Hannover (agrar-PR) - Liquidität Schlechte Preise
und gestiegene Kosten gefährden immer häufiger die Zahlungsfähigkeit
der Betriebe. Im Herbst wird mit einer Verschärfung durch dann fällige
Pacht-Zahlungen gerechnet. Niedersachsens Banken spüren die
Liquiditätskrise bereits an einer deutlich gestiegenen Kreditnachfrage
aus dem Agrarsektor. Die Betriebe müssen hohe Standards erfüllen, um
Geld zu erhalten.
Friedrich Janssen hat derzeit viele Termine bei Banken und
Sparkassen. Er berät 60 Milchviehbetriebe für den Beratungsring
Ostfriesische Küste (Aurich). „Die Banken hinterfragen stärker, ab wann
der Betrieb in der Lage ist, einen Kredit zurückzuzahlen“, schildert er
seinen Eindruck. Über mangelnde Kooperation seitens der Geldinstitute
kann er sich nicht beklagen. „Wenn ein 58-jähriger Betriebsinhaber
Geldprobleme hat, aber keine Zukunftsperspektive, dann wird gemeinsam
ein langsamer Ausstieg bis zum Rentenalter geplant.“ Allerdings habe er
auch Fälle erlebt, bei denen ein junger Landwirt den Betrieb nach einem
Bankgespräch aufgeben musste.
Eine Ursache liegt in den
Mindesteigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken (MaK). Diese
verbindliche Vorgabe der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gilt seit 2004 und ist eine Säule
des Sicherungssystems Basel II. Je nach Güte des Kreditnehmers muss die
Bank unterschiedlich viel Eigenkapital vorhalten. Hat eine Bank
zahlreiche schwache Kunden, sinkt ihr eigenes Rating. Das Interesse,
sich für liquiditätsschwache Betriebe zu engagieren, wird also auch von
der Bankenaufsicht torpediert. Worauf müssen sich die Landwirte
einstellen, um an Kredite zu kommen?
Biologische Leistung zählt
Thomas Lusch, Berater für
landwirtschaftliche Kunden bei der Volksbank Bremerhaven-Cuxland,
verfolgt eine offensive Strategie: „Wir suchen seit 2008 intensiv das
Kundengespräch.“ Das tut die Volksbank in der Grünlandregion schon aus
eigenem Interesse. Eigenen Angaben zufolge beträgt das Kreditvolumen
für die Sparte Landwirtschaft 90 Mio. Euro, das sind 18 Prozent des
Gesamtkreditvolumens der Bank. 78 Prozent der landwirtschaftlichen
Kreditnehmer sind Milchviehbetriebe. Lusch setzt sich gemeinsam mit dem
Betriebsleiter(-ehepaar), einem Vertreter des Landvolks, Ringberatern
und Steuerberatern an einen Tisch, um die Fakten zu analysieren.
Gefragt sind dabei nicht nur Bilanzen, sondern stärker als je zuvor die
biologischen Leistungen.
„Die Kernfrage ist die nach der
Unternehmerqualität: Hat er seine Produktionstechnik im Griff?“,
erklärte Detlef Jungclaus, Geschäftsführer des Landvolk Kreisverbandes
Land Hadeln, der zahlreiche Kreditnehmer berät. Dabei werde von den
Bankvertretern genau hinterfragt, wo der Betrieb räumlich angesiedelt
ist, wie die familiäre Struktur ist und welche Strategie der Betrieb
selbst hat. „Ganz vorne steht bei uns die Zukunftsfähigkeit des
Betriebes“, stellt Gerd-Ulrich-Cohrs, Vorstand der Volksbank Lüneburger
Heide, klar. Die 900 landwirtschaftlichen Betriebe, die von Cohrs und
seinen Kollegen betreut werden, drehen im Geschäftsbereich das, was man
landläufig als „großes Rad“ bezeichnet. Bei einem Gesamtkreditvolumen
von 570 Mio. Euro entfallen 82 Mio. Euro auf landwirtschaftliche
Betriebe und weitere 25 Mio. Euro auf Betriebe, die in Erneuerbare
Energien investieren. Das ist die Hälfte der gewerblichen Kredite.
Tendenz steigend, da auch in der Krise vor allen Dingen in den
Biogasbereich investiert werde.
