07.10.2011 | 08:05:00 | ID: 10867 | Ressort: Landwirtschaft | Veranstaltungen

Perspektiven für Investoren auf den Agrarmärkten in Russland und in der Ukraine

Frankfurt/Main (agrar-PR) - Die Landwirtschaft in Russland und in der Ukraine ist gegenwärtig noch geprägt durch Standortvorteile mit niedrigen Arbeits- und Bodenpreisen.
In Zukunft rechnen Fachleute allerdings hier mit Kostensteigerungen. Auf Betriebsebene bestehen große Unterschiede in den Arbeitskosten. Betriebe, die heute über eine hohe Arbeitsproduktivität verfügen und ein positives Betriebsergebnis erwirtschaften, werden steigende Kosten kompensieren können. Da mit zunehmend besserer Logistik auch steigende Einnahmen erwartet werden, ist eine zusätzliche Kompensation der Kostensteigerungen möglich. Dies ist Tenor einer Fachtagung, die von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) gemeinsam mit der Arbeitsgruppe des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, dem Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) und dem Ukrainischen Agribusiness Club (UCAB) am 29. September 2011 in Frankfurt am Main durchgeführt wurde. Sie stand unter dem Thema „Investitionsstandorte in Osteuropa - Perspektiven für Investoren auf den Agrarmärkten in Russland und der Ukraine".


Investitionsvorhaben nur mit fachlicher Betreuung

Mathias Schmid von der Concord Capital AG aus Frankfurt am Main erachtet die Agrarbranche für Investoren als sehr interessant. Sie bietet sowohl langfristige Anlagemöglichkeiten über Pensionsfonds für den Bodenmarkt, aber auch kurzfristige Anlagen über Hedge-Fonds, hauptsächlich über die Warenterminmärkte. Hedge-Fonds sind in der Regel liquiditätsgetrieben, da das Renditeziel der Investoren erreicht werden muss. Diese Anlagen eignen sich nicht für langfristige Investitionen. Schmid sieht keine mittel- und langfristige Beeinflussung der Agrarpreise durch Investoren, höchstens bei Tagespreisen. Vielmehr führt die anhaltend hohe Nachfrage nach Futter- und Betriebsmitteln zu steigenden Preisen. Einflüsse sind jedoch auf den Bodenmarkt zu verzeichnen. Nichts desto trotz werden zunehmend regulierende Maßnahmen auf den Finanzmärkten eingeführt. Für wichtig erachtet Schmid, dass eine fachliche Betreuung des Investitionsvorhabens seitens der Finanzberatung vorhanden ist und über Risiken und Chancen aufgeklärt wird. Osteuropa ist seiner Meinung nach interessant für Investoren aufgrund der hohen Bodenqualitäten, der günstigen klimatischen Verhältnisse und der Nähe zu Absatzmärkten. Er erwartet zukünftig eine Trennung zwischen Besitzer und Betreiber eines landwirtschaftlichen Betriebes.


Große Potenziale in der Ukraine

Dr. Heinz-W. Strubenhoff vom Institut für Wirtschaftsforschung und Politikberatung des Deutsch-Ukrainischen Agrarpolitischen Dialogs aus Kiew skizzierte den Agrarmarkt in der Ukraine. Vor dem Hintergrund, dass seit 2000 die globale Getreideproduktion nur vier Mal über der Nachfrage gelegen hat, müssen mit Blick auf die Welternährungssicherung die vorhandenen Potenziale in der landwirtschaftlichen Produktion gehoben werden. Für die Ukraine sieht Dr. Strubenhoff große Chancen in der Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen und vor allem in der Steigerung der Flächenleistung. Die Steigerung ist durch Investitionen in Landtechnik und Betriebsmittel zu erreichen. Für 2011 wird für die Ukraine, Russland und Kasachstan eine Getreideernte von 160 Mio. t erwartet, in der Ukraine allein 50 Mio. t. Da die Getreideproduktion in der Ukraine über dem Verbrauch liegt, werden 40 bis 50 Prozent der Ernte exportiert. Hauptexportländer sind Ägypten und der Nahe Osten. Loco-Hof-Preise folgen den Export- und Weltmarktpreisen. Die Transparenz der Marktberichterstattung führt derzeit zu Lagerhaltung bei den Landwirten, um das Fallen der Exportzölle abzuwarten und höhere Preise für die Produkte zu generieren. Dr. Strubenhoff hält eine wirtschaftliche Produktion für möglich, allerdings sieht er weiterhin ein hohes Politikänderungsrisiko. Es ist Wachstum bei den großen Agrarholdings und ein Rückgang bei mittelständischen landwirtschaftlichen Betrieben zu verzeichnen. Holdings haben derzeit noch Effizienzverluste. Das Bodenmoratorium wird aller Wahrscheinlichkeit nach im Januar 2012 auslaufen. Voraussichtlich werden natürliche Personen und der Staat Boden kaufen können, nicht jedoch Ausländer und juristische Personen. Derzeit werden Bodenpreise zwischen 700 und 1.200 €/ha diskutiert. Trotzdem wird die Landwirtschaft auch weiterhin hauptsächlich auf Pachtbasis laufen. Dr. Julian Ries, Partner der Kanzlei Beiten Burkhard Rechtsanwälte aus Kiew, verwies auf die Korruptionsanfälligkeit und die Vertragsunsicherheit. Während in der Ukraine Boden derzeit nicht gekauft werden kann, ist dies in Russland möglich. Ein Problem in der Ukraine stellt auch das noch nicht voll erschlossene Kataster dar, so dass Flächen nicht direkt zugeordnet werden können.


