28.04.2011 | 16:25:00 | ID: 9256 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Blauzungenkrankheit: Gefahr steigt im Sommer - Tiere impfen lassen

Koblenz (agrar-PR) - Die Gefahr ist noch nicht gebannt: Die Blauzungenkrankheit ist mit einer flächendeckenden Impfung 2008 und 2009 erfolgreich eingedämmt worden.
Nach dem Ende dieser Pflichtimpfung ist der Impfschutz in Rinder-, Schaf- und Ziegenherden allerdings wieder deutlich gesunken. Das Landesuntersuchungsamt (LUA) rät Tierhaltern deshalb dringend, ihre Tiere vor dem Sommer freiwillig impfen zu lassen. Denn dann fliegen wieder die Mücken, die das Virus übertragen.

Noch vor wenigen Jahren galt die Blauzungenkrankheit in unseren Breiten als exotische Seuche. Wie der Erreger das Blue Tongue-Virus (BTV), nach Deutschland eingeschleppt wurde, ist nicht eindeutig geklärt. Das Virus wird durch stechende Insekten (Gnitzen) übertragen und ist für den Menschen ungefährlich. Zwar ist das Klima im nördlichen Europa für die Vermehrung des Blauzungen-Virus ungünstig, aber bei höheren Temperaturen im Sommer und Herbst kann sich das Virus auch in Nordeuropa verbreiten.

Die Krankheit tritt überwiegend im Sommer auf. Sie bricht nach einer Inkubationszeit von bis zu zwölf Tagen aus. Bei Schafen treten schwere Verläufe mit Atemproblemen, vermehrtem Speichelfluss sowie der typischen geschwollenen Zunge mit Blaufärbung auf, die zu Todesfällen führen. Bei Rindern verläuft die Symptomatik in der Regel milder. Sie erkranken mit Läsionen im Nasen- Flotzmaulbereich, am Euter und an den Zitzen. Außerdem treten Bindehautentzündungen, Kronsaumschwellungen ggf. in Verbindung mit Lahmheit oder Festliegen, Rückgang der Milchleistung bei Kühen und Deckunlust bei Bullen auf.

Die flächendeckende Pflichtimpfung in den Jahren 2008 und 2009 hat eine Ausbreitung der Blauzungenkrankheit gestoppt. Dadurch konnten erhebliche Leiden für die Tiere und große finanzielle Verluste für die Tierhalter verhindert werden. Dennoch muss weiterhin mit dem Auftreten der Seuche gerechnet werden.

Nach dem ersten Ausbruch der Blauzungenkrankheit (Blue Tongue, BT) im August 2006 hatte sich die Krankheit innerhalb eines Jahres explosionsartig über große Teile Deutschlands ausgebreitet. Das Geschehen ging ab August 2006 von den Niederlanden über die Kölner Bucht (Nordrhein-Westfalen), Rheinland-Pfalz auf ganz Deutschland über. Im September 2006 waren die ersten Betriebe im nördlichen Rheinland-Pfalz betroffen.

Weil das Blauzungenvirus über Insekten auch durch den Wind über große Entfernungen (100 Kilometer und mehr) getragen werden kann, müssen im Ausbruchsfall extrem weiträumig Maßnahmen ergriffen werden. Die Einrichtung von Restriktionsgebieten mit einem Radius von mindestens 150 km wurde erforderlich. Seit Januar 2008 ist ganz Deutschland Restriktionsgebiet, es müssen wie in den benachbarten Ländern Überwachungsprogramme durchgeführt werden. Ein Verbringen von empfänglichen Tieren (Wiederkäuern) darf grundsätzlich nicht bzw. nur unter Auflagen erfolgen.

Auf dem Höhepunkt des Seuchenzuges im Jahr 2007 waren allein in Rheinland-Pfalz viele tausend Tiere an der Blauzungenkrankheit erkrankt und etwa 1.300 Rinder sowie 5.300 Schafe daran gestorben. Deutschlandweit wurden ca. 20.000 BTV Fälle bei Rindern, Schafen und Ziegen sowie vereinzelt auch bei Gatterwild nachgewiesen.

