11.03.2011 | 12:30:00 | ID: 8572 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Fachbeitrag für Tierhalter: Kälberdurchfall ist Problem in Beständen

Koblenz (agrar-PR) - Durchfallerkrankungen sind seit vielen Jahren unverändert die Hauptursache von Verlusten bei Kälbern im Alter von 1 - 3 Wochen.

Als Ursachen für Kälberdurchfall kommen virale, bakterielle und parasitäre Erreger, aber auch Fehler im Tränkemanagement in Frage. Der Rindergesundheitsdienst des LUA informiert, wie Erkrankungen vermieden werden können.

Durchfallerkrankungen sind seit vielen Jahren unverändert die Hauptursache von Verlusten bei Kälbern im Alter von 1-3 Wochen. Als Ursachen für Kälberdurchfall kommen vor allem virale, bakterielle und parasitäre Erreger, aber auch Fehler im Tränkemanagement in Frage.

Um einen Überblick zur aktuellen Erregersituation im Bestand zu erhalten, sollten bei einem Auftreten von Kälberdurchfall Kotproben von frisch erkrankten und bisher unbehandelten Tieren entnommen werden. Die Probennahme sollte mit Hilfe eines Handschuhs stets aus dem Enddarm und nicht vom Boden erfolgen, um eine Kontamination mit Umweltkeimen zu vermeiden. Die Proben sollten bis zum Versand zur virologischen, parasitologischen und bakteriologischen Untersuchung am Landesuntersuchungsamt in Koblenz kühl aufbewahrt werden.


Bakterielle und virale Erreger – ein Problem der Kolostrumversorgung

Bei einem Nachweis viraler oder bakterieller Erreger (Rotaviren, Coronaviren, Escherichia coli) stellt sich als erstes immer die Frage nach einer zufriedenstellenden Kolostrumversorgung.

Neugeborene Kälber müssen innerhalb von sechs Stunden nach der Geburt Kolostrum erhalten. Innerhalb der ersten zwei Lebensstunden sollte möglichst viel Biestmilch (1-2 Liter) vertränkt werden. Je eher die Tiere getränkt werden, desto mehr Antikörper können ins Blut aufgenommen werden. Ab etwa acht Stunden nach der Geburt sinkt die Durchlässigkeit der Darmschranke für die kolostralen Antikörper rapide. Kälber, die die Kolostrumaufnahme verweigern, müssen zwangsgetränkt werden. Für Kälber geeignete, spezielle Drenchbestecke (Calf Drencher®, Bovivet) können über den Fachhandel oder den Hoftierarzt bezogen werden.

Mit Hilfe eines Kolostrometers (Biestmilchspindel, vgl. Abbildung 1-3 am Ende des Textes) kann objektiv die Qualität des Kolostrums bestimmt werden. Es wird in das Erstgemelk eingetaucht und zeigt nach dem Ampelprinzip auf einer Skala den Gehalt des Kolostrums an Antikörpern an. Kolostrum von guter Qualität sollte für Notfälle in Gefrierbeuteln eingefroren werden. Kolostrometer können über den Fachhandel oder den Hoftierarzt bezogen und je nach Eichung für bereits abgekühltes oder noch körperwarmes Kolostrum verwendet werden.

Zur Verbesserung des Antikörpergehalts des Kolostrums und Prophylaxe von E. coli-, Rota- oder Coronavirusinfektionen empfiehlt sich eine Muttertierschutzimpfung zum Zeitpunkt des Trockenstellens, die in jeder Trächtigkeit zu wiederholen ist. Der Einsatz eines Impfstoffs zur oralen Immunisierung neugeborener Kälber ist nicht mehr zulässig und nach heutigem Kenntnisstand auch nicht sinnvoll, da dieser nur lokal im Darm wirkt und den Antikörperspiegel im Blut nicht positiv beeinflusst.


Parasitäre Erreger – ein Hygieneproblem

Parasitäre Erreger (Kryptosporidien) können dagegen auch bei einer optimalen Kolostrumversorgung nachgewiesen werden und sind stets als Hygieneproblem zu werten.

