Frankfurt (agrar-PR) - Rasche Abfolge von Hoch- und
Tiefpreisphasen wird der Normalfall – Rabobank-Analyst Weinhausen:
Zwischen 100 und 300 Euro pro Tonne ist beim Weizen künftig alles drin
– KAS und Phospatdünger können jetzt gekauft werden – Getreidepreis für
Veredelungsbetriebe vor allem Kostenfaktor – Weizenversprittung lohnt
sich wieder
Der jüngste Preissturz beim Getreide hat einen Vorgeschmack darauf
gegeben, worauf sich Ackerbauern bei der Vermarktung ihrer Ernte
künftig einstellen müssen. Jörg Weinhausen von der Rabobank
International in Frankfurt geht davon aus, dass die rasche Abfolge von
Hoch- und Tiefpreisphasen bei Agrarrohstoffen zur Normalität wird. „Ein
Preiskorridor zwischen 100 und 300 Euro pro Tonne wird Ihr täglich Brot
bei der Weizenvermarktung“, erklärte der Marktexperte bei einer
Podiumsdiskussion über aktuelle Markttrends bei Getreide und Ölsaaten,
die gestern im Rahmen der Unternehmertage 2009 der DLG (Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft) in Würzburg stattfand. Den künftigen
Gleichgewichtspreis für Weizen sieht Weinhausen zwischen 170 und 230
Euro/t, das Preisband werde sich gegenüber früheren Jahren also
deutlich nach oben verschieben. Solange der Weizenmarkt eine Bugwelle
an Überschüssen vor sich herschiebe, sei aber nicht an eine Rückkehr in
solche Preisregionen zu denken, zerstörte Weinhausen die Hoffnung
vieler Ackerbauern auf eine baldige Normalisierung am Weizenmarkt.
„Erst zur Ernte 2010 wird sich zeigen, ob die Weizenerzeuger rund um
den Globus stark genug auf die Bremse gestiegen sind, um das Angebot zu
verknappen“, so Weinhausen. Selbst viele Spekulanten hätten sich aus
den Agrarcommodities zurückgezogen, da Aktien momentan größere Renditen
versprächen.
Folgt man Folker Hellmeyer,
Chefanalyst der Bremer Landesbank, könnten die Weizenpreise demnächst
zumindest von der Nachfrageseite einen Schub erfahren. Der Banker geht
davon aus, dass die weltweit aufgelegten Konjunkturprogramme und
Zinssenkungen schnell greifen. Vor allem in den Schwellenländern könnte
dies die Nachfrage nach Agrarrohstoffen kurzfristig beflügeln. Ein
wichtiger Frühindikator sind für Hellmeyer die Energiepreise: „Das
Rohöl läuft als erstes nach oben, anschließend folgen die
Agrarrohstoffe.“ Ein aus Erzeugersicht positiver Nebeneffekt: Teures
Rohöl macht Biotreibstoffe attraktiver, was große Mengen Getreide und
Ölsaaten bindet. DLG-Vorstandsmitglied Carl-Christian von
Plate-Stralenheim warnte seine Berufskollegen davor, immer dem höchsten
Preis hinterher zu jagen. „Niemand kennt den besten
Vermarktungszeitpunkt im Voraus“, so von Plate-Stralenheim, der im
niedersächsischen Imbshausen einen Ackerbaubetrieb leitet. Daher könne
es auch eine Strategie sein, sich grundsätzlich mit dem „zweitbesten
Preis“ zufrieden zu geben. Geschäfte sollten in Zukunft immer dann
gemacht werden, wenn man mit dem Ergebnis gut leben kann. „Aber nur wer
seine Stückkosten kennt, kann den richtigen Zeitpunkt für eine Kosten
deckende Vermarktung finden“, so das DLG-Vorstandsmitglied.
Kalipreise haben noch Luft nach unten
Dr.