Russland: Landwirtschaft hängt von der Öl- und Gaswirtschaft ab

Dr. Dimitri Rylko vom russischen Marktforschungsinstitut IKAR aus Moskau unterstrich die Abhängigkeit der Landwirtschaft von der russischen Öl- und Gaswirtschaft. Hiervon hängen Investitionen in die Landwirtschaft ab. Fünf große Weizenregionen in Russland haben nach Auskunft von Dr. Rylko in den letzten Jahren große Investitionen getätigt. Zurzeit sieht er Probleme beim Abtransport der Produkte aus diesen Regionen zu den Absatzmärkten. Investoren sollten seiner Meinung nach berücksichtigen, dass Russland sehr groß und inhomogen ist und dass regionale Informationen eingeholt werden sollten.


Praktiker: Enges Kosten-Controlling erforderlich

Landwirt Hubertus Eichblatt, Investor und Geschäftsführer eines landwirtschaftlichen Unternehmens in der Ukraine, und Achim Lukas, Geschäftsführender Vorstand von Prodimex in Moskau, berichteten aus eigenen Erfahrungen und den täglichen Herausforderungen, denen sie in Russland und der Ukraine begegnen. Auch sie sehen große Potenziale in beiden Ländern durch noch brachliegende Flächen und eine noch nicht ausgeschöpftes Potenzial bei der Steigerung der Flächenproduktivität. Die vorhandenen Gegebenheiten müssen realistisch betrachtet und eingeschätzt werden, bevor der Schritt in die Investition getätigt wird. Das Investitionsvolumen in der Ukraine wird mit etwa 1.000,- €/ha angesehen. Hohe Erträge sind bei guter Bewirtschaftung möglich. Allerdings muss die Bürokratie angenommen werden, und der Einfluss staatlicher Maßnahmen darf nicht unterschätzt werden. Ein enges Controlling der Kosten ist zwingend erforderlich, um die Bewegungen kontinuierlich verfolgen zu können. Beide Praktiker sehen die größten Herausforderungen darin, die Leute und die Gesellschaft vor Ort mitzunehmen. Eine weitere Herausforderung besteht im Gewinnen und Halten von guten Fachkräften. Die Lohnsteigerungen in der Ukraine beziffert Eichblatt auf jährlich zehn Prozent. Das Unternehmen Prodimex bewirtschaftet über 400.000 ha in unterschiedlichen Regionen, um das Risiko zu streuen. Das Unternehmen hat sich Lukas zu Folge wegen der Rohstoffsicherung für die vertikale Integration entschieden. Farmen werden nach Möglichkeit in der Nähe der Fabriken gesucht, um die Transportkosten gering zu halten. Die Bodenpreise bewegen sich in Russland ab 500,- €/ha.


Vorteile durch Gang an die Börse

Frank Heun, Managing Director der equinet Bank AG in Frankfurt am Main, sieht im Gang an die Börse für landwirtschaftliche Unternehmen Vorteile, da das Eigenkapital gesteigert, eine bankenunabhängige Finanzierung vollzogen und der Zugang zum Kapitalmarkt geschaffen werde. Allerdings werden auch Anforderungen an die Unternehmen gestellt, die einzuhalten sind. Diese liegen nach Heun hauptsächlich in einer transparenten Unternehmensstruktur, dem Reporting, im Unternehmenswachstum und einer Unternehmensgröße ab 100 Mio. € Gewinn.


Aufbau von Wertschöpfungsketten

Lars Oermann, Sektorökonom der KfW-Bankengruppe aus Frankfurt am Main, unterstrich die zunehmende Bedeutung des Aufbaus der Wertschöpfungsketten in den Ländern und speziell in Russland. Nur wenn die landwirtschaftliche Produktion, die Verarbeitung und die Vermarktung aufeinander abgestimmt werden, können die Potenziale genutzt und Leistungssteigerungen erzielt werden.

Unterstützt wurde die Veranstaltung durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die GFA Consulting Group und die kwf Bankengruppe. (dlg)
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