Kryptosporidien sind im Gegensatz zu viralen und bakteriellen Erreger von Kälberdurchfall gegenüber fast allen handelsüblichen Desinfektionsmitteln unempfindlich. Zudem können sie bei geeigneten Bedingungen bis zur 4 Monate in der Umgebung der Tiere überleben.

Bei einem Nachweis von Kryptosporidien muss deswegen sofort auf ein wirksames Desinfektionsmittel wie z. B. p-Chlor-m-Kresol umgestellt werden (Neopredisan®, Menno-Chemie). Mit Halofuginon (Halocur®, Intervet Deutschland) steht darüber hinaus ein sowohl therapeutisch als auch prophylaktisch mit gutem Erfolg einsetzbarer Wirkstoff zur Verfügung.


Reinigung und Desinfektion – der Schlüssel zum Erfolg bei ansteckendem Kälberdurchfall

Hygienische Haltungsbedingungen sind zur Prophylaxe von ansteckendem Kälberdurchfall unverzichtbar. Geeignete Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen können zwar keine völlige Erregerelimination erreichen, jedoch den Infektionsdruck gravierend senken und in Kombination mit einem optimalen Kolostrummanagement Kälberdurchfall wirksam vorbeugen.

Neugeborene Kälber sollten nach der Geburt so schnell wie möglich von ihrer Mutter getrennt werden, um einen Kontakt mit Erregern aus der Abkalbebox oder dem Kot des Muttertieres zu minimieren. Die Abkalbebox sollte in regelmäßigen Abständen gereinigt und desinfiziert werden, um die Bildung eines Erregerreservoirs zu verhindern. Die sofortige Trennung von Kuh und Kalb hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Kolostrumaufnahme genau überwacht werden kann. Neugeborene Kälber sollten bis zu einem Alter von zwei Wochen einzeln und ohne direkten Kontakt zu Artgenossen in Einzelboxen bzw. –Iglus mit befestigter Standfläche gehalten werden. Jedes Kalb sollte seinen eigenen Nuckeleimer haben.

Die Reinigung der Einzelboxen bzw. –Iglus muss mit einem Dampfstrahlgerät bei einer Temperatur von mindestens 65°C erfolgen und auch die Standfläche umfassen. Zur Desinfektion sollten Mittel verwendet werden, die gemäß Deklaration gegen Viren und Bakterien bzw. Kryptosporidien wirksam sind. Geeignete Desinfektionsmittel sind in der Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) aufgeführt.


Kälberdurchfall ohne Erregernachweis – ein Problem des Tränkemanagements

Das bestandsmäßig gehäufte Auftreten von Kälberdurchfall ohne einen Erregernachweis deutet in der Regel auf Fehler im Bereich des Tränkemanagements hin.

Erkrankungen treten in diesem Fall meist zu einem untypischen Zeitpunkt und in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit Veränderungen im Tränkemanagement auf. Neben Fehlern bei der Einstellung der Temperatur und Konzentration der Tränke werden bei der Auswahl des für die jeweilige Altersgruppe geeigneten Milchaustauschers die meisten Fehler gemacht.

Nach der Biestmilchphase sollte zunächst ein Magermilchaustauscher mit möglichst hohem Magermilchanteil oder auch ein Nullaustauscher mit Milch- oder Molkenprotein als alleiniger Eiweißquelle verwendet werden. Kälber im Alter bis 3 Wochen können Pflanzenproteine, wie sie häufig als Ersatz für tierische Proteine in Nullaustauschern eingesetzt werden, extrem schlecht verdauen. Dies führt gehäuft zu Blähungen und Durchfällen. Daher sollten Nullaustauscher mit einem gewissen Pflanzenproteinanteil ausschließlich bei älteren Kälbern vertränkt werden. In jedem Fall sollten jedoch gut verdaulichen Proteinquellen (Sojaproteinkonzentrat, -isolat) gegenüber schlechter verdaulichen (Sojafeinmehl, Kartoffelprotein) der Vorzug gegeben werden. Da das Immunsystem neugeborener Kälber im Alter von 2-3 Wochen noch nicht seine volle Funktionsfähigkeit erreicht hat und jede Veränderung Stress für die Tiere nach sich zieht, sollte die Umstellung auf einen anderen Milchaustauscher möglichst erst im Alter von 4 Wochen erfolgen.

