13.02.2019 | 12:01:00 | ID: 27026 | Ressort: Landwirtschaft | Bio

Pestizide: Vom Winde verweht

Nürnberg/Mainz (agrar-PR) - Bioland fordert Schutz der Bauern und Bürger vor Abdrift
Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft hat heute auf der BIOFACH die Ergebnisse einer umfassenden Baumrinden-Studie zur flächendeckenden Abdrift von Pestiziden vorgestellt. Aufgrund der Ergebnisse sind Fragen zur Koexistenz des ökologischen Landbaus neu zu diskutieren.

Bioland wirft Politik und den Zulassungsbehörden von Pestiziden Versagen beim Schutz von Bauern und Bürgern vor der Abdrift bestimmter leichtflüchtiger Pestizide vor. Seit vielen Jahren ist dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und den Zulassungsbehörden bekannt, dass sich die beiden Pestizide Pendimethalin und Prosulfocarb von konventionellen Äckern verflüchtigen und vom Wind über weite Strecken getragen werden. Dort, wo sie niedergehen, belasten sie die Ernten aller Bauern, auch die von Biobauern, die unter besonders strengen Auflagen und Kontrollen wirtschaften. Dies hat zur Folge, dass sie ihre Bio-Erzeugnisse wie Gemüse oder Kräuter und Tees nicht mehr als Bio vermarkten können. Hohe Schadenssummen können die Existenz von Biobauern gefährden.

„Die deutschen Behörden sitzen die Abdriftproblematik aus. Statt Bauern und Bürger vor Abdriftschäden aus konventionellem Pestizideinsatz zu schützen, verteidigen das Landwirtschaftsministerium und die Zulassungsbehörden die Interessen der Pestizidindustrie“, so Jan Plagge, Präsident Bioland e.V. Bioland fordert für die beiden besonders flüchtigen Herbizidwirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb nationale Anwendungsverbote in Flächenkulturen wie Getreide und Kartoffeln. „Das Risiko der Fernabdrift muss endlich im Zulassungsverfahren berücksichtigt werden. Und es ist höchste Zeit für eine Umsetzung des versprochenen staatlichen Luft-Monitorings von Pestiziden“, so Plagge. Die Zusage des BMEL in der Agrarministerkonferenz 10/2015, ein „umfassendes Monitoring von Pestizidwirkstoffen in der Luft“ durchzuführen, wird bis heute ignoriert.

Dass es sich bei den Kontaminationen mitnichten um Einzelfälle handelt, zeigt eine Datensammlung, die Bioland für den Zeitraum 2012 bis 2016 unter Landwirten, Herstellern, Behörden und Zertifizierern unternommen und den Bundesbehörden Mitte März 2018 zur Verfügung gestellt hat. „Die Erhebung von 260 Einzelfunden zeigt, dass Pendimethalin und Prosulfocarb nicht nur in vielen, sondern auch in einer Vielzahl unterschiedlicher Kulturen gefunden wurden. Die Palette reicht von verschiedenen Kräutern, Arzneipflanzen und Gemüsen bis zu Birkenblättern und zahlreichen Wildpflanzen. Insgesamt waren mehr als 60 Kulturen und Wildpflanzen betroffen“, so Gerald Wehde, Leiter Agrarpolitik bei Bioland. Mit dieser Datensammlung wird die These von den „wenigen Einzelfällen“ widerlegt, die die Behörden und Pestizidhersteller gerne vertreten. Selbst in Wildsammlungen aus verschiedenen europäischen Ländern finden sich häufig Spuren von Pendimethalin. Da Wildpflanzen für Tees und Arzneimittel oftmals aus „nicht-agrarischen“ Gebieten stammen, ist der Nachweis von Pendimethalin ein klares Indiz für Fernverwehungen. „Besonders spektakulär ist der Fund von Pendimethalin in Rundblättrigem Sonnentau in Lappland“, so Wehde.

„Wir brauchen endlich einen Politikwechsel, der zu einer deutlichen Senkung des Einsatzes von Pestiziden führt. In der Zulassung von Pestiziden muss endlich der Schutz derjenigen Bauern in den Fokus gerückt werden, die ohne chemisch-synthetische Pestizide wirtschaften. Das schützt auch die Bevölkerung vor Giftstoffen und ist gut für die Artenvielfalt, damit wieder mehr Wildpflanzen und Insekten unsere Kulturlandschaft bereichern“, so Plagge.

Die Fakten:

Seit nahezu einer Dekade gibt es Hinweise, dass die leichtflüchtigen Herbizidwirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb über weite Strecken transportiert werden können.

Dezember 2015: Systematischer Nachweis des Ferntransportes von Pendimethalin und Prosulfocarb durch eine Studie des Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg: https://www.bioland.de/fileadmin/dateien/HP_Dokumente/Pressemitteilungen/LUGV_Ferntransport.pdf

Oktober 2015: Das BMEL kündigte in einem Beschluss der Agrarministerkonferenz an, ein „umfassendes Monitoring von Pestizidwirkstoffen in der Luft“ erarbeiten zu wollen. Dieser Beschluss wird bis heute ignoriert, denn ein Monitoring wurde von Bundesbehörden weder geplant, geschweige denn umgesetzt. Beschluss siehe TOP 39 „Berücksichtigung der Ferntransporte bestimmter Pestizide wie Pendimethalin bei der Zulassung“: https://www.agrarministerkonferenz.de/documents/endgueltiges_ergebnisprotokoll_amk_fulda_2_1510304295.pdf

Juni 2016: Offener Brief von betroffenen Landwirten und Herstellern an BMEL und BVL, in dem auf den dringenden Handlungsbedarf hingewiesen wird, alle Möglichkeiten des BVL als nationale Zulassungsbehörde auszuschöpfen, um den Ferntransport bestimmter Pflanzenschutzmittel (PSM) einzuschränken: https://www.bioland.de/fileadmin/dateien/HP_Dokumente/Pressemitteilungen/160607_Unternehmerbrief_an_BVL_BMEL_-_Pestizidschaeden.pdf

März 2018: Bioland stellt allen Behörden (BMEL, BMU, BVL, UBA, JKI, BfR) eine Datensammlung zu Funden der beiden Herbizidwirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb zur Verfügung. Diese zeigt ein erschreckendes Ergebnis: Insgesamt 260 Funde in 60 Kulturen und Wildpflanzen wurden dokumentiert. Auch diese Datensammlung führt zu keinerlei Handlungen der zuständigen Behörden.

Absatzmengen steigen: Unterdessen sind die Mengen der beiden Wirkstoffe, die die Unternehmen Adama, BASF und Syngenta in Deutschland verkaufen, weiter gestiegen, bei Pendimethalin allein von 2014 auf 2016 um 4,2 Prozent auf 980 Tonnen, bei Prosulfocarb sogar um 45 Prozent auf 1.068 Tonnen. Nur ein Verbot der beiden Wirkstoffe in den Hauptanbaukulturen wie Getreide und Kartoffeln würde die ausgebrachte Menge und damit die Belastung für Biofelder deutlich reduzieren.

Zum Bioland-Verband

Bioland ist der bedeutendste Verband für ökologischen Landbau in Deutschland. Über 7.700 Landwirte, Gärtner, Imker und Winzer wirtschaften nach den Bioland-Richtlinien. Hinzu kommen mehr als 1.000 Partner aus Herstellung und Handel wie Bäckereien, Molkereien, Metzgereien und Gastronomie. Gemeinsam bilden sie eine Wertegemeinschaft zum Wohl von Mensch und Umwelt.

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