23.07.2015 | 18:00:00 | ID: 20760 | Ressort: Landwirtschaft | Forstwirtschaft

Bundeskartellamts-Position widerspricht gemeinwohlorientierter Waldbewirtschaftung

Stuttgart (agrar-PR) - Das Land Baden-Württemberg hat die weiteren Schritte im Kartellrechtsverfahren zum Holzverkauf und zur Struktur der Forstverwaltung mit den ebenfalls massiv betroffenen Kommunalen Landesverbänden besprochen.
Gemeinsam mit dem Landkreistag, dem Städtetag und dem Gemeindetag wurde vereinbart, dass die vorliegende Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes vom 9. Juli 2015 nicht akzeptiert werden kann und das Land deshalb dagegen gerichtlich vorgehen wird.

„Die vorliegende Untersagungsverfügung schadet dem Wald in Baden-Württemberg. Dies ist die einhellige Meinung der Kommunalen Landesverbände und der Landesregierung. Intensiven Gesprächen und weitreichenden Kompromissangeboten zum Trotz will das Bundeskartellamt nahezu alle forstlichen Tätigkeiten der Forstverwaltung für die nichtstaatlichen Waldbesitzenden stark einschränken“, sagte der baden-württembergische Forstminister Alexander Bonde am Donnerstag (23. Juli) nach einem Spitzengespräch mit den Kommunalen Landesverbänden in Stuttgart. Obgleich man sich im Herbst des vergangenen Jahres auf eine ausgehandelte Lösung verständigt und das Land eine mit weitreichenden Zugeständnissen gespickte Verpflichtungszusage abgegeben habe, komme es nach dem inakzeptablen Beschluss des Bundeskartellamtes nun zwangsläufig zu einer gerichtlichen Klärung vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf.

„Das Bundeskartellamt argumentiert einseitig und in sich widersprüchlich. Seine Position widerspricht einer gemeinwohlorientierten Waldbewirtschaftung“, betonte Minister Bonde. Das zeige beispielsweise die derzeitige extreme Trockenperiode mit der Notwendigkeit, den Wald vor Bränden zu schützen und eine drohende Borkenkäferplage durch intensive Überwachung und Befallskontrolle durch die Forstverwaltung abzuwehren.

Dem pflichtete der Präsident des Landkreistages, Landrat Joachim Walter, bei: „Wir werden nicht akzeptieren, dass das Bundeskartellamt den Aspekt der Daseinsvorsorge der Wälder mit ihrer ökologischen und sozialen Bedeutung weitgehend missachtet.“

Keine Strukturellen Änderungen ohne Rechtssicherheit

„Der Städtetag begrüßt, dass das Land zeitnah beim Oberlandesgericht Düsseldorf einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen und gegen den Beschluss fristgerecht Beschwerde einlegen wird. Dieser Weg wäre vermeidbar gewesen, wenn das Bundeskartellamt mit der Untersagungsverfügung nicht das zum Ende des letzten Jahres fixierte Verhandlungsergebnis und die darauf aufbauende Verpflichtungszusage des Landes nochmals verschärft hätte“, sagte das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm. „Für den nun auf dem Tisch liegenden Beschluss ist der Gang vor das Gericht die einzig richtige Reaktion.“ Ähnlich sieht dies auch der Präsident des Gemeindetages, Roger Kehle: „Wir brauchen einfach Rechtssicherheit. Ohne klare und rechtlich sichere Grundlagen ist es dem kommunalen Waldbesitz nicht möglich, die Weichen zur zukünftigen Ausgestaltung der Waldbewirtschaftung zu stellen. Aktionismus wäre jetzt fehl am Platz. Wir brauchen verlässliche Strukturen für den Wald“.

„Trotzdem ist das Land gezwungen, übergangsweise den gebündelten Nadelstammholzverkauf für nichtstaatliche Waldbesitzende mit einer forstlichen Betriebsfläche über 100 Hektar vorsorglich einzustellen, um den Kernforderungen des Bundeskartellamts zu begegnen und größeren Schaden vom Land und den betreuten Waldbesitzenden abhalten zu können. Eingriffe in die Struktur der Forstverwaltung werden wir aber aktuell nicht vornehmen“, erklärte Minister Bonde einen notwendigen Schritt im laufenden Verfahren.