Das Anmischen des Milchaustauschers gemäß den Empfehlungen des Herstellers ist eine weitere Vorraussetzung für eine ordnungsgemäß und ohne Durchfälle ablaufende Verdauung. Die Angaben des Herstellers zur Dosierung dürfen nicht variiert werden, da es bei einer zu geringen oder zu hohen Konzentration des Milchaustauschers zu Verschiebungen im Verhältnis der enthaltenen Elektrolyte kommt, was neben Kälberdurchfall auch Erkrankungen anderer Organsysteme nach sich ziehen kann. Milchaustauscher sollten bei einer Temperatur von 43°C angemischt und mit 40°C vertränkt werden.


Therapeutische Maßnahmen bei Kälberdurchfall

Bei infektiösem Kälberdurchfall kommt es durch die totale Zerstörung der Dünndarmzotten zu einer Beeinträchtigung der Verdauung und Störung der Aufnahme von Nahrungsbestandteilen ins Blut. Diese Nahrungsbestandteile, u. a. auch Elektrolyte, verbleiben im Darm, sind osmotisch wirksam und ziehen Wasser aus dem Gewebe in das Darminnere. Ähnlich lässt sich das Auftreten von Durchfall bei Fehlern im Tränkemanagement erklären, da es auch hier zu einer Störung der Verdauung und der Aufnahme von Nahrungsbestandteilen kommt.

Erkrankte Tiere verlieren bis zu sieben Liter Wasser und Elektrolyte pro Tag über den Darm und erleiden damit einen massiven Flüssigkeitsverlust, der bis zur vollständigen Erneuerung der Darmschleimhaut ausgeglichen werden muss. An Kälberdurchfall erkrankte Tiere müssen zusätzlich zur Milchtränke, die auf drei Gaben à zwei Liter aufgeteilt werden sollte, uneingeschränkt Zugang zu einer Elektrolytlösung haben.

Neben dem massiven Flüssigkeitsverlust tritt bei Kälberdurchfall auch immer gleichzeitig ein mehr oder weniger ausgeprägter Energiemangel auf, der zu einem Absinken der Körpertemperatur führt. Aus diesem Grund darf die Milchtränke auf gar keinen Fall abgesetzt werden, da sie den Kälbern über das Milchfett den Großteil der notwendigen Energie liefert. Elektrolytlösungen dürfen ausschließlich als Zwischentränke zwischen den Milchtränken eingesetzt werden. An Kälberdurchfall erkrankte Tiere sollten zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur möglichst eine Wärmelampe zur Verfügung gestellt bekommen.

Der Grad des Flüssigkeitsverlustes kann anhand der Dauer bis zum Verstreichen einer am Hals gezogenen Hautfalte, der Einsinktiefe der Augäpfel, des Stehvermögens und der Körperoberflächentemperatur abgeschätzt werden (vgl. Übersicht 2). Tiere mit einem mittel- oder hochgradigen Flüssigkeitsverlust müssen in jedem Fall so schnell wie möglich dem Hoftierarzt vorgestellt werden. In diesen Fällen kann der Flüssigkeitsverlust durch den Durchfall über die orale Aufnahme von Elektrolytlösungen allein nicht mehr ausgeglichen werden und die Durchführung einer Infusion ist notwendig.

Für weitergehende Fragen wenden Sie sich bitte an Ihren Hoftierarzt oder den Rindergesundheitsdienst des Landesuntersuchungsamtes Koblenz.


Übersicht 1: Strategisches Vorgehen bei Kälberdurchfall als Bestandsproblem

Kotuntersuchung einleiten (Rotaviren, Coronaviren, Kryptosporidien, Escherichia coli) Kolostrumversorgung sichern (Kolostrumgabe so schnell und so viel wie möglich von bester Qualität: mind. 2 Liter Kolostrum in den ersten zwei Lebensstunden) Infektionsketten unterbrechen (Reinigung mit Dampfstrahler über 65°C, Desinfektion mit wirksamem Desinfektionsmittel) Tränkemanagement überprüfen (geeigneter Milchaustauscher, korrekte Konzentration, optimale Tränketemperatur) (lua-rlp)

 

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