02.12.2009 | 00:00:00 | ID: 3926 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarwirtschaft

Gegen Flächenverluste ist ein langer Atem gefragt

Hannover (agrar-PR) - Flächenverbrauch
Landwirtschaftliche Nutzflächen als wichtigste Ressource zur Erzeugung von Nahrungsmitteln sind nicht vermehrbar. Im Gegenteil, sie werden eher knapp. Das Landvolk Niedersachsen macht seit Jahren auf den ungehemmten „Landhunger" aufmerksam. Wir zeichnen die Chronologie der Aktionen nach.

Erstmals wurde das Thema in einer Entschließung auf der Mitgliederversammlung des Verbandes im Jahr 2006 in Hannover in die Öffentlichkeit getragen. Schon damals kritisierte der Verband die Eingriffsregelung nach dem Naturschutzrecht, da sie den Landwirten zusätzlich Nutzflächen entzieht. Ein weiterer Kritikpunkt richtete sich gegen die Vernachlässigung von Schutzgebieten und Kompensationsflächen. Das Ersatzgeld und produktionsintegrierte Alternative zur grenzenlosen Ausweitung von Kompensationsflächen wurden eingefordert.Auf dem Landesbauerntag im Herbst 2007 in Celle sicherte Ministerpräsident Christian Wulff den Landwirten zu: „Wir werden noch stärker dafür sorgen müssen, die teilweise widerstreitenden Interessen sorgfältig auszubalancieren. Sowohl Natur-, Umwelt- und Klimaschutz als auch die gestiegenen Anforderungen an die Nahrungs- und Energieversorgung sind zu berücksichtigen". In einer Diskussionsrunde sagten David McAllister (CDU) und Philipp Rösler (FDP), die Landwirtschaft gerate zwischen bebauter Fläche und Ausgleichsflächen unter Druck. Auf große Resonanz stieß im Sommer 2008 ein parlamentarischer Abend des Verbandes im hannoverschen Leineschloss. Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker schlossen sich der Einschätzung von Landvolkpräsident Werner Hilse an, der einen „anderen Umgang mit der Ressource Boden" anmahnte. Landwirtschaftsminister Hans Heinrich Ehlen prophezeite das Ende landwirtschaftlicher Flächen im Jahr 2080, falls die Ausweisung von Kompensationsflächen im bisherigen Tempo weitergehe. Umweltminister Hans-Heinrich Sander wünschte sich stattdessen eine ökologische Aufwertung vorhandener Schutzgebiete. Landvolkvizepräsident Franz-Josef Holzenkamp, zugleich CDU-Bundestagsabgeordneter, stellte damals fest, beim Thema Flächenverbrauch gebe es keinen Erkenntnismangel, sondern nur
Umsetzungsverzug.

Und auf dessen Abbau warten die Landwirte leider noch immer. Was niedersächsische Abgeordnete zu dem Thema sagen, lesen Sie auf der nebenstehenden Seite.


Im Grundsatz eher für das Ersatzgeld

Meinungen Der Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzflächen für
Siedlungs- und Verkehrszwecke aber auch Kompensationsmaßnahmen ist nach wie vor zu hoch. Abhilfe könnte die Option für das Ersatzgeld schaffen. Im Gesetzentwurf für das Niedersächsische Naturschutzgesetz wurde dieser Ansatz kurzfristig zurück gezogen. Die LAND & Forst hat agrar- und umweltpolitische Sprecher der Parteien im Niedersächsischen Landtag gefragt, wie Sie diese Entscheidung gegenüber der Landwirtschaft erklären?

Das Bundesnaturschutzgesetz ermöglicht den Bundesländern einige abweichende Regelungen in den Landesgesetzen. Diese Regelungen müssen aber bis zum 1.März 2010 in Landesrecht umgesetzt werden, sonst gilt das Bundesgesetz. Im Bundesnaturschutzgesetz ist, anders als im Koalitionsvertrag, die Möglichkeit der Gleichstellung des sogenannten Ersatzgeldes mit Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen noch nicht vorgesehen. Erst wenn der Bundesgesetzgeber den Ländern diese Möglichkeit einräumt, haben wir die rechtliche Sicherheit, dieses in Landesgesetz zu verankern. Sonst wäre unser Gesetzentwurf rechtlich nicht haltbar und könnte nicht in Kraft treten. Das würde bedeuten, dass z.B. auch bei Gewässern III. Ordnung, Randstreifen einzurichten wären. Vor diesem Hintergrund haben sich die Regierungsfraktionen entschlossen, die Gleichrangigkeit von Ersatzgeldzahlung vorerst nicht in den Gesetzentwurf des Landes aufzunehmen. Leicht wird es nicht werden, die Zahl derer, die dagegen arbeiten, ist nicht zu unterschätzen. Wer aber von den Landwirten verlangt, hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen, Rohstoffe für erneuerbare Energien anzubieten, Flächen für Siedlung und Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, gleichzeitig aber Futtermittelimporte ablehnt und immer mehr Fläche aus der Produktion nimmt, verlangt die Quadratur des Kreises, oder wie ein Bauer neulich formulierte: „Noch ein paar Jahre und wir hungern, weil Deutschland unter Naturschutz steht!
Clemens Große Macke, CDU

Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag kann die Entscheidung nicht erklären, da es sich um eine Entscheidung der Landesregierung handelt. Wir bedauern das Scheitern des Umweltgesetzbuches- insbesondere auf Einwände der CSU und FDP auf Bundesebene- da hierdurch bundesweit einheitliche Umweltrecht-Standards gesetzt worden wären. Die jetzige Situation führt dazu, dass maximal 16 unterschiedliche Regelungen auch für den Bereich der Eingriffsregelung erfolgen werden. Die Position der SPD-Fraktion in Niedersachsen hierzu ist unverändert. Die Realkompensation in der Fläche ist ausdrücklich zu begrüßen und hat Vorrang gegenüber der Ersatzgeldzahlung. Eine Priorisierung oder Gleichstellung durch Ersatzgeld für Schäden, die an Natur und Landschaft durch Eingriffe entstehen, ist abzulehnen. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Verwendung des Ersatzgeldes streng zweckgebunden für die Kompensation der Funktionen des Naturhaushaltes sicherzustellen ist.
Karin Stief-Kreihe, SPD

ie FDP Landtagsfraktion hält an der Einführung des gleichrangigen Ersatzgeldes fest und fordert die schnellstmögliche Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Wir sind der Ansicht, dass das Ersatzgeld ein geeignetes Mittel ist, die Ansprüche des Naturschutzes mit einer praktikableren Anwendung der Eingriffsregelung und der Reduzierung der Flächeninanspruchnahme zu verbinden. Das Ersatzgeld würde der jeweils zuständigen Naturschutzbehörde für sinnvolle Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Ein Investor würde durch die Zahlung eines Ersatzgeldes, neben den bestehenden Regelungen gleichwertig, die Möglichkeit erhalten, sich prioritär mit seinem Kernanliegen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig übernimmt die Untere Naturschutzbehörde die fachliche Ausgestaltung und Koordinierung des Ausgleiches für Eingriffe in Natur und Landschaft. Leider besteht derzeit ein rechtlicher Diskurs, ob die von Niedersachsen angedachte Einführung eines gleichrangigen Ersatzgeldes derzeit verfassungskonform ist. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgeschriebene Zusage, den Bundesländern die Kompetenz der gleichrangigen Anwendung des Ersatzgeldes zu ermöglichen, schnellstmöglich herbeigeführt wird. Das Ersatzgeld kann sowohl der Landwirtschaft als auch dem Schutz von Natur und Landschaft Rechnung tragen.
Dr. Gero Clemens Hocker, FDP

Wir Grüne haben das klare Ziel, den hohen Flächenverbrauch deutlich zurückzufahren. Zuviel Natur und landwirtschaftliche Fläche wird verbraucht. Deutschland hat weltweit eine der höchsten Dichte an infrastrukturellen Einrichtungen für Siedlung und Verkehr. In den vergangenen 40 Jahren hat die Flächeninanspruchnahme um mehr als 80 % zugenommen. Wir werden die neue Bundesregierung an ihrem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel messen, den Flächenverbrauch von zurzeit 120 auf 30 ha täglich zu senken. Bei abnehmender Bevölkerungszahl darf nicht immer mehr wertvolle Fläche verbaut, versiegelt, verschandelt werden. Appelle reichen nicht aus, sondern da muss auch gesetzlich und über die Raumordnung gehandelt werden. Die schon bestehende Möglichkeit für eine finanzielle Kompensation reicht nicht aus. Neue marktnahe Instrumente wie ein Flächenzertifikatehandel müssen geprüft werden. Nur wenn Hürden und Kosten für den Verbrauch von Fläche für Siedlung und Verkehr hoch genug sind, kann es gelingen, das Problem zurückgehender Natur-, Grünland- und Ackerflächen zu lösen.
Pressekontakt
Frau Sonja Markgraf
Telefon: 0511/36704-31
E-Mail: pressestelle@landvolk.org
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Landvolk Niedersachsen - Landesbauernverband e.V.
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30159 Hannover
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