12.11.2009 | 10:00:00 | ID: 3614 | Ressort: Landwirtschaft | Agritechnica

Getreidepreise 2010: Das Rohöl gibt die Richtung vor

Hannover (agrar-PR) - FAO-Senior Economist Schmidhuber sieht bei den Maisnotierungen das größte Aufwärtspotenzial – Über die Versprittung besteht enge Verbindung zu den Energiemärkten – Der globale Weizenmarkt schiebt eine Bugwelle an Überschüssen vor sich her – Den Ölsaatenpreis bestimmt das Wetter in Süd-amerika - Russische Getreideunion rechnet für 2015 mit Exportüberschüssen von 35 Mio. t Getreide – Internationale DLG-Fachtagung „Agrarmärkte 2010“ im Rahmen der Agritechnica stößt auf reges Besucherinteresse

Ob die Erzeugererlöse für Getreide und Ölsaaten 2010 steigen, hängt entscheidend von der Entwicklung der Energiepreise ab. Auf diesen Zusammenhang hat Dr. Josef Schmidhuber von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hingewiesen. „Je höher der Rohölpreis, desto lohnender ist die energetische Verwer-tung von Agrarrohstoffen“, erläuterte der FAO-Senior Economist bei einer von der DLG (Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft) gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) ausgerichteten Fachtagung, die unter dem Motto „Agrarmärkte 2010“ anlässlich der Agritechnica in Hannover stattfand. Niedrige Ladenpreise für Lebensmittel böten in entwi-ckelten Ländern keinen Anreiz für steigenden Konsum. Dagegen bestehe am Paritätspreis für Rohöl eine praktisch unbegrenzte Nachfrage nach Bioenergie vom Acker. „Wollte man allein den globalen Energiebedarf für Transportzwecke decken, müssten zwei Drittel der weltweiten Ackerfläche mit Energiepflanzen bestellt werden“, rechnete der Agrarökonom vor. In den USA werde schon heute ein Drittel der Maisernte versprittet, weshalb sich der Preis für das Grobgetreide stark an den Rohölnotierungen orientiere. Sobald die Weltwirt-schaft anspringe, sei deshalb auch am ehesten am Maismarkt mit einer stärkeren Preiser-holung zu rechnen. In den letzten Jahren sei an den Maismärkten ein für Agrarprodukte absolutes Novum zu beobachten gewesen, nämlich ein von der Nachfrageseite - dem Bioethanolboom in den USA - ausgehender Preisschock.

Bioenergie als Absatzventil
Etwas verhaltener als beim Mais beurteilt Schmidhuber die Preisaussichten beim Weizen. Hier sei die Bugwelle an Überschüssen mittlerweile so groß, dass es kurzfristig nur gerin-ges Aufwärtspotenzial gebe. Weizen werde bisher nur in geringem Umfang zu Bioethanol verarbeitet, so dass dieses Absatzventil kaum preiswirksam sei. Bei den Ölsaaten - über die Herstellung von Pflanzenöl und Biodiesel ebenso mit dem Energiemarkt verknüpft - hänge die weitere Preisentwicklung entscheidend von der im Frühjahr anstehenden Soja-ernte in Südamerika ab. In den kommenden Monaten sei mit Wettermärkten zu rechnen, gekennzeichnet durch starke Preisausschläge nach oben und unten. Der Agrarexperte geht davon aus, dass hohe Energiepreise einen Weg aus der landwirtschaftlichen Tretmühle immer weiter sinkender Erzeugerpreise ebnen können. Gleichzeitig warnte Schmidhuber vor zu viel Euphorie. Durch die bei teurem Rohöl zwangsläufig steigenden Preise für Ag-rardiesel und Dünger seien höhere Stückgewinne keinesfalls garantiert.

