15.12.2011 | 11:10:00 | ID: 11668 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Minister Backhaus spricht im Landtag zum Antibiotikaeinsatz bei Tierhaltungen

Schwerin (agrar-PR) - Agrarminister Dr. Till Backhaus hat gestern zum Antrag der Fraktionen der SPD und CDU "Strategie zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in Tierhaltungen in Mecklenburg-Vorpommern" im Landtag gesprochen.
"In den vorliegenden Studien zum Antibiotikaeinsatz bei Masthähnchen wird sowohl die Anzahl der Behandlungen als auch die Anzahl der eingesetzten Wirkstoffe dargelegt und kritisch hinterfragt. Solche Studien werfen berechtigte Fragen der Verbraucher auf, ob die Lebensmittelsicherheit für Geflügelfleisch insbesondere hinsichtlich der Rückstandsproblematik gegeben ist.

Im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplanes werden regelmäßig Tierkörper und Trinkwasser bei Betriebskontrollen entnommen und untersucht. Alle Tiere werden vor Erteilung der Schlachterlaubnis vom amtlichen Tierarzt untersucht. Bei Geflügel erfolgt die Untersuchung der zur Schlachtung anstehenden Herde üblicherweise im Herkunftsbetrieb.

Neben der Gesundheitsbescheinigung des amtlichen Tierarztes muss der Tierhalter mit der verbindlich vorgegebenen Lebensmittelketteninformation versichern, dass im Zeitraum von sieben Tagen vor der Schlachtung keine Wartezeiten für Tierarzneimittel bestanden und keine Behandlungen durchgeführt wurden.

Im Schlachtbetrieb werden im Rahmen der Fleischuntersuchung weitere Proben zur Rückstanduntersuchung entnommen.

In Mecklenburg-Vorpommern sind bei den Betriebsüberprüfungen 2011 insgesamt 61 Proben und zusätzlich im Schlachtbetrieb über 400 Proben auf Rückstände untersucht worden. In keinem Fall konnten Rückstände nachgewiesen werden!

Diese Ergebnisse zeigen, dass das in den Mastanlagen erzeugte Geflügelfleisch als sicher bezüglich der Rückstandsbelastung mit antibiotischen Stoffen eingestuft werden kann.

Kritisch zu hinterfragen ist der Antibiotikaeinsatz aus anderen Gründen.

Behandlungen müssen auf das absolut notwendige Maß beschränkt werden. Es kann nicht angehen, dass Struktur und Haltungsbedingungen nur in Ausnahmefällen eine behandlungsfreie Aufzucht und Mast zulassen. Statt den Ursachen auf den Grund zu gehen, scheinen eher die die Symptome behandelt zu werden.

Antibiotika erscheinen als probates Mittel, um Infektionen in Beständen effizient zu bekämpfen und so den Masterfolg nicht zu gefährden.

Die in Nordrhein-Westfalen erstellte Studie vom 15.11.2011 kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: 96,4 Prozent der Tiere aus den untersuchten Beständen wurden mit Antibiotika behandelt. Bei den untersuchten Mastdurchgängen wurden im Durchschnitt drei verschiedene Wirkstoffe pro Durchgang verabreicht, teilweise aber sogar bis zu acht verschiedene Antibiotika. Die Mehrheit der Behandlungen erfolgte nur ein bis bis Tage lang.

Zwischenzeitlich hat auch Niedersachsen (28.11.2011) einen Bericht über den Antibiotikaeinsatz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung vorgelegt, leider mit ähnlich ernüchternden Ergebnissen. Beispielhaft bezogen auf die Masthähnchen kommt die niedersächsische Studie zu dem Ergebnis, dass rund 18 Millionen Tieren Antibiotika verabreicht wurden, dass entspricht 76 Prozent der erfassten Tiere. In 83 Prozent der untersuchten Betriebe wurden Antibiotika eingesetzt.

Auch wenn mir die in beiden Ländern ausgewerteten Unterlagen für eine umfängliche Beurteilung des Antibiotikaeinsatzes nicht ausreichen, ist das Fazit der Studien doch mehr als deutlich: Wir haben in der Tiermast ein massives Antibiotika-Problem. Es wird eindeutig zuviel Antibiotika verabreicht. Genaue Zahlen, wie viele Medikamente insgesamt in Deutschland eingesetzt werden, gibt es allerdings nicht.

Dies war für mich Anlass genug, den Einsatz von Antibiotika in Tierhaltungsanlagen auch bei uns im Land umgehend auf den Prüfstand zu stellen.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit mehr als 800 Geflügelhaltungen mit insgesamt mehr als 8,6 Millionen Tieren - Tendenz weiterhin steigend. Die durchschnittliche Behandlungsquote in Mastgeflügelhaltungen in M-V liegt nach stichprobenartiger Auswertung deutlich über 2 Behandlungen/Mastdurchgang. Bei Kontrollen in Hähnchen- und Putenmastbetrieben wurden auch in M-V mitunter bis zu sieben unterschiedliche Antibiotika eingesetzt.

Es bleibt also festzustellen, dass sich die Situation in M-V ähnlich gestaltet wie in NRW und Niedersachsen. ABER: Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern liegen die amtlichen Kontrollen bei den Tierhaltern und in den tierärztlichen Hausapotheken im Rahmen der Tierarzneimittelüberwachung bei uns in einer Hand. Die zuständige Kontrollbehörde ist das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LALLF).

