Stuttgart (agrar-PR) -
3. Sept. 2009, 9.00-10.30 Uhr: Demonstration für Journalisten auf den Versuchsfeldern
Universität Hohenheim, Heidfeldhof, Filderhauptstr. 201, 70599 Stuttgart
7.-9. Sept. 2009: Globale Pflanzenzüchter-Konferenz mit neuen Forschungsergebnissen an der Universität Hohenheim „Ertragssteigerungen um 30 bis 70 Prozent – und das ohne Gentechnik“
hält Prof. Dr. Albrecht E. Melchinger bei vielen Kulturpflanzen für
möglich. Das Zauberwort lautet Hybridzüchtung. Neue Erkenntnisse und
Methoden wecken berechtigte Hoffnungen, das gigantische Potential von
Pflanzenhybriden weltweit besser nutzen zu können. Der Leiter einer
führenden Forschergruppe lädt nun zur internationalen
Heterosis-Konferenz, um die Ergebnisse von sechs Jahren
Forschungsarbeit vorzustellen.
Weitere Infos auch unter www.uni-hohenheim.de/heterosis
Im zweiten Weltkrieg soll sie mit
kriegsentscheidend gewesen sein: die neue Technik, mit der US-Züchter
die Erträge ihrer Maisfelder mit einem Schlag verdoppelten. Selbst als
verheerende Dürren das Land heimsuchten, blieben die neuen Sorten hoch
produktiv. So sehr, dass die US-Farmer Überschüsse produzierten – und
die damals verbündete UdSSR mit Nahrungsmitteln unterstützen konnten.
Der geniale Trick der Hybrid-Züchter: Sie züchten
Linien, die sie über Generationen nur mit sich selbst bestäubten. Das
Ergebnis sind Pflanzen, die durch die Inzucht degeneriert sind: sie
sind nur schwachwüchsig und die Erträge sind sehr schlecht. Doch kreuzt
man zwei solcher Inzucht-Linien, entsteht eine Hybride, deren Saatgut
extrem hohe Erträge liefert.
Großwüchsige Kinder von kümmerlichen Eltern: Pflanzenzüchter nutzen ein bizarres Phänomen
Als „Heterosis“ bezeichnet man das Phänomen, dass
degenerierte Eltern in Mischehe besonders kräftige Nachkommen
(Bastarde) hervorbringen. Welche Ursachen dem zugrunde liegen, blieb
lange rätselhaft. Was Züchter allerdings nicht hinderte, das Phänomen
auszunutzen.
Heute gibt es Hybriden zum Beispiel bei Mais,
Zuckerrüben und Tomaten. Als Pioniere betätigte sich mehrfach
Wissenschaftler der Universität Hohenheim: In den 60er Jahren wurden
dort die ersten Maishybriden für Deutschland entwickelt und in den 80er
Jahren gelang weltweit erstmals die Züchtung von Hybridsaatgut bei
Roggen. Die Erträge stiegen allein wegen Nutzung der Heterosis um 20
Prozent. Aktuell forscht neben Deutschland vor allem China an der
Hybrid-Technik. 50 Prozent der Reisfelder tragen inzwischen
Hybridsorten – mit Mehrerträgen von über 30%.
„Angesichts der Erwartungen, die die Forscher an
die Gentechnik knüpften, ist die Hybridtechnik in den vergangenen
Jahrzehnten eher stiefmütterlich behandelt worden“, so die Einschätzung
von Züchter
Prof. Dr. Melchinger. Derzeit sei jedoch eine Trendwende
auszumachen. So hätten die USA im vergangenen Jahr ein neues
Forschungsprogramm aufgelegt um den wissenschaftlichen Rückstand in
Sachen Heterosis aufzuholen.
Zwei Trends sprechen für Renaissance
„Zwei Trends sprechen dafür, dass sich die
Hybridtechnik in den kommenden Jahren auf breiter Front durchsetzen
könnte“, fasst Prof. Dr. Melchinger die Ergebnisse der Forschergruppe
zusammen: „Ein neues Arsenal an molekularbiologischen und
bioinformatischen Methoden sowie ein tieferes Verständnis, was den
Heterosis-Effekt bewirkt“.
„Eine Zeitlang gab es die Theorie, dass es einzelne
Heterosis-Gene gäbe, die vielleicht auch geklont werden könnten. Heute
wissen wir, dass diese Suche eine Sackgasse ist. Die Gene in Pflanzen
agieren vielmehr als Systeme, bei denen das Gesamtsystem mehr ist, als
die Summe der Einzelteile – wodurch Phänomene wie Heterosis möglich
werden“, meint Prof. Dr. Melchinger.
Durch mathematische Modelle und neue
Computersoftware können solche komplexen Systeme heute simuliert
werden. „Statt herumzuprobieren könnten wir Heterosis-Prozesse dann
voraussagen und gezielt nutzen. Bislang sind viele unserer Ergebnisse
Pionierarbeit, die noch verifiziert werden müssen. Da die
Systembiologie aber enorme Fortschritte macht, ist dies nur noch eine
Frage der Zeit.“
Auch in der Anwendung gäbe es neue Techniken, die
laut Prof. Dr. Melchinger das Potential hätten,
die Hybrid-Züchtung
noch einmal zu revolutionieren. Denn durch die Molekularbiologie ließe
sich ein Mengenproblem in den Griff bekommen, mit dem die
Hybridzüchtung besonders zu kämpfen habe.
„Für die Entwicklung neuer Hybride schaffen
Saatzuchtfirmen für jede Elternseite jeweils 10.000 Inzucht-Linien.
Damit lassen sich 100 Millionen Hybriden im Jahr erzeugen“, errechnet
der Züchtungsforscher.
Eine Zahl, von der nur ein Bruchteil angebaut
und getestet werden kann.
Doch inzwischen ließen sich die aussichtsreichen
Hybridkandidaten schon im frühen Wachstumsstadium identifizieren:
„Anhand von Genomanalysen können wir schon am Embryo die Hybride mit
dem besten Eigenschaften aussortieren und gezielt vermehren. Und in
wenigen Jahren werden wir sogar noch einen Schritt weiter sein: Dann
wäre es finanziell machbar, das Erbgut der Inzucht-Eltern zu
entschlüsseln und alle 100 Millionen Hybride vorherzusagen.“
Hintergrund: Forschungsprojekt Heterosis
Von 2003 bis 2009 koordiniert das Institut für
Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik der
Universität Hohenheim das bundesweite Schwerpunktprogramm der Deutschen
Forschungsgemeinschaft
Heterosis bei Pflanzen – Genomforschung
zur Kausalanalyse eines biologischen Schlüsselphänomens und Grundlagen
für dessen optimale Nutzung in der Pflanzenzüchtung.
Ziel des
Projektes war es, die genetischen und molekularen Ursachen der
Heterosis zu entschlüsseln und neue Strategien für die Pflanzenzüchtung
zu entwickeln.