Frankfurt am Main (agrar-PR) -
IVA: Agrochemie trotz Einbußen krisenfest Pflanzenschutz- und Düngemittelproduzenten nicht von Rezession verschont – Ausblick dank steigender Nachfrage weiter positiv – politische Risiken Die deutsche Pflanzenschutz- und
Düngemittel-Industrie hat 2009 das rasante Wachstumstempo der Vorjahre
nicht halten können. Die Einbußen fielen jedoch vor dem Hintergrund der
weltweiten wirtschaftlichen Abschwächung weniger gravierend aus als in
anderen Wirtschaftsbereichen. Die Branche blickt bei der Vorlage ihres
Jahresberichts angesichts langfristig steigender Nachfrage nach
Agrarprodukten positiv in die Zukunft.
Der Pflanzenschutzmarkt
Der
Nettoinlandsumsatz
der im Industrieverband Agrar e. V. (IVA) zusammengeschlossenen
deutschen Pflanzenschutz-Hersteller betrug im Jahr 2009 1,262
Milliarden Euro, was einem Rückgang von 8,4 Prozent gegenüber dem
Rekordjahr 2008 (1,377 Mrd.) entspricht. Die Exporterlöse fielen um 1,3
Prozent auf 2,975 Milliarden Euro. Daraus ergeben sich ein Gesamtumsatz
von 4,237 Milliarden Euro und ein Rückgang von 3,5 Prozent gegenüber
dem Vorjahr (4,391 Mrd.). Der
Weltmarkt für Pflanzenschutzmittel
ist 2009 gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent geschrumpft auf ein
Gesamtvolumen von 27,1 Milliarden Euro, wobei die nach wie vor hohe
Nachfrage aus dem asiatischen Raum stabilisierend wirkte.
„Auch im Pflanzenschutzmarkt wachsen die Bäume nicht
in den Himmel, und mit Blick auf die enormen Herausforderungen für die
Weltwirtschaft im Jahr 2009 ist es als Erfolg zu werten, dass der
Umsatzrückgang in einem überschaubaren Maß blieb. Auch wenn der
Pflanzenschutzmarkt gegenüber dem Vorjahr um gut acht Prozent
geschrumpft ist, so dürfen wir beim Vergleich nicht vergessen, dass
2008 das bislang umsatzstärkste Jahr für die Branche in Deutschland
war. Wir bewegen uns immer noch über dem Niveau von 2007“, sagte Dr.
Hans Theo Jachmann, Präsident des IVA und Geschäftsführer der Syngenta
Agro GmbH, Maintal, vor Journalisten in Frankfurt.
Die
Ursachen für den leichten Rückgang
sind nicht allein im wirtschaftlichen Umfeld zu sehen, sondern hängen
auch mit dem witterungsbedingt sparsameren Betriebsmitteleinsatz in der
Landwirtschaft im Jahr 2009 zusammen. So ist etwa der Markt für
Herbizide (Unkrautbekämpfungsmittel) um 13,9 Prozent auf 538 Millionen
Euro zurückgegangen. Der Markt für Getreideherbizide litt unter einem
späten Saisonstart und der hohen Vorbehandlungsrate im Herbst des
Vorjahres. Der Markt für Fungizide (Pilzbekämpfungsmittel) ging um 3,2
Prozent auf 511 Millionen Euro zurück. Der Verkauf von Insektiziden
fiel um 3,5 Prozent auf 139 Millionen Euro, und die Verkäufe der
sonstigen Pflanzenschutzmittel sind um 7,5 Prozent auf 74 Millionen
Euro zurückgegangen.
Da sie auf hohe Lagerbestände zurückgreifen konnten,
brachten die Landwirte über das Jahr in etwa gleich viel
Pflanzenschutzmittel aus, kauften aber in 2009 in geringerem Umfang
nach. Die Lagerbestände an Pflanzenschutzmitteln im Großhandel fielen
zum Jahresende 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 Prozent auf 245
Millionen Euro. Im Jahr 2009 sind in Deutschland 95.433 Tonnen
Pflanzenschutzwirkstoffe produziert worden. Das bedeutet einen Rückgang
von 17,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Wirkstoffexport der
IVA-Mitgliedsfirmen betrug 100.843 Tonnen in 2009 und damit 7,4 Prozent
weniger als im Vorjahr.
Der Markt für Mineraldünger
Nach einem Boom bei Mineraldüngern im Jahr 2008
brachen die Absätze 2009 in Folge der Wirtschaftskrise und sinkender
Preise auf den Agrarmärkten dramatisch ein. Im Düngejahr 2008/09 (Juli
- Juni) sank in Deutschland der
Absatz an Stickstoffdünger
um 14 Prozent auf 1,55 Millionen Tonnen Stickstoff (N), an Phosphat um
45 Prozent auf 174.000 Tonnen P2O5, an Kalidüngern um 65 Prozent auf
179.000 Tonnen K2O; der Absatz an Kalkdüngern stieg leicht auf 2,24
Millionen Tonnen CaO (plus 1 Prozent).
