Ein buntes Spektrum verschiedenster Betriebe
zählt heute zum Kundestamm der Landberatung in Sachsen-Anhalt. 20 Jahre
nach der Wende hat sich die in Niedersachsen gegründete
Beratungsorganisation im Partnerland Sachsen-Anhalt etabliert. Im
Gespräch mit Dr. Friedrich Gottlieb Meyer zu Erbe, dem Gründungsvater
der Organisation und langjährigem Aufsichtsratsvorsitzenden, und
Geschäftsführer Dr. Wilfried Steffens zeichnen wir ein Stück
Wendegeschichte auf dem Land nach.
Keine acht Tage war 1989 die Grenze offen, erinnert sich Meyer zu
Erbe, da hat er sich als Vorsitzender der Landberatung Niedersachsen
mit seinen Vorstandskollegen erstmals auf Höfen in Sachsen-Anhalt
umgesehen. In Zusammenarbeit mit dem DDR-Landwirtschaftsministerium
hatte Berater Otto Strauß eine Informations- und Besichtigungsfahrt
organisiert. Viele Eindrücke nahmen die Niedersachsen mit nach Hause:
„Wir waren erstaunt über die gut ausgebildeten Betriebsleiter und wir
haben ihr Improvisationstalent bewundert, mit dem sie Mangelsituationen
auszugleichen wussten“, erinnert sich Meyer zu Erbe. Natürlich
imponierten den Niedersachsen auch die großen Flächen, wenngleich sie,
wie Meyer zu Erbe in Erinnerung ruft, „mit rabiaten Methoden“ zustande
gekommen waren.
Noch ein ganz anderer Eindruck blieb den
Niedersachsen ebenfalls im Gedächtnis haften. Die damaligen LPG-Leiter
waren ebenso hilflos vor dem, was die Zukunft ihnen wohl bringen würde,
wie die Menschen in den Dörfern. Die Landwirtschaft zählte in dem
sozialistischen Staat aus volkswirtschaftlicher Sicht zweifelsfrei zu
einer Vorzeigebranche. „Allen Verantwortlichen in den
Produktionsgenossenschaften war aber direkt klar, dass sie mit
erheblich weniger Personal als bis dahin in die Zukunft starten
müssten“, schildert Meyer zu Erbe die damals verbreitete Unsicherheit
in den ostedeutschen Dörfern.
Der Wunsch zu helfen
Beseelt von dem historisch einmaligen
Gedanken der Wiedervereinigung und dem konkreten Wunsch, den Menschen
auf dem Land in Sachsen-Anhalt helfen zu wollen, wurde in Niedersachsen
geplant und diskutiert. „Uns war rasch klar, dass wir das
niedersächsische Beratungssystem nicht eins zu eins transportieren
konnten“, verdeutlicht Meyer zu Erbe. Damit waren die Weichen für eine
privatwirtschaftlich organisierte Beratung gestellt. Auftrieb erhielt
die Idee nach Gesprächen mit dem damaligen Landwirtschaftsminister
Karl-Heinz Funke. Er sicherte einen Zuschuss in Höhe von 720.000 DM zu.
Niedersachsen engagierte sich als Partnerland von Sachsen-Anhalt
vielfältig in der Zeit nach der Wende, davon profitierte auch die
Landwirtschaft.
Schon im Dezember 1990 wurde die
Landberatung Sachsen-Anhalt GmbH als berufsständische
Beratungseinrichtung offiziell in Hannover aus der Taufe gehoben. Mit
im Boot waren und sind das Landvolk Niedersachen, die Data-Treuhand
OHG, die AG Landberatung, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, der
Landesverband der Maschinenringe und der Bundespächterverband. Erste
Aufträge hatte die Gesellschaft schon vorab akquiriert, erinnert sich
Geschäftsführer Dr. Wilfried Steffens. Im Februar 1991 bezog der erste
Berater ein Büro in Roßlau.
Alt gedienten und erfahrenen Beratern aus
Niedersachsen wurden bald Mitarbeiter aus Sachsen-Anhalt zur Seite
gestellt. Sie absolvierten die Beraterausbildung in Niedersachsen.
Junge Hochschulabsolventen ergänzten den Mitarbeiterstab, der zeitweise
auf 22 anstieg. Zurzeit beschäftigt die Landberatung Sachsen-Anhalt 18
Mitarbeiter an den Standorten Gardelegen, Groß Schwechten, Genthin,
Quedlinburg, Weißenfels und Wintersdorf.
