Deutschlands Schweinehalter wollen die schwierige Phase auf dem
Markt hinter sich lassen. Die Branche habe sich als „robust“ erwiesen,
verbreitete Franz-Josef Möllers auf dem Veredelungstag des Deutschen
Bauernverbandes in Münster Optimismus. Und offensichtlich hat die
gesamte Kette ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis gestellt und
zusätzliche Marktanteile erobern können.
Möllers, Präsident des Westfälischen Landwirtschaftsverbandes und im
Deutschen Bauernverband für die Veredlung zuständig, führte dies auch
auf die Unterstützung der Politik zurück. Diese Position solle nun
erhalten gefestigt und ausgebaut werden, spornte er gemeinsam mit
Landvolk-Vizepräsident Franz-Josef Holzenkamp die mehr als 700
Teilnehmer des Veredlungstages an. Die deutschen Landwirte dürften nun
nicht mit weitren Auflagen überzogen werden. Auch EU-Vorgaben müssten
streng nach der Formel 1:1 in deutsches Recht umgesetzt werden, um in
offenen Märkten gleiche Wettbewerbsbedingungen zu garantieren. Möllers
sprach mit Blick auf den Tierschutz-TÜV von einem „Sündenfall“ und
befürchtete in dem aktuell diskutierten Stickstoff-Leitfaden einen
„Investitionskiller“. „Das Ding muss vom Tisch“, beschied Möllers
knapp. Als wichtigsten Auftrag für die neue Bundesregierung bezeichnete
Möllers die Einführung einer Risikoausgleichsrücklage für Landwirte.
Keine Tricksereien
Zu dem Thema Gentechnik bekundete Möllers die Bereitschaft der
Schweinehalter zu einer offenen und verständlichen Deklaration „ohne
Tricksereien“, die den gesamten Prozess umfassen solle. Ziel der
Landwirte sei es außerdem, auf die Ferkelkastration zu verzichten, dazu
müssten aber alle in der Branche die Lösungen gemeinsam erarbeiten und
voran bringen. Ein gespaltener Markt wurde auch von den Vertretern der
drei größten deutschen Schlachtunternehmen, Tönnies, Westfleisch und
Vion, als wenig zielführend bezeichnet.
Als Erfolgsgeschichte bezeichneten Prof. Dr. Werner Zwingmann aus
dem Bundeslandwirtschaftsministerium und Dr. Dietmar Weiß von der
Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) die Exportbilanz der
deutschen Schweinemäster. Seit 2005 sind die Ausfuhren höher als die
Einfuhren, Weiß sah auch für die Zukunft noch Potenzial und Kapazitäten
für ein weiteres Wachstum. Mit 26,2 Mio. Schweinen wurden im ersten
Halbjahr 2009 zwar nicht ganz so viele Schweine gemästet wie 2008 mit
54,8 Mio. Tiere im gesamten Jahr, aber „ohne Exporte geht es nicht“,
sagte Zwingmann. Als wichtige Zielregionen stuften er und Weiß
Russland, Südafrika und Asien ein. Das große Interesse Russlands an
Lebendtierimporten sah Zwingmann aus Tierschutzgründen kritisch. Die
höheren Erlöse machten den Markt jedoch attraktiv. Bei nur 10 ct/kg
mehr für die Schlachttiere auf dem hiesigen Markt gingen die Schweine
als Fleisch nach Russland, spornte Zwingmann die Schlachtunternehmen an.
Komplexe Vorschriften
Kritische Komponente bei den Exporten sind Bestimmungen zu
Tiergesundheit und Hygiene. Sie würden immer komplexer und weniger
vorhersehbar, fasste Zwingmann zusammen. Exporterfolge seien daher
untrennbar mit dem Schutz vor Tierseuchen, absoluter Hygiene in allen
Bereichen der Lebensmittelkette und rückstandsfreier Ware verbunden.
Der Grundstock dazu wird, wie Prof. Dr. Andreas Hensel vom
Bundesinstitut für Risikobewertung sehr anschaulich darlegte, im Stall
gelegt. Nach Umweltproblemen stuften die deutschen Verbraucher
Lebensmittelskandale als größte Bedrohung ein. Hensel nahm den
Verbraucher selbst für hygienisch einwandfreie Lebensmittel mit in die
Verantwortung, sah aber speziell bei Zoonosen die Landwirte als
wichtigen Part. Die schnelle Vermehrungsrate etwa von Salmonellen berge
hier das größte Risiko. Hensel sah die klassischen Maßnahmen wie
absolute Sauberkeit im Stall und entsprechende Selektion in der Zucht
als Mittel der Wahl, wenngleich über Impfungen zu wenig diskutiert
werde. Zudem machte er sich nach dem Motto „kurze Wege, wenig
Salmonellen“ für kurze Transportwege stark. Zum Schluss hatte er noch
ein Lob für die Landwirte parat: Die Lebensmittelkrisen der vergangenen
zehn Jahre waren alle auf kontaminierte Futtermittel zurück zu führen.
Die Landwirtschaft war nicht Verursacher, aber Leidtragender.
Um Akzeptanz werben
Vor ganz neuen Herausorderungen sah Johannes Röring vom
Westfälischen Landwirtschaftsverband die Veredelungsbetriebe. Sie seien
auf „ausgewogene Regeln“ seitens der Politik angewiesen, um den
Betrieben nicht die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Er
bezeichnete den Stickstoffleitfaden als „fachlich fragwürdig“ und zudem
überflüssig, wenn behördeninternen besser zusammengearbeitet würde.
Zusätzlich sah er die Tierhalter in der Pflicht, den Tierschutz weiter
voran zu bringen, um die Akzeptanz der Bevölkerung zu behalten. Wenn
der Landwirtschaft in der Region die Akzeptanz fehle, könne sie sich
nicht weiter entwickeln.
Perfekter Gastgeber des Tages war die Agravis, als Vorlieferant und
Marktpartner im Absatzgeschäft eng mit der Landwirtschaft verbunden.
Das Futtermittelgeschäft beispielsweise bezeichnete
Vorstandsvorsitzender Clemens Große Frie als „regionales Geschäft“, für
das Nähe zum Kunden wie zum Tierbestand gleichermaßen wichtig sei. Aber
bei lokaler Produktion würden die Preise international gemacht. Und in
dem Punkt gibt es zur Landwirtschaft kaum noch Unterschiede.