29.04.2010 | 00:00:00 | ID: 5562 | Ressort: Landwirtschaft | Veranstaltungen

Veranstaltungsbericht KTBL-Tage 2010 am 21. und 22. April in Erfurt: Automatisierung und Roboter in der Landwirtschaft

Darmstadt (agrar-PR) - Bis zu welchem Grad kann automatisierte Technik menschliche Handlungen in der landwirtschaftlichen Produktion ersetzen? Wie weit sind die Verfahren und Anwendungen entwickelt? Welche Besonderheiten im Vergleich zu konventioneller Agrartechnik gilt es zu beachten? Antworten auf diese und andere Fragen gab es bei den diesjährigen KTBL-Tagen unter dem Leitthema „Automatisierung und Roboter in der Landwirtschaft" in Erfurt. Im Verlauf der von 200 Teilnehmern besuchten Veranstaltung des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft wurde deutlich: Einerseits besteht noch ein enormer Forschungs- und Entwicklungsbedarf bei den Automatisierungs-Technologien. Andererseits führt kein Weg am Trend zur Automatisierung der Landtechnik vorbei.

Automatisierung in der Innenwirtschaft 

Im Bereich Tierproduktion sind Melkroboter das prominenteste Beispiel für die Automatisierung in der Landwirtschaft. „Fast 40 Prozent aller Neuinvestitionen im Bereich Melken sind Automatische Melksysteme, also Melkroboter", berichtete Dr. Jan Harms in Erfurt. Er machte allerdings darauf aufmerksam, dass ihr Einsatz nicht unbedingt die Zeitersparnis bringt, die manche Landwirte vielleicht erhoffen. Weniger Zeit im Melkstand zu verbringen bedeutet nach seinen Ausführungen, mehr Zeit in das Herden- und Maschinenmanagement zu investieren, so dass unter dem Strich nur 1/3 bis 1/4 des Zeitgewinns durch Wegfall der Melkarbeit wirklich verfügbar ist. Je knapper und damit teurer die Arbeitszeit ist, um so schneller macht sich die Melkrobotik, wie andere Automatisierungen auch, bezahlt, konstatierte Prof. Dr. Enno Bahrs.
Auch in anderen Bereichen der Innenwirtschaft zeichnen sich Trends zur Automatisierung ab. „Bei fast allen Tierarten wird heute das Füttern und Entmisten der Ställe automatisch durchgeführt", fasste Dr. Christine Rösch zusammen. Ganz allgemein sollten im Mittelpunkt des individuellen, von automatischen Systemen unterstützten Kuh-Managements die kritischen Prozesse Fütterung, Brunst und Abkalbung sowie Indikatoren für die Gesundheit stehen, stellte Dr. Kees Lokhorst fest.

Automatisierung in der Außenwirtschaft 
„Die Entwicklung autonomer Feldroboter stellt die nächste Stufe der notwendigen Automatisierung in der Landtechnik dar", davon zeigte sich Prof. Dr. Arno Ruckelshausen überzeugt. Erste, robuste Prototypen für spezifische Applikationen (z. B. Einzelpflanzenerkennung und Bonitur/Pflanzenphänotypisierung in der Pflanzenzüchtung und im Feldversuchswesen) sind nach seinen Ausführungen in den nächsten 5 Jahren zu erwarten. Bei kleinen, autonomen Feldrobotern, wie sie z. B. auf den FieldRobotEvents an den Start gehen, sind Fragen der Fortbewegung, der Energieversorgung und der Kontrolle/Überwachung weitgehend gelöst, fasste Dr. Thomas Vögele zusammen. Forschungsbedarf sah er vor allem noch in den Bereichen autonome Problemlösung und kooperatives Verhalten. Als Beispiel der Automation aus einem anderen Bereich der Pflanzenproduktion ist die vollautomatische Wagenbefüllung im Häckslereinsatz bereits heute serienreif verfügbar, berichtete Alexander Kirchbeck.
Relativ weit entwickelt sind heute auch schon teilautonome Systeme, z. B. die sogenannte „elektronische Deichsel" für Arbeitsmaschinen. Sie koppelt über eine Funkverbindung ein unbemanntes an ein bemanntes Fahrzeug, wobei Geschwindigkeit und ausgewählte Bedienfunktionen von dessen Fahrer gesteuert werden. Da bei der „elektronischen Deichsel" ein Fahrer zwei Maschinen gleichzeitig bedient, können bis zu 50 Prozent der Lohnkosten eingespart werden, machte Dr. Patrick Ole Noack deutlich.