Landkreistagspräsident Joachim Walter warb in diesem Zusammenhang für eine Übergangslösung: „Insbesondere mit dem Angebot kommunaler Holzverkaufsstellen übernehmen die Kreise ihre Verantwortung für nichtstaatliche Waldbesitzende und lassen sie in der schwierigen Phase bis zur gerichtlichen Klärung nicht allein. Zudem bleibt es unser gemeinsames Ziel, die Auswirkungen der nicht mehr abzuwendenden gerichtlichen Auseinandersetzung des Landes mit dem Bundeskartellamt insbesondere für die Vielzahl der Beschäftigten, die Waldbesitzenden aber auch für die nachgeschaltete Holz- und Sägeindustrie auf ein Minimum zu reduzieren“.

Gemeinsam betonten die Kommunalen Landesverbände, dass vorerst außer der übergangsweisen Verlagerung des Nadelstammholzverkaufs aus Kommunal- und Privatwäldern über 100 Hektar keine Veränderungen vorgenommen werden. „Wir brauchen Klarheit durch die Gerichte. Dies gilt besonders für den ersten Schritt. Wir müssen deshalb abwarten, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Frage des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidet. Wir werden das Verfahren wie auch in den vergangenen Monaten professionell begleiten. Wir sind uns der Verantwortung für unseren Wald bewusst“, sagten Heute-Blum, Kehle und Walter.

Hintergrundinformationen zum aktuellen Verfahrensstand:

Das Kartellverfahren zum Rundholzverkauf läuft seit dem Jahr 2012. Das Land hat stets einen konstruktiven Verhandlungsweg bestritten. Im Oktober 2014 schien dann der Durchbruch gelungen. Die Beteiligten hatten mit dem Kartellamt ein für alle Seiten akzeptables Lösungsmodell ausgehandelt, und das Land hat Ende November 2014 die vereinbarten Verpflichtungszusagen gegenüber dem Bundeskartellamt abgegeben.

Daraufhin hat das Bundeskartellamt mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 einen zweiten Beschlussentwurf zur Anhörung übersandt. In diesem wurden zwar die einvernehmlich ausgehandelten Verpflichtungszusagen des Landes überwiegend übernommen. Die rechtliche Bewertung des Bundeskartellamtes lief jedoch dem ausgehandelten Kompromiss in wesentlichen Punkten diametral entgegen. Der Beschlussentwurf war in sich völlig widersprüchlich und bot keinerlei Rechtssicherheit für das Land, die Kreise und die Waldbesitzenden.

Nach einem letzten Verhandlungsversuch mit dem Bundeskartellamt am 20. Januar 2015, bei dem das Kartellamt an seiner Sicht der Dinge festhielt, blieb dem Land letztlich keine andere Möglichkeit, als die abgegebenen Verpflichtungszusagen zurückzunehmen.

Mitte April 2015 hat das Bundeskartellamt dem Land und den weiteren Verfahrensbeteiligten daraufhin einen dritten Beschlussentwurf zur finalen Stellungnahme übersandt. Das Land hat nochmals umfangfrei vorgetragen, warum die Vorgaben im Beschlussentwurf für das Land nicht akzeptabel sind und nicht in dem geforderten Zeitraum umgesetzt werden können.

Das Bundeskartellamt hat dem Land am 15. Juli 2015 die Untersagungsverfügung zur gebündelten Rundholzvermarktung zugestellt. Das Bundeskartellamt hält weiterhin an seinem Rundumschlag gegen eine umfassende Beratung und Betreuung der körperschaftlichen und privaten Waldbesitzenden durch die Forstverwaltung fest und versucht neben der eigentlichen Nadelstammholzvermarktung nahezu sämtliche Tätigkeiten der Forstverwaltung im Nichtstaatswald über 100 Hektar zu untersagen. (mlr-bwl)
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