Anschubfinanzierung vom Land
Die Anschubfinanzierung des Landes
Niedersachsen sorgte für einen schnellen und guten Start. Dabei wahrte
die Landberatung stets Neutralität zu den Berufsverbänden in
Sachsen-Anhalt, die sich teilweise heftige Auseinandersetzungen
lieferten. Der Kontakt zu beiden Verbänden schlug die Brücke zu neuen
Kunden, zufriedene Betriebsleiter empfahlen die Beratungsorganisation
weiter.
In den Anfangsjahren mussten die Berater
noch manche Probleme bewältigen, „die KTBL-Tabellen beispielsweise
waren für die LPG-Größenordnungen unterdimensioniert“, erinnert sich
Steffens. Der in Sachsen-Anhalt für den Einzelbetrieb gewährte Zuschuss
zur Beratung hatte viele Anbieter angelockt, dieser Wettbewerb war für
die berufsständische geprägte Landberatung zunächst ein ungewohntes
Pflaster. Die besten Ergebnisse, resümiert Geschäftsführer Steffens
schrieb die Landberatung zwischen 1993 und 1998.
Um die 500 Betriebe in der Größenordnung
von zehn bis 6.000 ha und mit einer Gesamtfläche von rund 20.000 ha
bilden heute den Kundenstamm. Ob Wiedereinrichter, egal ob aus Ost oder
West, LPG-Nachfolgebetriebe, juristische Personen oder auch
Niederländer, die sich in den neuen Bundesländern umtun: Sie alle
suchen Hilfe bei der Entwicklung ihrer Höfe. Noch vielfältiger sind die
Produktionsschwerpunkte: Reine Ackerbaubetriebe, Milchviehhalter,
Veredelungslandwirte, aber auch Spezialisten wie Gemüse- oder
Hopfenanbauer, Baumschulen, Winzer oder ein Tabakanbauer fragen den
Sachverstand der Landberatung nach. Spezialisten für alle diese
Produktionszweige hat das Unternehmen natürlich nicht. Es übernimmt die
betriebswirtschaftliche Beratung und vermittelt bei
produktionstechnischen Fragen zu Spezialberatern.
Mit Leistung überzeugt
Anfängliche Ängste, von den „schlauen
Wessis“ übernommen zu werden, sind durch fundierte Arbeit überwunden
worden, sagt Steffens. Meyer zu Erbe stuft allerdings einen Fehler der
Wiedervereinigung als irreparabel ein. Die große Zahl derjenigen
Bauern, die vom sozialistischen Regime enteignet wurden, hätte
zumindest einen Teil seiner Flächen zurück erhalten müssen. Das hätte
nach seiner Einschätzung auf dem Lande viele Spannungen vermeiden
können.
Neben dem Dienstleistungsangebot für die
Landwirte hat sich die Landberatung in Sachsen-Anhalt und angrenzenden
Bundesländern einen Namen bei Pachtkontrollen im Auftrag der
Bodenverwertungsgesellschaft (BVVG) gemacht. Für das
Landwirtschaftsministeriums in Magdeburg hat sie mehrfach
Evaluierungsarbeiten übernommen, um die Effizienz von EU-Förderungen zu
überprüfen. Dazu arbeitet die Organisation eng mit der Universität in
Halle zusammen und lässt dort die Auswertung machen. Über den
Pächterverband fungiert sie schließlich als Beratungsstelle für die
Berufsgenossenschaft.
Die Unterschiede zwischen den Betrieben
haben sich in den 20 Jahren seit der Wende nivelliert – sowohl in
Sachsen-Anhalt als auch im Vergleich zu Niedersachsen. Allerdings
stufen sowohl Steffens als auch Meyer zu Erbe in erster Linie die
kapitalintensiven Großbetriebe im Osten bei dünner Eigenkapitaldecke
als anfällig ein gegenüber Marktschwankungen, wie sie in jüngster Zeit
zunehmend auftreten. Viele engagierte Betriebsleiter haben sehr viel
investiert, nicht nur in Gebäude oder Maschinen, sondern auch in
Bodenkäufe. Diese Strukturentwicklung hat auch im Westen den Aufbruch
in ganz neue Größenordnungen befördert. In dem direkt nach der Wende
heftig umworbenen Markt für Beratungsdienstleistungen für
landwirtschaftliche Betriebe hat sich die Landberatung Sachsen-Anhalt
fest etabliert und die Entwicklung auf dem Land ein Stück weit mit
begleitet.