Dementsprechend sank der
Umsatz
von 3,991 Milliarden Euro im Rekordjahr 2008 auf 2,091 Milliarden Euro
in 2009, was einem Rückgang von knapp 48 Prozent entspricht. Damit ist
etwa wieder das Niveau des Jahres 2006, d. h. vor Beginn der Boomphase,
erreicht. Der Exportumsatz ist weniger stark zurückgegangen als der
Inlandsumsatz.
Der Stickstoffabsatz in der laufenden Düngesaison
2009/10 bis einschließlich März bewegt sich leicht über dem
Vorjahresniveau. Nach den großen Verschiebungen der Marktanteile der
verschiedenen N-Dünger-sorten im Vorjahr haben sich mit Ausnahme der
NPK-Dünger im Großen und Ganzen wieder die alten Relationen
eingestellt. Harnstoff hat die im letzten Jahr preisbedingt auf Kosten
von Kalkammonsalpeter (KAS) gewonnenen Marktanteile wieder verloren.
Die KAS-Ablieferungen liegen bis Ende März leicht über dem mehrjährigen
Mittel. „Insgesamt kann in der laufenden Saison von einem
Stickstoffverbrauch in Höhe von etwa 1,7 Millionen Tonnen N ausgegangen
werden, was um rund 6 Prozent unter dem langjährigen Mittel von 1,8
Millionen Tonnen N liegt. Der Absatz von Phosphat- und Kalidüngern wird
nach dem starken Rückgang in der vorherigen Düngesaison wieder spürbar
anziehen, aber unter dem langjährigen Mittel bleiben. Damit langfristig
keine Verarmung der Böden erfolgt, werden die unterlassenen
Düngungsmaßnahmen mit Phosphat und Kali in der nächsten Saison
sicherlich nachgeholt“, sagte Prof. Dr. Hermann Kuhlmann, Vorsitzender
des Fachbereichs Pflanzenernährung im IVA.
Risiken durch Volatilität – Chancen durch Nachfragewachstum
„Wenn wir auf die Entwicklung des weltweiten
Agribusiness schauen, sehen wir zwei deutliche Trends. Langfristig
befinden wir uns in einer der wichtigsten globalen Wachstumsbranchen.
Ohne neue Produkte und innovative Lösungen in der gesamten
Wertschöpfungskette des Agribusiness wird es nicht möglich sein, bis
zur Mitte des Jahrhunderts neun Milliarden Menschen zu ernähren.
Kurzfristig hingegen sind die Agrarmärkte enormer Volatilität
ausgesetzt, wie gerade die zurückliegenden beiden Jahre eindrucksvoll
gezeigt haben“, sagte Jachmann. „Insbesondere für Landwirte bedeuten
diese Marktschwankungen erhebliche wirtschaftliche Risiken.“
Vor diesem Hintergrund erwartet der Industrieverband
Agrar von der Politik verlässlichere Rahmenbedingungen. Nachdem im
November 2009 die
neue europäische Verordnung
über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln im Amtsblatt der EU
veröffentlicht wurde, steht nun die Novellierung des nationalen
Pflanzenschutzrechts an. Einer der Eckpunkte der europäischen
Verordnung ist eine stärkere Harmonisierung des Zulassungsverfahrens
für Pflanzenschutzmittel. Behörden und Pflanzenschutz-Industrie haben
ein gemeinsames Interesse daran, dass sich Deutschland in einem
möglichen Wettbewerb von Zulassungsstandorten durch flexible und zügige
Verfahrenspraxis bei hohem Schutzniveau für Anwender und Verbraucher
bewährt.
Mit Blick auf die für 2013 anstehende Neuausrichtung
der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa sagte Jachmann: „Die Gemeinsame
Agrarpolitik muss auch nach 2013 sicherstellen, dass die Landwirtschaft
mit ihren zahlreichen Leistungen für die Gesellschaft den in diesem
Sektor Tätigen eine Existenz sichert. Zugleich aber werden sich die
europäischen Landwirte zunehmend dem Wettbewerb mit Produzenten anderer
Weltregionen stellen müssen. Heute hat Europa noch einen
Wettbewerbsvorteil, den es nicht dadurch verspielen darf, dass die
Gemeinsame Agrarpolitik mit sachfremden Anforderungen überfrachtet
wird.“
Jachmann verdeutlichte die Position der Branche in
wichtigen Umweltthemen
und erläuterte, warum sich intensive Landwirtschaft und die
ökologischen Herausforderungen von Biodiversität und Klimaschutz nicht
ausschließen. „Intensive Landwirtschaft bedeutet, in Zeiten steigender
Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten sparsam mit den knappen
Agrarflächen umzugehen. Wenn wir auf derselben Fläche – mit Hilfe von
innovativem Saatgut, Düngung und Pflanzenschutz – mehr produzieren
können, schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass an anderer Stelle
Wälder, Grünflächen oder Moore geschont werden können. Diese Ökosysteme
haben eine wichtige Funktion für die Artenvielfalt und als CO2-Speicher
im Klimaschutz. Vor diesem Hintergrund ist Europa mit seinen
ertragreichen Böden verpflichtet, durch seine leistungsfähige
Landwirtschaft gleichermaßen zur Welternährung und zum Klimaschutz
beizutragen“, sagte Jachmann.