Zürich (agrar-PR) - An der ETH werden sich morgen zahlreiche Experten über
die Möglichkeiten, Chancen und Risiken von Gentechnologie in der
Landwirtschaft äussern. Noch immer ist der öffentliche Diskurs geprägt
von Angst, Ablehnung und Misstrauen gegenüber der grünen
Gentechnologie. Der Sozialwissenschaftler Philipp Aerni, Oberassistent
an der Professur Agrarwirtschaft, untersuchte im Rahmen des NFP 59 zu
Risiken und Chancen von GVO-Pflanzen, ob Konsumenten Gentechprodukte
akzeptieren. Seine Studie überrascht.
Philipp Aerni, Sie
haben ein aussergewöhnliches «Feldexperiment» mit gentechnisch verändertem Mais
gemacht. Wie ist es gelaufen?
Wir bauten in Bern, Biel, Lausanne und an zwei Standorten in
Zürich Stände auf, an denen wir drei Arten von Maisbrot verkauften: Eines wurde
mit biologischem, eines mit konventionellem und eines mit gentechnisch
verändertem Mais hergestellt. Der Gentech-Mais stammt aus Spanien und ist in
der Schweiz seit 10 Jahren zugelassen. In einer ersten Phase verkauften wir nur
Bio- und konventionelles Maisbrot, später nahmen wir Gentech-Brot ins Angebot auf.
Was war nötig, damit
die Kunden unvoreingenommen entscheiden konnten?
Kunden sahen dem Stand von weitem nicht an, dass
Gentech-Produkte angeboten werden. Am Stand sahen sie, dass wir die Brote klar
deklariert haben. Die Verkäufer informierten die Kunden sachlich, um welche Brote
es sich handelte. Es gab auch drei Preisszenarien: Einmal war Gentech-Maisbrot
gleich teuer wie Biomaisbrot, einmal gleich teuer wie Konventionelles und
einmal teurer. Der Preisunterschied betrug stets
30 Prozent.
Wer waren die
Verkäufer? Agrobusiness-Vertreter?
Unsere Verkäufer waren Bauernfamilien, Marktfrauen oder Studierende
und Schulklassen. Verkaufsgruppen, die Bauernfamilien oder Marktfrauen
repräsentierten, waren meistens über 40 Jahre alt, Schüler und Studenten 25
Jahre oder jünger. Wir wollten ursprünglich auch Agrobusiness-Vertreter an den
Stand holen, es war aber nicht möglich diese für die ganze Dauer des Versuchs
zu verpflichten.
Beeinflussten die
Verkäufer aufgrund ihres Äusseren das Kaufverhalten?
Ja. Junge verkauften mehr Gentech-Brot als Bauern oder
Marktfrauen, erzielten aber weniger Umsatz.
Die Bereitschaft der Kunden, die
meist selbst über 35 Jahre alt und weiblich waren, den Jungen etwas «Eigenartiges»
abzukaufen, war höher.
Bestand nicht die
Gefahr, dass sie den Leuten etwas aufschwatzten?
Die Verkäufer wurden geschult, alle drei Brotypen gleich
anzupreisen. Wenn jemand fragte, wieso auch Gentech-Maisbrot im Angebot ist,
war das Argument der Verkäufer, dass der Mais in der Schweiz seit
10 Jahren zugelassen
ist, bis anhin aber nirgendwo verkauft wird. Die Kunden hatten die volle Wahlfreiheit.
Wir haben niemand gezwungen, Gentech-Brot zu kaufen.
Wie war das Echo der
Kunden?
Mit dem jeweiligen Brotkauf übergaben wir den Kunden ein
Couvert, das einen Fragebogen zu ihrem Abstimmungsverhalten bei der
Moratoriums-Initiative von 2005 enthielt. Wir wollten herausfinden, ob sich ihre
Einstellung gegenüber Gentech und das Kaufverhalten überschneiden. Dabei zeigte
es sich, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen Abstimmungs- und
Kaufverhalten. Die Hälfte der Konsumenten, die Bio kauften, waren gegen die
Initiative. Die Mehrheit, die das Gentechbrot kaufte, war für die Initiative.
Ein Drittel wusste nicht mehr, was sie abgestimmt hatten oder gingen gar nicht
an die Urne .