Im Jahr 2008 zeichnete sich Dank der eingeführten Impfpflicht in Rheinland-Pfalz ein deutlicher Rückgang an Erkrankungen und Todesfällen bei den betroffenen Rindern, Schafen und Ziegen ab. In den Folgejahren 2009 und 2010 traten bis heute daraufhin keine Neuerkrankungen mehr auf. Im Jahr 2009 sind deutschlandweit allerdings noch 145 Fälle festgestellt worden.

Die Mitte Mai 2008 begonnene Impfung aller Wiederkäuer ab einem Alter von drei Monaten wurde 2009 fortgesetzt. Nach Herstellerangaben erzeugt bei Schafen eine einmalige Impfung jährlich einen belastbaren Impfschutz. Rinder und Ziegen müssen dagegen zur Grundimmunisierung (erste Impfung) zweimal jährlich im Abstand von drei bis vier Wochen geimpft werden, danach ist eine jährliche Wiederholungsimpfung erforderlich.

Gemeinsam mit den Tierhaltern, den Veterinärbehörden und den praktizierenden Tierärzten hat Rheinland-Pfalz durch die Impfung in 2008 und 2009 einen Schutzschild aufgebaut, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern, dadurch wurde ein hohes Sicherheitsniveau erreicht.

Da zugelassene Impfstoffe auf dem Markt sind und wegen der günstigen Entwicklung der Seuchenlage war es möglich, die Blauzungenimpfung in die Hände der Tierhalter zu geben. Die „Pflichtimpfung" wurde 2010 zur „freiwilligen Impfung".

Wichtig für den Schutz der Tiere ist, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der empfänglichen Tiere geimpft ist, damit das Virus nicht in der Population zirkulieren kann. Im Jahr 2009 wurden 80 % der Rinder (311.805 Tiere) in 5.471 Beständen und fast alle Schafe und Ziegen geimpft.

Die freiwillige Impfung führte allerdings 2010 zu deutlich weniger geimpften Tieren.

Der Impfschutz in der Population ist deutlich gesunken. Deshalb lautet der Appell für dieses Jahr:

Bitte die Tiere impfen lassen, die Gefahr steigt im Sommer!


Überwachungsmaßnahmen


Seit dem erstmaligen Auftreten der Blauzungenkrankheit im August 2006 laufen verschiedene Überwachungsprogramme in Rheinland-Pfalz. Es werden Rinder, Schafe und Ziegen im Rahmen von Handelsuntersuchungen sowie in Verdachtsfällen regelmäßig auf das Virus der Blauzungenkrankheit im Institut für Tierseuchendiagnostik des Landesuntersuchungsamtes (LUA) untersucht.

Um Aufschluss über die Verbreitung der Erkrankung zu bekommen, wurde im Januar 2007 zunächst ein Monitoring-Programm gestartet: Im nördlichen Rheinland-Pfalz wurden von Februar bis August in 70 ausgewählten Betrieben Blutproben von 20 Rindern monatlich auf Antikörper gegen das Blauzungenvirus (BT-V) untersucht. Im südlichen Landesgebiet wurden bis Ende März 2007 von 3.192 Rindern in 244 Betrieben serologische Untersuchungen durchgeführt.

An zehn Standorten wurden in den Jahren 2007/2008 Mückenfallen aufgestellt, um die übertragenden Gnitzen zu fangen. Wissenschaftliche Sachverständige im Institut für Zoomorphologie, Zellbiologie und Parasitologie in Düsseldorf untersuchten die gefangenen Mücken. Vor allen in den Monaten September und Oktober konnte das Virus in den Gnitzen festgestellt werden.

Neben den Hauswiederkäuern können auch Wildwiederkäuer von BTV befallen werden. Um die Verbreitung der Erkrankung bei Wildwiederkäuern besser einschätzen zu können, hat sich Rheinland-Pfalz seit 2009 an einem vom Nationalen Referenzlabor am Friedrich-Loeffler-Institut empfohlenen bundesweiten Wildtier-Monitoring beteiligt. Blutproben von erlegten oder verendeten Wildwiederkäuern aus dem „Beritt" von elf Forstämtern in acht Landkreisen wurden zur Untersuchung ins Landesuntersuchungsamt gesandt. Im November und Dezember 2009 wurden Proben von insgesamt 145 Wildwiederkäuern untersucht, darunter Rotwild (112), Rehwild (20), Damwild (11) und Muffelwild (2). Das BT-Virus wurde durch die molekularbiologische Untersuchung nicht nachgewiesen. Im Jahr 2010 wurden Proben von insgesamt 209 Wildwiederkäuern untersucht, darunter Rotwild, Rehwild und Muffelwild. Bei den Wildtieren gab es keinen Hinweis auf eine stattgefundene BTV-8 Infektion im Sommer 2010, ein Virus wurde nicht nachgewiesen.