Für Vorstand Cohrs, der selbst von einem
landwirtschaftlichen Betrieb kommt, ist deshalb die Agrarwirtschaft in
seinem Bereich „eine Kernbranche. Da gehen wir auch bei
Liquiditätsdellen mit.“ Im Geschäftsbereich der Volksbank Lüneburger
Heide führte die Kreditvergabe in den vergangenen Jahren zu dem, was
Cohrs als „Positivauslese“ wertet: „Da die Landwirtschaft bei uns diese
große Bedeutung hat, sind wir daran interessiert, zukunftsfähige
Strukturen zu schaffen.“ Betriebe, bei denen auch in guten Marktphasen
oftmals die Betriebsergebnisse nicht ausreichen, um die Liquidität
herzustellen, müssten vor unnötigem Substanzverzehr geschützt werden.
Bankvorstand Gerd-Ulrich Cohrs gehört zu
den Gästen des Kuratoriums für Wirtschaftsberatung in
Soltau-Fallingbostel. „Uns ist es wichtig, dass die Geldinstitute
direkt von den landwirtschaftlichen Organisationen und Verbänden
informiert werden“, sagt Heiner Beermann, Vorsitzender des Landvolk
Kreisverbandes Soltau-Fallingbostel, der den Dialog leitet.
Erfreuliche Erkenntnis bei den monatlichen Gesprächen: Eine hohe
Eigenkapitaldecke und nur wenige Kreditausfälle sprechen für ein
weiteres Engagement der Kreditinstitute im Sinne der Bauern. „Für die
Banken sind Großprojekte zwischen 500.000 Euro und
2 Mio. Euro
Investitionssumme attraktiv“, stellte Beermann fest.
Ludger Greten, Gruppenleiter Ernährung,
Landwirtschaft und Neue Energien bei der Oldenburgischen Landesbank
(OLB), gibt den (Milchvieh-)Betrieben den Rat, konkrete Pläne zur
künftigen Liquiditätsentwicklung zu erstellen und frühzeitig mit dem
Bankbetreuer Kontakt aufzunehmen. Die OLB hat im Weser-Ems-Gebiet 4000
produzierende Landwirte als Kunden. Bei einem Gesamtkreditvolumen von
7.614 Mio. Euro entfallen auf die landwirtschaftlichen Unternehmen 590
Mio. Euro. „Wir schätzen die langjährigen Geschäftsbeziehungen und
verfassen nicht einfach neue Spielregeln bei der Kreditvergabe“, stellt
Greten klar. Dennoch sieht er eine ernstzunehmende Gesamtsituation, die
neue Anforderungen an die Betriebsleiter stellt.
„Reißleine“ gezogen
Bei allem Optimismus: In einigen Fällen,
ist schon die „Reißleine“ gezogen worden, weiß Markus Grofer von der VR
Agrarberatung in Lingen. Die Gesellschaft berät im Vorfeld einer
Kreditfinanzierung. Im Gespräch mit den Banken sei es unter anderem
entscheidend, welche Festkosten ein Betrieb hat und auf welchem Niveau
der Landwirt wirtschaftet. „Bei den Niedrigpreisen wird der Anteil der
Betriebe zunehmen, die aussteigen“, ist sich Grofer sicher. Positiv
habe er bei den Terminen mit den Kreditinstituten bemerkt, dass die
Betriebe, die auslaufen oder stark investiert haben, nicht
hängengelassen werden.
Seit 1981 ist Wilfried Westermann bei
der Landessparkasse zu Oldenburg (LzO) im Bereich Agrarkredite tätig.
Die LzO betreut 4000 landwirtschaftliche Kunden, die mit 650 Mio. Euro
zehn Prozent des Gesamtkreditvolumens in Anspruch nehmen. Westermann
hat schon einige Krisen mit den Bauern durchgestanden und erinnert an
die zwei Jahre anhaltende Flaute für die Ferkelerzeuger. Die
augenblickliche Situation der Milchviehhalter betrachtet er deshalb als
Delle, die nicht zu Aktionismus führen dürfe. Nur für die Branche sei
die Situation neu. „Wir achten natürlich darauf, wie der Betrieb
geführt wird und wo er im Vergleich steht“, sagt Westermann. Die große
Schwankungsbreite in den Produktionsergebnissen sei in der
Milchwirtschaft auch eine Ursache für die Liquiditätskrise.
Ringberater Friedrich Janssen sieht
mittelfristig weitere Probleme: „Bisher haben wir ein breites
Mittelfeld mit solider Grundstruktur. Bei anhaltend niedrigen
Milchpreisen ist ein Absturz dieser Gruppe zu befürchten.“