Hannover (agrar-PR) - Modellvorhaben Schäden
durch Wildschweine und steigendes Pestrisiko werden immer mehr zum
Problem. Ein Modellvorhaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und des
Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) soll deshalb nach Lösungswegen zur
Eindämmung der Population suchen. Erste Ergebnisse wurden am
vergangenen Donnerstag auf der Agritechnica vorgestellt.
Schwerpunkt des auf drei Jahre angelegten Modellvorhabens
„Schwarzwildbewirtschaftung in der Agrarlandschaft“ ist die Anlage von
Schussschneisen in Maisfeldern. „Ohne diese Schneisen geht gar nichts“,
sagte Andreas Leppmann, Geschäftsführer des Deutschen
Jagdschutzverbandes. Ob diese Maßnahme erfolgreich und bezahlbar ist,
aber auch wie die Schneisen angelegt werden sollten, war die
Fragestellung in dem Vorhaben, das unter anderem von der Fachhoschule
Soest wissenschaftlich begleitet wird. Daran beteiligt sind sechs
Betriebe in ganz Deutschland mit unterschiedlichen Schlagstrukturen.
Wer trägt die Kosten?
Den größten Effekt hatten die Schneisen nach den ersten
Erkenntnissen in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der dortigen
Schlaggrößen; auch die Schneisen wurden entsprechend breit angelegt.
Sie sollten quer zu den Maisreihen verlaufen und nicht bis zum
Schlagrand durchgehen. Vorteilhaft könnte die Einsaat der Streifen mit
früher reifen Maissorten sein, um die Schweine dorthin zu locken. Bei
der Einzäunung der Maisschläge mit Elektrozaun gelte es aufzupassen,
dass die Wildschweine nicht im Schlag eingesperrt werden. Strittig ist
die Frage, wer bei der Anlage der Schneisen für den Ertragsausfall und
die Kosten für zusätzlichen Arbeitsaufwand aufkommt. Während die
Landwirtschaft mit der Begründung der Vermeidung von Wildschäden sowie
des höheren Jagderfolgs die Jäger dazu heranziehen möchten, wollen
diese die Grundeigentümer in die Pflicht nehmen. Leppmann äußerte
indes auch die Hoffnung auf eine Finanzierung aus den
Agrarumweltprogrammen der Länder.
Bei den Kosten besteht allerdings eine
große Schwankungsbreite, wie Prof. Friedrich Kerkhof von der
Fachhochschule Südwestfalen darstellte. Wenn der Streifen ohne Nutzung
bleibt, bezifferte er den Ertragsausfall auf 650 bis 1000 Euro pro ha.
Durch den Anbau von Marktfrüchten könne der Nachteil aber begrenzt
werden. Die Mehrheit der Betriebe habe Sommerungen eingesät und damit
Verluste von 250 bis 400 Euro erlitten. Bei der Einsaat mit
wettbewerbsstarken Marktfrüchten könne der Deckungsbeitrag dagegen
sogar höher ausfallen als bei der Hauptfrucht außerhalb de Schneisen.
„Bei nur fünf Prozent weniger Wildschaden geht die Rechnung schon auf“,
resumierte Kerkhof.
Jagderfolg „durchwachsen“
Erste Erkenntnisse auf Hessen fielen
indes nicht ganz so überzeugend aus. Grundsätzlich sei die Anlage von
Schussschneisen zielführend, sagte Dr. Nikolaus Bretschneider-Hermann,
Vorsitzender der Naturlandstiftung Hochtaunus. Dennoch sei der
Jagderfolg in den Schneisen „durchwachsen“. Er empfahl einen
Flächenanteil für die Schneisen von sieben bis zehn Prozent. Ohne
Einsaat gebe es aber wenig Anlauf. Auch seien die Kulturen nur bedingt
erntewürdig. Die Bejagung auch in anderen Kulturen sei deshalb wichtig.
Zugleich wies Bretschneider darauf hin, dass Wildschäden im Mais nicht
dominant seien und auch in Energiepflanzenbeständen keine signifikant
höheren Wildschäden aufträten. Er beklagte daneben das Fehlen einer
statistischen Wildschadenserfassung.
Mit 640.000 Stück haben Deutschlands
Jäger im vergangenen Jahr so viele Wildschweine geschossen wie nie
zuvor. Schon seit den 50-er Jahren steigt die Wildschweinstrecke
kontinuierlich an. Während es in den 30-er Jahren in Deutschland sogar
noch viele schwarzwildfreie Gebiete gab, habe sich die Strecke
beispielsweise in Niedersachsen seither um das 27fache erhöht,
erläuterte der Wildtierökologe Dr. Jürgen Goretzki aus dem
von-Thünen-Institut in Eberswalde. Verantwortlich dafür seien sowohl
die hohe Reproduktionsrate bei Wildschweinen, die er auf über 200
Prozent bezifferte, als auch die grundlegende Veränderung in der
Agrarlandschaft. Zunehmender Anbau von Raps und Mais böten den
Schwarzkitteln inzwischen ganzjährige Deckung und Nahrung.
Frischlinge stärker bejagen
Ganz wesentlich tragen nach seinen Worten
Frischlinge zur hohen Vermehrungsrate bei; sie müssten deshalb
besonders intensiv bejagt werden. Hinderlich dabei sei, dass die Gebühr
für die Trichinenschau oft genug den Wert des Frischlings übersteige.
Dagegen forderte er „Hände weg von den Leitbachen“. Sie seien der
Garant für eine kleinräumige Lebensraumnutzung und verhinderten
„vagabundierende Rotten“. Bei den anwesenden Jägern stieß er damit aber
auf wenig Zustimmung. Ebenso wurde der Vorschlag des Frischlingsfanges
mittels Fallen massiv abgelehnt. Gleichwohl warnte Goretzki davor, auf
Prozesse mit ungeheurer Dynamik mit immer denselben statischen Modellen
reagieren zu wollen.
Niedersachsens Jäger hätten mit 57.600
erlegten Sauen im vergangenen Jahr „ihre Hausaufgaben gemacht“,
unterstrich Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft
Niedersachsen. Die Lösung des Problems sei dennoch nicht einfach,
schlussfolgerte Bernhard Haase, Vorsitzender der
Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und
Eigenjagdbesitzer. Er forderte dazu auf, sich endlich an einen Tisch zu
setzen und zu handeln. Auch die Forstwirtschaft gehöre dazu, erinnerte
er.