31.01.2022 | 11:16:00 | ID: 32207 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Mehr Tierwohl bei Wildtier-Narkosen

Wien (agrar-PR) - Zur Behandlung und Untersuchung von Wildtieren ist es häufig nötig, diese zu narkotisieren. Dafür müssen bei vielen Wildtierarten höhere Dosierungen, oder potentere Narkosemittel als beim Haustier angewendet werden. Damit sind allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen verbunden, beispielsweise Atemdepression bei der Gabe von hoch-potenten Opioiden oder ausgeprägte kardiovaskuläre Nebenwirkungen, wie Bluthochdruck oder verminderte Herzfrequenz in Verbindung mit hochdosierten Sedativa. Zwei aktuelle Studien des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni zeigen nun, dass sich das Nebenwirkungsprofil deutlich verbessern lässt – und zwar durch die gleichzeitige Gabe von gezielt auf dem Signalweg von Zellen wirkenden Substanzen. Laut den Forscher:innen ist dies ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Tierwohls.
Die durch hoch-potente Opioide hervorgerufene Atemdepression ist nach wie vor eine große Herausforderung bei Wildtieren, die mit Etorphin immobilisiert werden. Selektive Serotonin-Agonisten sind aber eine mögliche Option zur Vorbeugung oder Behandlung einer solchen Atemdepression. Das zeigt eine Studie der Vetmeduni, die in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien und der Universität Pretoria (Südafrika) entstand. Das zentrale Ergebnis der Studie: BIMU-8, ein selektiver 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor-4-(5-HT4)-Agonist, reduzierte die Opioid-induzierte Atemdepression bei Etorphin-immobilisierten Ziegen (Capra aegagrus hircus) deutlich.

BIMU-8: Vielversprechender Wirkstoffkandidat gegen Etorphin-induzierte Atemdepression

Konkret schwächte die intravenöse Injektion von BIMU-8 die durch Etorphin induzierte Atemdepression ab, wie Verbesserungen der Atemfrequenz, der peripheren arteriellen Hämoglobinsauerstoffsättigung (SpO2), des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks (PaO2) und des alveolo-arteriellen Sauerstoffpartialdruckgradienten (P(A-a)O2) zeigen. Ein durch BIMU-8 verursachter simultaner Anstieg der Herzfrequenz und ein vorübergehender Abfall des arteriellen Blutdrucks sollen in weiteren Studien noch untersucht werden.

„Ohne die Immobilisierung aufzuheben, reduzierte BIMU-8 die durch Etorphin induzierte Atemdepression und verbesserte den Gasaustausch in den Lungen und somit die Sauerstoffversorgung des Blutes, das Auftreten einer Hyperkapnie (erhöhter Kohlendioxidgehalt im Blut, Anm.) wurde dadurch vermindert. Diese Wirkungen weisen darauf hin, dass BIMU-8 ein guter Wirkstoffkandidat für die Behandlung oder Prävention von Etorphin-induzierter Atemdepression bei immobilisierten Wildtieren sein könnte“, betont Studien-Erstautorin Gabrielle Stalder vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni.

Vatinoxan reduziert kardiovaskuläre Nebenwirkungen bei Medetomidin-Tiletamin-Zolazepam

In einer weiteren internationalen Studie unter der Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien, in Kooperation mit der Universität Pretoria und der Universität Helsinki, wurde untersucht, wie sich die Anästhesie mit dem Sedativum Medetomidin in Kombination mit dem Narkotikum Tiletamin-Zolazepam verbessern lässt. Diese Kombination wird häufig zur Narkotisierung von nicht domestizierten Säugetieren verwendet. Die Anwendung von Medetomidin ist jedoch mit ausgeprägten kardiovaskulären Nebenwirkungen wie verminderte Herzfrequenz und erhöhter Blutdruck sowie vermindertem Herzzeitvolumen verbunden. Anhand von mit Medetomidin-Tiletamin-Zolazepam (MTZ) anästhesierten Wildschweinen (Sus scrofa) untersuchten die Forscher:innen, wie sich die gleichzeitige Gabe des peripher wirkenden Alpha-2-Adrenozeptor-Antagonisten Vatinoxan auswirkt.

Verbesserte Wildtiernarkosen

Laut Studien-Letztautorin Gabrielle Stalder kann Vatinoxan Nebenwirkungen von kardiovaskulär wirksamen Sedativa, insbesondere Bluthochdruck, bei mit MTZ immobilisierten Wildschweinen reduzieren: „Die intravenöse Verabreichung von Vatinoxan reduzierte den systemischen und pulmonal-arteriellen Bluthochdruck, der durch Medetomidin hervorgerufen wurde, bei Wildschweinen signifikant.“ Auch die verminderte Herzfrequenz bei MTZ-anästhesierten Wildschweinen wurde wirksam umgekehrt, allerdings nur kurzfristig.

Das erfreuliche Resümee von Stalder zu den beiden Studien: „In Summe zeigen unsere Daten, dass sowohl BIMU-8 als auch Vatinoxan das Potenzial haben, Wildtiernarkosen und das damit verbundene Tierwohl deutlich zu verbessern.“

Service:
Der Artikel „Investigation of cardiorespiratory effects of the selective 5-HT4 agonist BIMU-8 in etorphine-immobilised goats (Capra aegagrus hircus) in a randomized, blinded and controlled trial“ von Nadine Tod, Gabrielle Stalder, Hanna Rauch, Stefan Böhmdorfer, Anna Haw, Hanno Gerritsmann, Johanna Painer und Leith Meyer wurde in „Veterinary Record“ veröffentlicht. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33908044/

Der Artikel „Cardiovascular effects of intravenous vatinoxan in wild boars (Sus scrofa) anaesthetised with intramuscular medetomidine-tiletamine-zolazepam“ von Joy Einwaller, Leith C. R. Meyer, Ulrike Auer, Marja Raekallio, Julia Nowack, Anna Haw, Sebastian Vetter, Johanna Painer und Gabrielle Stalder wurde ebenfalls in „Veterinary Record“ veröffentlicht. https://bvajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/vetr.835

Über die Veterinärmedizinische Universität Wien:
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni beschäftigt 1.500 Mitarbeiter:innen und bildet zurzeit 2.500 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Lehr- und Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich und eine Außenstelle in Tirol gehören ebenfalls zur Vetmeduni. Die Vetmeduni spielt in der globalen Top-Liga mit: 2021 belegte sie den exzellenten Platz 8 im weltweiten Shanghai-Hochschulranking im Fach „Veterinary Science". www.vetmeduni.ac.at

Rückfragehinweise:
Dr.med.vet. Gabrielle Stalder
Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI)
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)
Gabrielle.Stalder@vetmeduni.ac.at
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