Schweiz und Bulgarien (agrar-PR) - Den
Obstbau in Bulgarien auf eine nachhaltige Produktionsweise umstellen – dazu
beigetragen haben Insektenspezialisten der Forschungsanstalt Agroscope
Changins-Wädenswil ACW. Im Zentrum stand der Apfelwickler, der in Bulgarien
wegen eines intensiven Insektizid-Einsatzes weitgehend gegen herkömmliche Pflanzenschutzmittel
resistent geworden war. Mit innovativen, umweltfreundlichen Bekämpfungsstrategien
erzielten ACW-Fachleute und bulgarische Wissenschaftler darauf gemeinsam Erfolge.
So konnte die Menge an Insektiziden massgeblich reduziert und die Entstehung
neuer Resistenzen verhindert werden. Der Schweizerische Nationalfonds hat das
Projekt finanziert.1990
– die sozialistische Planwirtschaft in den osteuropäischen Ländern bricht
zusammen. Doch die Privatisierung und der Übergang zu neuen Produktionsformen
verlief im traditionell wichtigen Obstbau schleppend und wenig koordiniert.
Dies führte in Bulgarien unter anderem zu einer Spirale des immer stärkeren
Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Die Schadinsekten entwickelten
schliesslich Resistenzen gegen diese Mittel.
Dies geschah insbesondere beim Apfelwickler – einem unscheinbaren
Schmetterling, dessen Larve – die so genannte Obstmade – der wichtigste
Schädling im Apfelanbau ist. Neuartige, gezielt wirkende und nützlingsschonende
Bekämpfungsmethoden – wie sie in der Schweiz gang und gäbe sind – waren in
Bulgarien weder zugelassen, noch hatte man Erfahrungen mit deren Anwendung.
«So haben uns die Fachkollegen angefragt, ob wir unsere Erkenntnisse beim
Übergang zu einem nachhaltigen Obstbau einbringen könnten», erklärt Jörg
Samietz, Insektenforscher und Leiter der Zoologie an der Forschungsanstalt
Agroscope Changins-Wädenswil ACW.
Wissenstransfer zu beidseitigem
Vorteil
Ein gemeinsames SCOPES-Projekt (siehe unten) von ACW und dem bulgarischen Fruitgrowing Institute in Plovdiv
führte schliesslich zum Erfolg. Zuerst haben ACW-Experten in den Schweizer
Labors bestimmt, wie stark der bulgarische Apfelwickler gegen chemische
Pflanzenschutzmittel resistent ist. Zwischen 2006 und 2009 hat man dann in über
fünfzig Feldversuchen alternative Methoden in unterschiedlichen Obstbaugebieten
Bulgariens auf ihre Wirksamkeit getestet und dabei die Populationen des Apfelwicklers
streng überwacht. Die Experimente wurden gemeinsam geplant und ausgewertet
sowie durch die bulgarischen Forscher kompetent vor Ort betreut. Den optimalen
Zeitpunkt für die neuen Bekämpfungsmassnahmen bestimmten wiederum die ACW-Fachleute
mit ihrem Prognosesystem SOPRA (www.sopra.info). Dank des Bulgarien-Einsatzes
konnte die Prognose des Apfelwicklers gleichzeitig
für eine neue Klimazone optimiert werden.
Verwirrungstechnik und
Insekten-Viren
Bereits die ersten Versuche in Bulgarien zeigten, dass bei genügend
grossen Obstanlagen die Pheromon-Verwirrungstechnik (siehe unten) ausgezeichnet wirkt. Bei hohen
Populationen kann zudem eine weitere biologische Bekämpfungsmassnahme
eingesetzt werden: artspezifische Insekten-Viren, an denen die Obstmaden erkranken
und sterben. Unterstützt wird diese Bio-Methode durch gezielten Einsatz von
Wachstumsregulatoren – Substanzen, die in den Hormonstoffwechsel der Schädlinge
eingreifen und sie damit dezimieren, aber Nützlinge schonen. Die besten Ergebnisse
hat man erreicht, wenn der Einsatz dieser alternativen Methoden genau auf das
Auftreten der einzelnen Entwicklungsstadien des Schädlings abgestimmt war.
Diese Zeitpunkte konnten mit der an die örtlichen Bedingungen angepassten Schädlingsprogose
von ACW vorhergesagt werden.
In diesem Frühjahr gehen die Erkenntnisse nun
schliesslich in die praktische Anwendung über. Jörg Samietz von Agroscope
Changins-Wädenswil ist sich gewiss: «Die sicheren und nachhaltigen Strategien werden
sich durchsetzen. Die Ergebnisse überzeugen.»
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Programm SCOPES
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) und die Schweizer Direktion für Entwicklung
und Zusammenarbeit (DEZA) tragen gemeinsam das Förderinstrument SCOPES (Scientific
co-operation between Eastern Europe and Switzerland). Mit diesem Programm wird die
wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Forschungsgruppen und Institutionen
in der Schweiz und in Osteuropa unterstützt. Dabei werden innovative Projekte
zu spezifischen Fragestellungen gefördert. Auch Bulgarien konnte vor dem
Beitritt zur Europäischen Union am SCOPES-Programm teilnehmen.
Pheromon-Verwirrungstechnik
Die Weibchen des Apfelwicklers
geben artspezifische Duftstoffe ab, um die Männchen zur Paarung anzulocken.
Verteilt man diese Pheromone nun mit speziellen Verdampfern flächendeckend in einer
Obstanlage, so können sich die Männchen nicht mehr nach dem Duft der Weibchen
orientieren. Die Weibchen bleiben unbefruchtet, und aus abgelegten Eiern
schlüpfen keinen Larven. Die Äpfel bleiben von Obstmaden verschont.