Berlin (agrar-PR) -
Gemeinsame Erklärung von Landwirtschaft und Kirchen zum Erntedankfest 2009 „Die Wege aus der Krise verlangen neues
Denken und mutiges Handeln. Soziale Marktwirtschaft darf keine Leerformel
werden. Aus christlicher Verantwortung und Solidarität kann ein neues
Miteinander entstehen, dessen Basis Vertrauen und Ehrlichkeit ist. In globalen
Märkten müssen faires Wirtschaften, fairer Markt und ein fairer Umgang
miteinander die Eckpfeiler des wirtschaftlichen Handelns in der gesamten
Wertschöpfungskette werden.“ Dies stellen der Ausschuss für den Dienst auf dem
Lande in der evangelischen Kirche in Deutschland (ADL), die Katholische
Landvolkbewegung (KLB), der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche
LandFrauenverband (dlv) in ihrer gemeinsamen Erklärung zum Erntedankfest 2009
fest.
Die Erklärung im Wortlaut:
Erklärung zu Erntedank 2009
„Werft also eure Zuversicht nicht weg, die großen
Lohn mit sich bringt“ – Hebräer 10,35
Die
Ernte des Jahres 2009 ist in Deutschland weitgehend eingefahren. Hierzulande
konnten bei vielen Ackerkulturen zufriedenstellende Erträge erzielt werden –
trotz zunehmender Risiken wie Hagel, zeitweise Trockenheit oder Starkregen. Die
Bauern spüren bei ihrer täglichen Arbeit in und mit der Natur unmittelbar, dass
trotz professioneller Produktionstechnik bei Saat, Pflege und Ernte,
hochwertigem Saatgut, standortangepasster Düngung und Gesunderhaltung der Pflanzen
diese im Wesentlichen abhängig sind vom Vertrauen auf die Schöpfung und dem
Segen und Schutz Gottes. Erträge und Qualitäten, die noch vor Jahrzehnten kaum
zu erzielen waren, lassen uns voll Dankbarkeit auf die Ernte des Jahres
schauen.
Harte
Arbeit und Erfolg im Stall und auf dem Acker müssen sich auch für die Bauernfamilien
lohnen. Doch stattdessen erleben Getreide- und Milchpreise eine Talfahrt mit
historischen Ausmaßen. So beherrscht vielfach Existenzangst statt Zuversicht
den Blick in die Zukunft. Auch die Einkommen vieler Obst- und Gemüsebauern sind
unzureichend. Mit den Erlösen für die Ernte sind vielfach nicht einmal mehr
die Produktionskosten zu decken. Trotz verbesserter Qualitäten setzt sich ein
stetiger Wertverlust der Lebensmittel fort, der für die Bauern nicht mehr
akzeptabel, für die Marktpartner schädlich und für unsere Gesellschaft
beschämend ist.
An
Butterpreisen, die heute wieder das Niveau wie vor 50 Jahren erreicht haben,
kann niemand Interesse haben. Ohne gesellschaftliche Anerkennung und
finanzielle Honorierung fehlt der notwendige Anreiz, tagtäglich Leistung für
beste Qualitäten zu erbringen, in Tier- und Verbraucherschutz zu investieren
und Innovationen zu wagen. Die starken Preisschwankungen auf den Agrarmärkten
verdeutlichen, wie notwendig die EU-Direktzahlungen zur Stabilisierung der
Einkommen für die Bauern sind. Sie müssen auch in der neuen EU Agrarpolitik
nach 2013 fest verankert bleiben. Diese finanziellen Hilfen bedeuten nicht nur
Ausgleich für zahlreiche gesellschaftliche und kulturlandschaftliche
Leistungen, die die Bauern erbringen, sondern sind auch ein wichtiger Baustein
für die Stabilität der landwirtschaftlichen Betriebe. So versteht sich für die
Landwirtschaft auch die soziale Marktwirtschaft.
Mutiges Handeln
Doch
nicht nur die Bauern spüren in diesen Tagen die Angst um Betriebe und Arbeitsplätze.
Die Wirtschaftkrise trifft fast alle Bereiche unserer Wirtschaft. Die Wege aus
der Krise verlangen neues Denken und mutiges Handeln. Soziale Marktwirtschaft
darf keine Leerformel werden. Aus christlicher Verantwortung und Solidarität
mit den Benachteiligten und Schwachen kann wieder ein neues Miteinander
entstehen, deren Basis Vertrauen und Ehrlichkeit sind. In globalen Märkten
müssen faires Wirtschaften, fairer Markt und fairer Umgang miteinander die
Eckpfeiler des wirtschaftlichen Handelns der gesamten Wertschöpfungskette
werden. Zur Ehrlichkeit gehört es auch, Realitäten zu benennen. Strukturwandel
hat es immer gegeben. Auch heute wird nicht jede Bauernfamilie den Hof durch
die neue Generation weiterführen können – und wollen. Strukturveränderungen
konnten in der Vergangenheit über eine verantwortungsvolle Beratung und eine
begleitende Agrarsozialpolitik für die Menschen erträglich gestaltet werden.
Dies muss auch künftig die Agrarpolitik prägen.
Schlüsselrolle der Landwirtschaft
Mit
neuem Vertrauen gilt es, die Herauforderungen der Zukunft anzunehmen. Der Kampf
gegen Hunger und Unterernährung, die langfristige Sicherung des Energiebedarfs
und der Klimaschutz sind weltweit größte Herausforderungen. Die Landwirtschaft
nimmt bei der Lösung der Probleme eine wichtige Schlüsselrolle ein; sie wird
mehr denn je gebraucht. Das muss sich aber in den politischen wie
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wettbewerbs widerspiegeln. Wir brauchen
faire Regeln in den internationalen Märkten, die sowohl ökologische als auch
soziale Standards mit einbeziehen. Fair Trade, also gerechte Handelsbedingungen,
müssen für alle Bauern und Bäuerinnen in Afrika, Asien, Amerika und Europa
gelten.
Wir
sollten zuversichtlich in die Zukunft blicken, indem wir in der Krise die
Chance nutzen, den Wandel gemeinsam zu gestalten. Kirchen, Verbraucher,
Wirtschaft, Politik und Landwirtschaft sind gefordert, das Land zu stärken um
der Menschen Willen. Anlass genug, das Erntedankfest mit Freude und Dankbarkeit
gemeinsam zu feiern. Gott schenkt uns seinen Segen, damit alle daran teilhaben
und dass wir gerecht teilen.