18.11.2009 | 00:00:00 | ID: 3669 | Ressort: Landwirtschaft | Tier

Schwarzkitteln den Kampf angesagt

Hannover (agrar-PR) - Modellvorhaben   Schäden durch Wildschweine und steigendes Pestrisiko werden immer mehr zum Problem. Ein Modellvorhaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) soll deshalb nach Lösungswegen zur Eindämmung der Population suchen. Erste Ergebnisse wurden am vergangenen Donnerstag auf der Agritechnica vorgestellt.
Schwerpunkt des auf drei Jahre angelegten Modellvorhabens „Schwarzwildbewirtschaftung in der Agrarlandschaft“ ist die Anlage von Schussschneisen in Maisfeldern. „Ohne diese Schneisen geht gar nichts“, sagte Andreas Leppmann, Geschäftsführer des Deutschen Jagdschutzverbandes. Ob diese Maßnahme erfolgreich und bezahlbar ist, aber auch wie die Schneisen angelegt werden sollten, war die Fragestellung in dem Vorhaben, das unter anderem von der Fachhoschule Soest wissenschaftlich begleitet wird. Daran beteiligt sind sechs Betriebe in ganz Deutschland mit unterschiedlichen Schlagstrukturen.

Wer trägt die Kosten?

Den größten Effekt hatten die Schneisen nach den ersten Erkenntnissen in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der dortigen Schlaggrößen; auch die Schneisen wurden entsprechend breit angelegt. Sie sollten quer zu den Maisreihen verlaufen und nicht bis zum Schlagrand durchgehen. Vorteilhaft könnte die Einsaat der Streifen mit früher reifen Maissorten sein, um die Schweine dorthin zu locken. Bei der Einzäunung der Maisschläge mit Elektrozaun gelte es aufzupassen, dass die Wildschweine nicht im Schlag eingesperrt werden. Strittig ist die Frage, wer bei der Anlage der Schneisen für den Ertragsausfall und die Kosten für zusätzlichen Arbeitsaufwand aufkommt. Während die Landwirtschaft mit der Begründung der Vermeidung von Wildschäden sowie des höheren Jagderfolgs die Jäger dazu heranziehen möchten, wollen diese die Grundeigentümer in die Pflicht nehmen.  Leppmann äußerte indes auch die Hoffnung auf eine Finanzierung aus den Agrarumweltprogrammen der Länder.

Bei den Kosten besteht allerdings eine große Schwankungsbreite, wie Prof. Friedrich Kerkhof von der Fachhochschule Südwestfalen darstellte. Wenn der Streifen ohne Nutzung bleibt, bezifferte er den Ertragsausfall auf 650 bis 1000 Euro pro ha. Durch den Anbau von Marktfrüchten könne der Nachteil aber begrenzt werden. Die Mehrheit der Betriebe habe Sommerungen eingesät und damit Verluste von 250 bis 400 Euro erlitten. Bei der Einsaat mit wettbewerbsstarken Marktfrüchten könne der Deckungsbeitrag dagegen sogar höher ausfallen als bei der Hauptfrucht außerhalb de Schneisen. „Bei nur fünf Prozent weniger Wildschaden geht die Rechnung schon auf“, resumierte Kerkhof.

Jagderfolg „durchwachsen“

Erste Erkenntnisse auf Hessen fielen indes nicht ganz so überzeugend aus. Grundsätzlich sei die Anlage von Schussschneisen zielführend, sagte Dr. Nikolaus Bretschneider-Hermann, Vorsitzender der Naturlandstiftung Hochtaunus. Dennoch sei der Jagderfolg in den Schneisen „durchwachsen“. Er empfahl einen Flächenanteil für die Schneisen von sieben bis zehn Prozent. Ohne Einsaat gebe es aber wenig Anlauf. Auch seien die Kulturen nur bedingt erntewürdig. Die Bejagung auch in anderen Kulturen sei deshalb wichtig. Zugleich wies Bretschneider darauf hin, dass Wildschäden im Mais nicht dominant seien und auch in Energiepflanzenbeständen keine signifikant höheren Wildschäden aufträten. Er beklagte daneben das Fehlen einer statistischen Wildschadenserfassung.

Mit 640.000 Stück haben Deutschlands Jäger im vergangenen Jahr so viele Wildschweine geschossen wie nie zuvor. Schon seit den 50-er Jahren steigt die Wildschweinstrecke kontinuierlich an. Während es in den 30-er Jahren in Deutschland sogar noch viele schwarzwildfreie Gebiete gab, habe sich die Strecke beispielsweise in Niedersachsen seither um das 27fache erhöht, erläuterte der Wildtierökologe Dr. Jürgen Goretzki aus dem von-Thünen-Institut in Eberswalde. Verantwortlich dafür seien sowohl die hohe Reproduktionsrate bei Wildschweinen, die er auf über 200 Prozent bezifferte, als auch die grundlegende Veränderung in der Agrarlandschaft. Zunehmender Anbau von Raps und Mais böten den Schwarzkitteln inzwischen ganzjährige Deckung und Nahrung.

Frischlinge stärker bejagen

Ganz wesentlich tragen nach seinen Worten Frischlinge zur hohen Vermehrungsrate bei; sie müssten deshalb besonders intensiv bejagt werden. Hinderlich dabei sei, dass die Gebühr für die Trichinenschau oft genug den Wert des Frischlings übersteige. Dagegen forderte er „Hände weg von den Leitbachen“. Sie seien der Garant für eine kleinräumige Lebensraumnutzung und verhinderten „vagabundierende Rotten“. Bei den anwesenden Jägern stieß er damit aber auf wenig Zustimmung. Ebenso wurde der Vorschlag des Frischlingsfanges mittels Fallen massiv abgelehnt. Gleichwohl warnte Goretzki davor, auf Prozesse mit ungeheurer Dynamik mit immer denselben statischen Modellen reagieren zu wollen. Niedersachsens Jäger hätten mit 57.600 erlegten Sauen im vergangenen Jahr „ihre Hausaufgaben gemacht“, unterstrich Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen. Die Lösung des Problems sei dennoch nicht einfach, schlussfolgerte Bernhard Haase, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer. Er forderte dazu auf, sich endlich an einen Tisch zu setzen und zu handeln. Auch die Forstwirtschaft gehöre dazu, erinnerte er.
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