Hat Sie dies
überrascht?
Überraschend war, dass 23 Prozent der Konsumenten mindestens
ein Gentech-Brot kauften.
Der Unterschied zwischen Deutsch- und Westschweiz ist
gleich Null, aber innerhalb von Zürich zwischen Gemüsebrücke und Bahnhofstrasse
riesig. Nur 16 Prozent der Gemüsebrücke-Kunden kauften Gentech,
an der
Bahnhofstrasse aber 26 Prozent. Auf der Gemüsebrücke herrschte offensichtlich ein
moralischer Druck. Beim Kontrollexperiment wurde dort am wenigsten Bio eingekauft,
solange Gentech nicht im Angebot war. Sobald Gentech aber verkauft wurde, kauften
die Leute häufiger Bio. Die Käufer fühlten sich offenbar dazu verpflichtet, das
«Gute» zu wählen.
Welchen Einfluss
hatte der Preis?
War der Preis für Gentech tiefer als für die anderen Sorten,
dann kauften 26 Prozent der Kunden das Gentech-Brot. Wenn Bio und Gentech
gleich teuer war, kauften noch immer 20 Prozent der Kunden mindestens ein
Gentech-Brot.
Wie schmeckte den
Kunden das Brot?
Bei Kunden, die nur Gentech-Brot kauften, wurde es von allen
drei Broten am besten bewertet. Wenn sie es zusammen mit den anderen beiden
Sorten kauften, wurde es etwas schlechter als Bio bewertet. Das hat aber mit
der Einstellung im Kopf zu tun: Bio muss ja besser sein als Gentech, obwohl alle
Brote vom gleichen Bäcker nach einheitlichem Rezept gebacken wurden. Wenn man
schon vorher weiss, wie es schmecken soll, dann schmeckt es tatsächlich besser.
Glaubt man den Medien
oder Umweltorganisationen, dann wollen die Leute Gentech-Produkte nicht auf dem
Teller haben. Stimmt das?
Unser Versuch zeigt einen deutlichen Unterschied auf zwischen
den Leuten auf der Strasse und dem Medienspektakel um vermeintliche Gentech-Skandale.
Auf der Strasse spürte ich nichts davon. Obwohl wir anfänglich befürchteten, dass
radikale Gentechgegner unseren Versuch stören könnten, blieben die Proteste aus.
Wahrscheinlich hat es auch damit zu tun, dass alle Leute frei wählen konnten
und die Werbung für die Maisbrote sich auf alle drei Brottypen bezog.
Wie kommt das, dass viele
Forscher das Gefühl haben, dass sich alle gegen Gentech verschworen haben? Ihre
Studie und Erfahrungen würden dieses Argument entkräften.
Zwischen dem, was die Leute sagen und dem, was sie an
unserem Marktstand entschieden haben, besteht eine Kluft. Wenn man Konsumenten
fragt, was sie von Gentechnologie halten, suchen sie nach der letzten
Information, die sie abgespeichert haben, beispielsweise nach dem letzten
Skandal. Die Reaktion ist dann die, dass sie sagen, Gentech berge Risiken, die
man nicht eingehen dürfe. Stehen sie an einem Marktstand, kommt die
Weltanschauung nicht zum Tragen. Radio DRS fragte am Ende des Versuchs die
Leute, weshalb sie Bio und nicht Gentech kaufen. Die Antwort: «Das muss ich
nicht haben». Aber genauer erklären konnten es die Befragten nicht. Das Wort
Gentech ist negativ besetzt. Das ist der einzige erkennbare Ansatz.
Ihre Resultate sprechen
nicht gegen Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Wer das jedoch nicht
anerkennen will, wird weiterhin sagen, dass niemand GVO-Food will. Wie sehen
sie das?
Wenn im Durchschnitt 50 Prozent der Brote in Bio-Qualität
verkauft werden, kann man das auch als Argument für mehr Bio nehmen. 20 Prozent
Martkanteil von Gentech-Brot ist relativ wenig, aber für eine Markteinführung
ist es dennoch relativ viel. Letztlich kommt es bei dieser Ausgangslage wohl darauf
an, wer die Studie anschaut und von welcher Weltanschauung die entsprechende
Person geprägt ist. Jeder pickt das raus, was ihn bestätigt.