Auf der Basis arzneimittelrechtlicher Bestimmungen wurden im Jahr 2011 in M-V bis Ende November 140 Kontrollen in tierärztlichen Hausapotheken und 327 Kontrollen in Tierhaltungen, davon 51 Kontrollen im Geflügelbereich durchgeführt. Zusätzlich werden in den Geflügelhaltungen Probenahmen nach dem Nationalen Rückstandskontrollplan durchgeführt. Dabei werden diese Proben auf Rückstände von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung untersucht. Zum Glück haben wir im Rahmen dieser Untersuchungen in Bezug auf Geflügelproben seit 2006 keinen positiven Fall zu verzeichnen gehabt.

Im Ergebnis der Kontrollen in den Tierhaltungen im Jahr 2011 ist festzustellen, dass die Arzneimittelanwendung in den meisten Fällen ordnungsgemäß nach den arzneimittelrechtlichen Bestimmungen erfolgte.

Der im Arzneimittelgesetz fixierte Überwachungsauftrag bietet derzeit keine Handhabe für eine Einwirkung auf einen strukturell oder haltungsbedingt erhöhten Arzneimitteleinsatz. Hier wäre es Aufgabe des Bundes den Überwachungsauftrag entsprechend anzupassen.

Um meine klare Position in der Antibiotikadiskussion einmal mehr deutlich zu machen, habe ich mich auch mit einem entsprechenden Schreiben an Frau Bundesministerin Aigner gewandt. Ich habe sie aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass alle beteiligten Stellen die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Möglichkeiten ausschöpfen, um zukünftig eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes zu erreichen.

In der Sondersitzung des Agrarausschusses am 22.11.2011 hatte ich die Einberufung einer Strategiegruppe zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in Tierhaltungen angekündigt. Zwischenzeitlich hat diese Strategiegruppe am 30.11.2011 unter meiner Leitung erstmals getagt. Die große Anzahl der Teilnehmer zeigte deutlich das Interesse an der bestehenden Problematik. In dieser ersten Sitzung haben wir uns schwerpunktmäßig auf den Bereich der Geflügelhaltung in Mecklenburg- Vorpommern konzentriert. Es wurden alle Bereiche beleuchtet, die für den hohen Antibiotikaeinsatz verantwortlich sein können. Ich habe hier noch einmal deutlich dargelegt, dass der derzeit hohe Antibiotikaeinsatz nicht tolerierbar ist.

Die Strategiegruppe wird ihre Arbeit weiter fortführen. Derzeit wird mit Hochdruck an der praktischen Umsetzung eines Monitoring ab Jahresbeginn 2012 gearbeitet.

Der Auftrag einer kleineren Arbeitsgruppe der Strategiegruppe ist es, kurzfristig ein Dokumentations- und Erfassungssystem zur Durchführung des angekündigten Monitorings in M-V zu erarbeiten.

Des Weiteren soll diese Arbeitsgruppe erste Überlegungen zum behördlich überprüfbaren Eigenkontroll- und Dokumentationssystem für Tierhalter und Tierärzte anstellen, um dieses Ziel mittelfristig umsetzen zu können. Wenn man den ordnungsgemäßen Einsatz von Antibiotika in Tierhaltungen prüfen will, muss man den Bogen weiter spannen.

Man darf sich nicht auf die Auswertung von Behandlungsbüchern und tierärztlichen Arzneimittel- Anwendungs-und Abgabenachweisen beschränken. Man muss vielmehr den Arzneimitteleinsatz im Umfeld der Haltungsbedingungen der jeweiligen Tierhaltung betrachten. Deshalb wird durch unser Monitoring ein ganzheitliches Konzept angestrebt.

Wir werden nicht nur die Arzneimittelanwendungen und die durchschnittlichen Anzahl der Behandlungen pro Durchgang hinterfragen, sondern auch andere wichtige Aspekte genauer beleuchten.

Erfasst werden sollen beispielsweise die Tierbesatzdichten, Mortalitätsraten, Verwurfsraten (Geflügel) oder sonstige Schäden an den Tierkörpern auf dem Schlachthof, aber auch die Futterqualität sowie Management- und Haltungsprobleme.

Mit dieser Erfassung hoffen wir ein umfassendes Bild über die Ursachen des Antibiotikaeinsatzes in der jeweiligen Tierhaltung erhalten zu können, um dann im Rahmen eines Minimierungskonzeptes entgegensteuern zu können. Dafür ist es jedoch zwingend notwendig, den Kontrollbehörden alle dafür erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben.

Leider geht der zwischenzeitlich vorgelegte Referentenentwurf des BMELV zum Arzneimittelgesetz hier nicht weit genug. Nach dem Entwurf soll zukünftig zwar die Übermittlung von Daten durch DiMDi (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) über Arzneimittel die ausschließlich für Geflügel zugelassen sind, an die zuständigen Landesbehörden möglich sein, aber die gesamte Datenübermittlung soll auch weiterhin nur zu Monitoringzwecken von den Ländern genutzt werden können. Wir fordern aber die Offenlegung dieser Daten für den Zweck der Tierarzneimittelüberwachung.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bundesregierung die erforderliche Transparenz für die Kontrollbehörden nicht schafft. Mein Ziel ist, dass die Kontrollbehörden darüber Auskunft erhalten, welcher Tierarzt in welcher Gemeinde Arzneimittel erhält.

Das heißt ich fordere eine umfassende Transparenz über die von pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern an Tierärzte abgegebene Arzneimittel. Nur so wäre es möglich die arzneimittelrechtliche Überwachung von Tierärzten und Tierhaltern risikoorientiert auszurichten. Eine entsprechende Initiative werde ich im Januar in den Agrarausschuss des Bundesrates einbringen." (PD)
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