Braunschweig (agrar-PR) -
Züchtungsforscher des Julius Kühn-Instituts (JKI) nutzen neues Resistenz-Gen aus Wildgerste,
um Kulturgerste resistent gegen schädliches Gelbverzwergungs-Virus zu machen Gerstengelbverzwergungsvirus klingt zwar lustig, Landwirten
vergeht jedoch das Lachen angesichts der Schäden, die die Viren der
Luteo-Familie bei Gerste und anderem Getreide anrichten. Versuche, neue
Gersten-Sorten zu züchten, die den durch Blattläuse übertragenen Viren
Paroli bieten, scheiterten bisher. Keine der näheren Verwandten der
Kulturgerste besitzt die nötigen Resistenz-Gene.
Die Züchtungsforscher
des Julius Kühn-Instituts (JKI) sind jedoch bei einer Wildart fündig
geworden.
Das Team um Dr. Peter Wehling hat ihr Resistenz-Gen in die
Kulturgerste
Hordeum vulgare
übertragen und so virusresistente Pflanzen erhalten. Wie sie bei diesem
„smart breeding“ vorgegangen sind, beschreiben die Wissenschaftler aus
dem mecklenburgischen Groß Lüsewitz im aktuellen Septemberheft der
renommierten Fachzeitschrift „Theoretical and Applied Genetics“.
Die JKI-Wissenschaftler erforschen als eine von zwei
Arbeitsgruppen weltweit systematisch den sekundären Genpool der Gerste
und seines einzigen Vertreters
Hordeum bulbosum.
„Diese Wildart ist nicht so nah mit unserer Gerste verwandt wie zum
Beispiel die alten Landsorten im primären Genpool. Das heißt, um ihre
Gene erfolgreich in die Kulturgerste einzukreuzen, muss man etwas
tricksen“, sagt Dr. Peter Wehling.
Bevor sich die Züchtungsforscher
überhaupt an die Kreuzung wagen konnten, mussten sie zunächst ein Gen
identifizieren, das die Pflanze resistent gegen das
Gelbverzwergungsvirus, kurz BYDV, macht.
„Bisher gibt es nur
virustolerante Gerstensorten. Sie wurden vom Virus infiziert, ohne dass
die Pflanzen den charakteristischen kleinen Wuchs und die Vergilbung
aufwiesen“, berichtet Wehling. Der Nachteil war jedoch, dass diese
Pflanzen dennoch Virusträger waren und munter zur Virusverbreitung
beitrugen. Denn sie wurden weiterhin von Blattläusen angeflogen. „Das
von uns neu gefundene Gen Ryd4 Hb aus
Hordeum bulbosum (Hb)
verleiht den Pflanzen jedoch eine vollständige Resistenz“, so Wehling.
Zudem seien die eingekreuzten Genstücke aus der Wildart stabil im
dritten Chromosom der Kulturgerste etabliert. Damit steht die Basis,
um
neue resistente Gerstensorten zu züchten.
Einige weitere Kreuzungsschritte müssen die JKI-Forscher noch
durchführen, um zufällig mitübertragene Hb-Gene mit unerwünschten
Wirkungen zu entfernen. Doch bereits jetzt erweist sich das Erbgut der
„wilden Verwandten“ als großer Schatz. Die JKI-Forscher haben bereits
zwei Gene gegen bodenbürtige Gelbmosaikviren, ein Gen gegen
Rhynchosporium-Blattflecken, ein Gen gegen Mehltau und eines gegen
Zwergrost mit modernen Kreuzungsmethoden aus
Hordeum bulbosum in die Gerste
Hordeum vulgare übertragen. Momentan arbeiten sie an der Resistenz gegen Ramularia und gegen Fadenwürmer (Getreidezystennematoden).
Originalpublikation DOI: 10.1007/s00122-009-1093-3
M. Scholz, B. Ruge-Wehling, A. Habekuß, O. Schrader, G. Pendinen,
K. Fischer and P. Wehling:
“Ryd4Hb: a novel resistance gene
introgressed from
Hordeum bulbosum
into barley and conferring complete and dominant resistance to the
barley yellow dwarf virus”, TAG Theoretical and Applied Genetics, Vol.
119,
Nr 5 / Sept 2009 S.837-849
Hintergrund zum Gerstengelbverzwergungs-Virus:
Das Gelbverzwergungsvirus (BYDV für Barley Yellow Dwarf Virus)
profitiert vom Klimawandel.
Seine Überträger sind wärmeliebende
saugende Insekten wie die Haferblattlaus und die Große
Getreideblattlaus. Das BYD-Virus verursacht in Wintergerste nach milden
Wintern erhebliche Ertragseinbußen (zuletzt in 2007), da in solchen
Wintern die Blattläuse im Januar/Februar noch aktiv sind. Die
Bekämpfung ist nur durch eine rechtzeitige Insektizidbehandlung
möglich, die die Vektoren abtötet, bevor sie das Virus im
Pflanzenbestand verbreiten können. Eine nachhaltigere Strategie ist der
Anbau
resistenter Sorten.
Hintergrund zu Gerste:
Gerste ist nach Weizen die wichtigste Getreideart in Deutschland
mit einer Anbaufläche von 1,961 Mio. ha (2009); davon 1,417 Mio. ha
Wintergerste und 543000 ha Sommergerste.
Zum Vergleich: Weizen 3,212 Mio. ha, Roggen 736.000 ha, Hafer
179.000 ha, Triticale 399.000 ha.
Der größte Anteil der Gerste wird
verfüttert; nur ein geringerer Teil (ca. 450 ha) entfällt auf
Braugerste
zur Bierherstellung.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Peter Wehling
Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen
am Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI)
Rudolf-Schick-Platz 3, 18190 Sanitz OT Groß Lüsewitz
Tel.: 038209 / 45-200
E-Mail: peter.wehling(at)jki.bund.de