch dem Schutz von Natur
und Landschaft Rechnung tragen.
Dr. Gero Clemens Hocker, FDP
Wir Grüne haben das klare Ziel, den hohen
Flächenverbrauch deutlich zurückzufahren. Zuviel Natur und
landwirtschaftliche Fläche wird verbraucht. Deutschland hat weltweit
eine der höchsten Dichte an infrastrukturellen Einrichtungen für
Siedlung und Verkehr. In den vergangenen 40 Jahren hat die
Flächeninanspruchnahme um mehr als 80 % zugenommen. Wir werden die neue
Bundesregierung an ihrem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel messen,
den Flächenverbrauch von zurzeit 120 auf 30 ha täglich zu senken. Bei
abnehmender Bevölkerungszahl darf nicht immer mehr wertvolle Fläche
verbaut, versiegelt, verschandelt werden. Appelle reichen nicht aus,
sondern da muss auch gesetzlich und über die Raumordnung gehandelt
werden. Die schon bestehende Möglichkeit für eine finanzielle
Kompensation reicht nicht aus. Neue marktnahe Instrumente wie ein
Flächenzertifikatehandel müssen geprüft werden. Nur wenn Hürden und
Kosten für den Verbrauch von Fläche für Siedlung und Verkehr hoch genug
sind, kann es gelingen, das Problem zurückgehender Natur-, Grünland-
und Ackerflächen zu lösen.