15.04.2010 | 00:00:00 | ID: 5384 | Ressort: Landwirtschaft | Wissenschaft & Forschung

Nachhaltiger Obstbau für Bulgarien

Schweiz und Bulgarien (agrar-PR) - Den Obstbau in Bulgarien auf eine nachhaltige Produktionsweise umstellen – dazu beigetragen haben Insektenspezialisten der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW. Im Zentrum stand der Apfelwickler, der in Bulgarien wegen eines intensiven Insektizid-Einsatzes weitgehend gegen herkömmliche Pflanzenschutzmittel resistent geworden war. Mit innovativen, umweltfreundlichen Bekämpfungsstrategien erzielten ACW-Fachleute und bulgarische Wissenschaftler darauf gemeinsam Erfolge. So konnte die Menge an Insektiziden massgeblich reduziert und die Entstehung neuer Resistenzen verhindert werden. Der Schweizerische Nationalfonds hat das Projekt finanziert.

1990 – die sozialistische Planwirtschaft in den osteuropäischen Ländern bricht zusammen. Doch die Privatisierung und der Übergang zu neuen Produktionsformen verlief im traditionell wichtigen Obstbau schleppend und wenig koordiniert. Dies führte in Bulgarien unter anderem zu einer Spirale des immer stärkeren Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Die Schadinsekten entwickelten schliesslich Resistenzen gegen diese Mittel.

Dies geschah insbesondere beim Apfelwickler – einem unscheinbaren Schmetterling, dessen Larve – die so genannte Obstmade – der wichtigste Schädling im Apfelanbau ist. Neuartige, gezielt wirkende und nützlingsschonende Bekämpfungsmethoden – wie sie in der Schweiz gang und gäbe sind – waren in Bulgarien weder zugelassen, noch hatte man Erfahrungen mit deren Anwendung.

«So haben uns die Fachkollegen angefragt, ob wir unsere Erkenntnisse beim Übergang zu einem nachhaltigen Obstbau einbringen könnten», erklärt Jörg Samietz, Insektenforscher und Leiter der Zoologie an der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW.

Wissenstransfer zu beidseitigem Vorteil

Ein gemeinsames SCOPES-Projekt (siehe unten) von ACW und dem  bulgarischen Fruitgrowing Institute in Plovdiv führte schliesslich zum Erfolg. Zuerst haben ACW-Experten in den Schweizer Labors bestimmt, wie stark der bulgarische Apfelwickler gegen chemische Pflanzenschutzmittel resistent ist. Zwischen 2006 und 2009 hat man dann in über fünfzig Feldversuchen alternative Methoden in unterschiedlichen Obstbaugebieten Bulgariens auf ihre Wirksamkeit getestet und dabei die Populationen des Apfelwicklers streng überwacht. Die Experimente wurden gemeinsam geplant und ausgewertet sowie durch die bulgarischen Forscher kompetent vor Ort betreut. Den optimalen Zeitpunkt für die neuen Bekämpfungsmassnahmen bestimmten wiederum die ACW-Fachleute mit ihrem Prognosesystem SOPRA (www.sopra.info). Dank des Bulgarien-Einsatzes konnte die  Prognose des Apfelwicklers gleichzeitig für eine neue Klimazone optimiert werden.

Verwirrungstechnik und Insekten-Viren

Bereits die ersten Versuche in Bulgarien zeigten, dass bei genügend grossen Obstanlagen die Pheromon-Verwirrungstechnik (siehe unten) ausgezeichnet wirkt. Bei hohen Populationen kann zudem eine weitere biologische Bekämpfungsmassnahme eingesetzt werden: artspezifische Insekten-Viren, an denen die Obstmaden erkranken und sterben. Unterstützt wird diese Bio-Methode durch gezielten Einsatz von Wachstumsregulatoren – Substanzen, die in den Hormonstoffwechsel der Schädlinge eingreifen und sie damit dezimieren, aber Nützlinge schonen. Die besten Ergebnisse hat man erreicht, wenn der Einsatz dieser alternativen Methoden genau auf das Auftreten der einzelnen Entwicklungsstadien des Schädlings abgestimmt war. Diese Zeitpunkte konnten mit der an die örtlichen Bedingungen angepassten Schädlingsprogose von ACW vorhergesagt werden. In diesem Frühjahr gehen die Erkenntnisse nun schliesslich in die praktische Anwendung über. Jörg Samietz von Agroscope Changins-Wädenswil ist sich gewiss: «Die sicheren und nachhaltigen Strategien werden sich durchsetzen. Die Ergebnisse überzeugen.»

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Programm SCOPES

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) und die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) tragen gemeinsam das Förderinstrument SCOPES (Scientific co-operation between Eastern Europe and Switzerland). Mit diesem Programm wird die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Forschungsgruppen und Institutionen in der Schweiz und in Osteuropa unterstützt. Dabei werden innovative Projekte zu spezifischen Fragestellungen gefördert. Auch Bulgarien konnte vor dem Beitritt zur Europäischen Union am SCOPES-Programm teilnehmen.

Pheromon-Verwirrungstechnik

Die Weibchen des Apfelwicklers geben artspezifische Duftstoffe ab, um die Männchen zur Paarung anzulocken. Verteilt man diese Pheromone nun mit speziellen Verdampfern flächendeckend in einer Obstanlage, so können sich die Männchen nicht mehr nach dem Duft der Weibchen orientieren. Die Weibchen bleiben unbefruchtet, und aus abgelegten Eiern schlüpfen keinen Larven. Die Äpfel bleiben von Obstmaden verschont.
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Agroscope
Agroscope
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