Schlüsseltechnologie Sensoren
Ein unverzichtbares Bauteil in der Automation und Robotik sind Sensoren. Im Rahmen der KTBL-Tage kamen diverse Neuentwicklungen zur Sprache. Bei Automatischen Melksystemen werden nach Angaben von Dr. Jan Harms zukünftig Sensoren für den Gehalt der Milch an Laktose, Harnstoff, Progesteron, Ketonkörpern oder Enzymen verfügbar sein. Bei der Fütterungstechnik sind u. a. Wiederkausensoren und die Positionsbestimmung der Tiere innerhalb von Gebäuden in der Entwicklung.
Für Sensoren in der Schweinehaltung im Rahmen des sogenannten Precision Livestock Farming (PLF) sah Prof. Dr. Eberhard Hartung mehrere zukunftsweisende Einsatzbereiche. Neben Systemen der Tierortung und spektroskopischen Verfahren zur Bestimmung von Inhaltsstoffen z. B. von Futtermitteln oder Flüssigmist nannte er diverse Möglichkeiten der Gesundheitskontrolle: Bildanalyse zur Überwachung des Wachstums, akustische Detektion von Husten und Stresslauten, automatisierte Östrusbestimmung und Body Conditioning Scoring (BCS) bei Sauen sowie Thermographie zur Früherkennung von Entzündungen.
Aus dem Bereich der Krankheitsbekämpfung stellte Prof. Dr. Jürgen Popp in Aussicht, dass es bald möglich sein wird, auf Basis der sogenannten Raman-Spektrosokopie mikrobielle Kontaminationen automatisiert mit sehr großen Probenzahlen zu analysieren.

Grenzen von Mensch und Technik 

Aus Sicht der Praxis verwies in Erfurt Dr. Hartwig Kübler auf den begrenzenden Faktor Mensch bei der Automatisierung. Er hat als Unternehmer die Erfahrung gemacht, dass es nicht leicht ist, Fachkräfte für die Bedienung der hochkomplexen Maschinen zu gewinnen.
Um die Menge und Qualität der mit zunehmender Automatisierung in der Landtechnik anfallenden Daten und Informationen erfolgreich handhaben zu können, sind Landwirte und leitende Mitarbeiter gefordert, sich entsprechende Zusatzqualifikationen zu erwerben. Die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen zählte Prof. Dr. Reiner Doluschitz hierzu ebenso wie Risikobereitschaft und -management sowie Informations- und Kommunikationskompetenz. Prof. Dr. Thomas Maier forderte, dass sich Maschinendesigner an den ergonomischen und kognitiven Möglichkeiten und Grenzen der Menschen orientieren müssen.
Mehrfach beklagt wurde im Rahmen der KTBL-Tage, dass Geräte verschiedener Hersteller immer noch nicht problemlos miteinander kommunizieren können.
Chancen, aber auch Risiken der Robotik beleuchtete Prof. Dr. Stefan Böttinger in seinem Vortrag. Dass auf freiem Feld noch keine komplett automatisierten Maschinen zum Einsatz kommen, begründete er u. a. mit ungelösten Sicherheitsfragen.

Automatisierung in globaler Perspektive

Global betrachtet ist die Automatisierung kein Allheilmittel gegen Nahrungsmangel und Energieknappheit. „Es wäre völlig abwegig, die rund 400 Millionen Kleinbauern auf dieser Welt mit Computern und Feldrobotern ausstatten zu wollen", machte Ministerialrat Stefan Schulz deutlich. Dennoch braucht die Menschheit eine hocheffiziente und intensive Landwirtschaft zur Versorgung der übrigen Weltbevölkerung, die keinen Zugang zur Landwirtschaft hat. Mit Blick auf Deutschland zeigte sich Stefan Schulz überzeugt: „Der Einsatz von Spitzentechnologie ermöglicht den Erhalt des mittelständischen Landwirtschaftsbetriebs".

Der Tagungsband „Automatisierung und Roboter in der Landwirtschaft"
(175 S., 24 €, ISBN 978-3-941583-36-8, Best.-Nr. 11480) ist erhältlich beim KTBL e.V., Tel. 06151/7001-189, E-Mail: vertrieb@ktbl.de oder im Online-Shop unter www.ktbl-shop.de
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