Zürich (agrar-PR) -
2009 feiert das Internet verschiedene Geburtstage: 40 Jahre Arpanet, 30 Jahre Usenet und 20 Jahre World Wide Web. An der ETH Zürich wird zur Zeit im Rahmen eines EU-Projekts an der Zukunft des Internets geforscht. Anlässlich
des 40-jährigen Geburtstags des Internets trafen sich im März dieses Jahres
einige seiner «Väter» zum
NetArch-Symposium in Ascona, um über die Geschichte und
die Zukunft des Internets zu diskutieren. Bernhard Plattner, Professor am
Institut für technische Informatik und Kommunikationsnetze der ETH Zürich, ist
einer der Organisatoren des Workshops. Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts
FIRE
(Future Internet Research and Experimentation) arbeitet er an der Weiterentwicklung
des Internets. «Seit 20 Jahren hat sich an der Architektur des Internets
grundsätzlich nicht viel verändert», sagt Bernhard Plattner. Die ökonomischen,
organisatorischen und rechtlichen Anforderungen seien in dieser Zeit aber
immens gestiegen. Applikationen die unter Schlagworten wie «e-commerce»,
«web
2.0» und «social networks» zusammengefasst werden, erfordern neue technische
Aspekte, mit welchen die Sicherheit und Stabilität dieser Anwendungen
gewährleistet werden kann. Die Forschungsgruppen um Bernhard Plattner
beschäftigen sich zur Zeit mit zwei grossen Projekten:
ANA (Autonomic Network
Architecture), einer neuen, dynamischen Struktur eines zukünftigen Internets,
und
ResumeNet, einem Projekt, das die Sicherheit und Robustheit von Netzwerken
verbessern soll.
Neues
Rückgrat für das Internet
Das
Internet, wie wir es heute kennen, hat eine Schichtenarchitektur, abgeleitet
aus dem OSI-Referenzmodell (Open Systems Interconnection). Auf der untersten
Schicht findet die eigentliche Bitübertragung statt, auf der obersten Schicht
liegen die Anwendungen der Datenübertragung wie E-Mail. Dazwischen fungiert die
Vermittlungsschicht des TCP/IP-Modells als eigentliches Rückgrat des Internets.
«Das ANA-Modell verzichtet auf diese Schichten», erklärt Bernhard Plattner. «Es
geht von einzelnen Funktionsblöcken aus, welche nach Bedarf mit einander
verbunden werden können.» Ziel dieses Modells ist, dass sich ein Netzwerk
autonom organisieren kann, nur jene Komponenten verwendet, die tatsächlich
benötigt werden und auftretende Fehler selbstständig korrigiert. Das Projekt
ANA neigt sich Ende dieses Jahres seinem Ende zu. «Das Ziel einer neuen
Netzwerk-Architektur haben wir weitgehend erreicht», fasst Plattner zusammen. «Wie
weit sich diese Architektur jedoch autonom organisiert und ob unsere Vorschläge
akzeptiert werden, wird sich zeigen.»
Das ANA-Projekt beschränkt sich auf die
technischen Aspekte eines zukünftigen Internets. Um die wachsenden,
vielfältigen Ansprüche an bestehende Netzwerke geht es im Projekt ResumeNet.
Schutzmauer
für die Netze der Zukunft
Das
primäre Ziel von ResumeNet ist die Robustheit (Resilience) des bestehenden,
aber auch des zukünftigen Internets zu messen, zu erhöhen und damit besser
gegen Angriffe zu schützen. «Bisherige Bestrebungen, die Verfügbarkeit von
Netzen und Diensten zu verbessern, kann man mit einem Reserverad an einem Auto
vergleichen», sagt Bernhard Plattner. «Bei einer Reifenpanne kann ein Rad
ersetzt werden und das Auto fährt weiter.» Diese Art von Massnahmen sichern das
Internet aber eher gegen zufällige Ausfälle. Gegen gezielte Attacken, welche
gar das ganze Internet lahmlegen könnten, bieten bestehende
Sicherheitsmassnahmen keinen ausreichenden Schutz. Der Ansatz von ResumeNet
kann dagegen eher mit einer Befestigung verglichen werden, die eine Burg vor
gezielten Angriffen schützen soll. Bildlich gesprochen besteht diese
Befestigung aus einem inneren und einem äusseren Ring. Der Äussere wird durch
vier Prozesse einer Kontrollschleife geschützt: Zuvorderst steht eine starke
Schutzmauer (Defense), die die Robustheit des Internets verkörpert. Angriffe
werden von Wachen auf dieser Mauer registriert (Detection) und abgewehrt
(Remediation). Nach einem Angriff werden die Mauern repariert und gefallene
Wachen ersetzt (Recovery). Im inneren Ring werden die Schwachstellen des
äusseren Verteidigungsrings aufgespürt (Diagnosis) und Strategien entwickelt,
wie zukünftige Angriffe durch die Verbesserung des äusseren Rings verhindert
werden können (Refinement).
Neue
Wegweiser in der Entwicklung
ResumeNet
wird von neun Partnern aus sieben Ländern unter der Leitung von Bernhard Plattner
und seinem Mitarbeiter Dr. Merkourios Karaliopoulos vorangetrieben. Das Projekt
läuft mittlerweile seit einem Jahr.
«In diesem ersten Schritt sind wir daran,
die Zusammenarbeit zu koordinieren und Wege zu finden, die Robustheit von Netzwerken zu messen und Bereiche
auszuwählen, auf welche das System angewendet werden soll», erklärt Plattner. «Wir
fokussieren uns dabei auf vier Bereiche: Voice over IP, opportunistische
Kommunikation, drahtlose Netzwerke sowie eine spätere Demonstration auf ANA.»
In den kommenden drei Jahren wird sich zeigen, wie sich das Modell umsetzen
lässt. Dass sich das Internet, eben gerade aufgrund seiner Struktur, nicht von
Grund auf neu erfinden lässt, sondern sich lediglich an neue Entwicklungen
anpasst, hat die Vergangenheit gezeigt. «Über die Zukunft des Internets zu
spekulieren überlasse ich den Propheten», schmunzelt Bernhard Plattner. «Mit
unserer Forschung gehen wir einen Schritt in eine weitere Richtung.»
Rückblickend wird man sich aber vielleicht auch an das Jahr 2009, mit Projekten
wie ANA und ResumeNet, als wegweisend für die Entwicklung des Internets
erinnern.
Drei wichtige Geburtstage für das Internet
1969:
Vier Grossrechner von US-amerikanischen Universitäten werden zum Arpanet
zusammengeschlossen.
1979:Mit dem Usenet entsteht ein Vorläufer der heutigen Blogs und Diskussionsforen.
1989:
Tim Berners-Lee entwickelt am CERN einen Vorschlag für das Hypertext-System
HTML und legt damit den Grundstein für das World Wide Web.