Serotypen breiten sich in Europa aus

Neben dem in Deutschland bisher nachgewiesenen BT-Virus vom Serotyp 8 muss auch mit dem Auftreten anderer Serotypen gerechnet werden. So breitete sich im Sommer 2009 in Frankreich das BT-Virus vom Serotyp 1 von Süden kommend in nordöstlicher Richtung aus. In Belgien und Nordrhein-Westfalen wurden vereinzelte Fälle von BT-Virus-Infektionen vom Serotyp 6 nachgewiesen. Um das Auftreten anderer Serotypen in Deutschland feststellen zu können, wurde die Diagnostik nach Empfehlungen des Nationalen Referenzlabors angepasst. Die molekularbiologische Untersuchung zum Nachweis der Erbsubstanz des Erregers ist jetzt so ausgerichtet, dass sie alle bekannten Serotypen des Erregers erfasst. Im Falle eines positiven Ergebnisses werden weitere molekularbiologische Untersuchungen zum Nachweis der Serotypen 8, 1 und 6 angestellt.


Der Tierhalter in der Verantwortung

Neben der Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit ist auch der grenzüberschreitende Transport von Tieren in der Europäischen Gemeinschaft per Verordnung geregelt. Sie räumt Mitgliedsstaaten beim Verbringen von Tieren das Recht ein, Impfnachweise zu fordern. Wenn ein Tier in D geimpft wird, dann ist dies vom Impftierarzt in der zentralen Datenbank des Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere (HI-Tier) zu vermerken. Ohne diesen Nachweis können die Tiere in anderen Mitgliedsstaaten meist gar nicht vermarktet werden. Auch viele Drittstaaten fordern einen Impfnachweis.

Möchte ein Tierhalter seine Tiere verbringen, dann muss er sich genau erkundigen, welche Bedingungen das aufnehmende Land vorschreibt, um sich vor ggf. wirtschaftlichen Schäden zu schützen. Er trägt im Falle von Beanstandungen der Sendung durch den Empfangsmitgliedstaat das Risiko. Bei den Bedingungen handelt jeder Mitgliedstaat scheinbar ziemlich autonom und nicht immer gemäß der offiziellen EU-Rechtslage.


Wie geht es weiter?

Es bleibt zu hoffen, dass auch durch die nunmehr freiwillige Impfung der empfänglichen Tiere ein ausreichender Schutz in der Population aufrecht erhalten werden kann und Deutschland vor der Einschleppung weiterer BT-Virus-Serotypen verschont bleibt. Für die Gnitzenbekämpfung stehen derzeit keine wirksamen Repellentien zur Verfügung, welche die Übertragung der Blauzungenkrankheit durch infizierte Gnitzen sicher verhindern können. Die Stallhaltung von Rindern, Schafen und Ziegen bietet keinen zuverlässigen Schutz vor Gnitzenbefall und Übertragung von BTV 8.

Ziel ist, die BTV-Erregerfreiheit in Deutschland zu erreichen; bei weiterer Erregerfreiheit, wird voraussichtlich 2012 ein Antrag bei der Europäischen Kommission zur Befreiung von den Restriktionsmaßnahmen gestellt. Das würde auch eine wesentliche Erleichterung für den Handel bedeuten.


Fazit:

Empfehlung: Lassen Sie Ihre Rinder, Schafe und Ziegen impfen!

Die Blauzungenkrankheit ist eine anzeigepflichtige Tierseuche, Verdachtsfälle müssen der zuständigen Veterinärbehörde gemeldet werden.

Laboruntersuchungen auf anzeigepflichtige Tierseuchen in Rheinland-Pfalz werden ausschließlich im Landesuntersuchungsamt durchgeführt. (lua-rlp)
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