Die Megatrends sind intakt
DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer wies zur Eröffnung der Fachtagung darauf hin, dass erfolgreiche Unternehmer Agrarpreise nicht nur in der Gegenwart betrachten, sondern ins-besondere deren mögliche Entwicklungsszenarien bewerten. Es sei bekannt, dass Preise kurzfristig durchaus falsche Signale für die langfristigen Trends aussenden. „Zwei weltweit vorzügliche Ernten mit entsprechenden Effekten auf die globale Vorratshaltung, kombiniert mit den Effekten einer dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise sprechen im Augenblick nicht für großes Preissteigerungspotential“, räumte der DLG-Präsident ein. Aber die gerin-ge Elastizität der Nachfrage könne bei plötzlichen Veränderungen des Angebotes, z.B. durch widrige Witterung oder ein doch schnelleres Überwinden der Wirtschaftskrise, ge-nauso starke positive Preisreaktionen auslösen, wie man sie zuletzt in die andere Richtung erfahren habe. Mittelfristig würden die ungebrochenen weltweiten Megatrends Bevölke-rungswachstum, Urbanisierung und wachsender Wohlstand in Schwellenländer, veränderte Verzehrgewohnheiten und nicht zuletzt das Thema Bioenergie für eine steigende Nachfrage sorgen. DBV-Vizepräsident Dr. Klaus Kliem zeigte sich zum Abschluss der Tagung zu-versichtlich, dass 2010 ein Grundstein für eine Entspannung der Agrarmärkte mit steigen-den Preistendenzen gelegt werden könne. Andererseits müssten die Landwirte erkennen, dass die Konjunkturdaten der Weltwirtschaft unmittelbare Auswirkungen auf die internatio-nalen Agrarmärkte hätten. Zeiten geschützter Märkte seien nicht nur für die Ackerbauern vorbei.

Russland hat riesige Potenziale
Die Prognosen von Alexander Korbut versprechen wenig Gutes für die künftige Entwick-lung der Getreidepreise. Der Vizepräsident der Russischen Getreideunion geht davon aus, dass sein Heimatland die Getreideproduktion in den nächsten fünf Jahren um ein Drittel steigern und dann regelmäßig zwischen 120 und 125 Mio. t dreschen wird. Über den Ei-genbedarf hinaus würde dies Exporte bis zu 35 Mio. t erlauben. Möglich sei dies durch den Einsatz moderner Sorten und Landtechnik, wodurch der Einfluss der Witterung erheblich zurückgedrängt werde. Im Jahr 2030 sieht Korbut den Exportüberschuss Russlands sogar bei 40 bis 45 Mio. t, wozu aber erst die Lager- und Transportlogistik ausgebaut werden müsse. Dass man zu großen Investitionen in Hafenanlagen und Silos fähig sei, zeige die Entwicklung der letzten Jahre. Hätten über die russischen Seehäfen 2006 erst 12 Mio. t Getreide umgeschlagen werden können, seien es inzwischen 26 Mio. t. Bis zum Jahr 2015 sei Russland auch in der Lage, Braugerste zu exportieren. Dabei habe man vor allem China als Zukunftsmarkt im Visier. Solch ambitionierte Ziele könnte allerdings die in Russland besonders heftig grassierende Wirtschafts- und Finanzkrise zunichte machen. Zu Boomzeiten hätten die Banken gerne mit den Großbetrieben zusammengearbeitet, die in Russland nicht selten über mehr als 100.000 ha verfügten. Solche Größendimensionen bedeuteten in der Krise jedoch ein höheres Risiko, was sich in Zinssätzen bis zu 20 % nie-derschlage. Bei solchen Zinsen sei einfach kein sinnvoller Investitionszyklus möglich, mo-nierte Korbut. Russland sei in der Lage, die Getreideerträge schnell hoch zu fahren, sobald dies wirtschaftlich Sinn mache. Derzeit seien die Erlöse aber so niedrig, dass ein hoher Düngeraufwand nicht lohne. Es gebe aber ein erhebliches Ertragspotenzial. Bis 2030 könn-ten die Getreideerträge von derzeit 2,3 t/ha auf 3,5 t/ha anwachsen. Zudem verfüge Russ-land über gewaltige Flächenreserven. 25 bis 30 Mio. ha Ackerland mit ausreichend Nieder-schlägen seien nach dem wirtschaftlichen Umbruch aus der Produktion genommen worden und würden jetzt nach und nach wieder reaktiviert. Bis zum Jahresende werde sich an den aus Erzeugersicht desolaten Preisen nichts ändern, sagte Korbut voraus. Von der in Russ-land und der EU fast zeitgleich angelaufenen Getreideintervention sei  aber zumindest eine stabilisierende Wirkung zu erwarten.

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