Nikolai von Roenne von der Raiffeisen Waren Zentrale Rhein-Main (RWZ)
empfahl den Landwirten, den Weizen aus der neuen Ernte lieber gleich zu
verkaufen statt einzulagern. „Der Weizenmarkt ist ziemlich tot, was
sich auch so schnell nicht ändern dürfte“, argumentierte von Roenne.
Daher sei es wenig wahrscheinlich, dass sich die Einlagerung dieses
Jahr rechnet. Erfreulicherweise hätten sich mittlerweile auch die
Betriebsmittelpreise an die veränderten Verdienstmöglichkeiten im
Ackerbau angepasst. Vor allem bei den Düngerpreisen sei man inzwischen
wieder in der Realität angekommen. „Kalkammonsalpeter kann jetzt
gekauft werden“, so die Empfehlung des Handelsexperten. Auch bei den
Phosphatpreisen sei inzwischen die Talsohle erreicht. Dagegen sei es
bei Kalidüngern ratsam, Käufe noch hinauszuzögern. „Da gibt es noch
Luft nach unten“, glaubt von Roenne. Aber auch die
Pflanzenschutzindustrie habe auf die desolaten Getreidepreise reagiert.
Bei Standardprodukten seien in der neuen Saison allenfalls
überschaubare Preissteigerungen zu erwarten. Allerdings seien bei
einzelnen Produkten Lieferengpässe auch in der neuen Saison nicht
auszuschließen. Von Roenne warnte davor, die Intensität im Ackerbau als
Reaktion auf die niedrigen Preise zurückzufahren: „Ob eine
Pflanzenschutzmaßnahme notwendig war, erkennt man immer
erst hinterher.“
Beim
Raps lohnt sich für von Roenne schon jetzt ein Blick auf die
Erntepreise 2010. Bei der Ölsaat könne es sinnvoll sein, bei einem
Kursanstieg im Herbst Teilmengen über Vorkontrakte abzusichern, „aber
nicht aus dem Bauch heraus, sondern abgeleitet von den
Produktionskosten“. Spätestens wenn im Frühjahr 2010 die neue
südamerikanische Sojaernte auf den Markt komme, müsse beim Raps wieder
mit Preisdruck
gerechnet werden.
Ölmühlen eingedeckt
Xenia
Worrall von der Cargill GmbH sieht bei den Rapspreisen in den kommenden
Monaten wenig Spielraum nach oben. Die heimischen Ölmühlen hätten den
Ende Mai einsetzenden Preisrückgang genutzt und sich bis zum
Jahresende, teilweise sogar darüber hinaus, mit Rohstoff eingedeckt,
begründete die Einkäuferin ihren pessimistischen Ausblick. Hierzulande
sorge eine Rekordernte über 6 Mio. t für Angebotsdruck.
Exportmöglichkeiten für EU-Raps gebe es nur im Rahmen von
Kleinstmengen. Eine Schiffsladung nach China sei wieder auf dem
Rückweg, da Peking nun doch nur kanadischen und australischen Raps
zukaufen wolle. Für die Höhe des Schlaglohns entscheidend sei jetzt die
Preisentwicklung auf der Produktseite. Beim Rapsöl sei durch die in
vielen EU-Ländern heraufgesetzten Biokraftstoffquoten ein leichter
Nachfrageanstieg möglich. Im Winter könne dem mineralischen Diesel kein
Biosprit auf Palm- oder Sojaölbasis beigemischt werden, wovon ebenfalls
das heimische Rapsöl profitiere. Beim Rapsschrot seien entgegengesetzte
Entwicklungen zu beobachten. Einerseits sei die Mischfutterproduktion
rückläufig, so dass über diese Schiene weniger Rapsschrot abfließe.
Andererseits könnte US-Sojaschrot durch die in der EU bestehenden
Nulltoleranz für nicht zugelassene, gentechnisch veränderte Organismen
(GVO) bis zum Frühjahr knapp werden und durch Rapsschrot in den
Rezepturen ersetzt werden. Von der Produktseite stehe einem zumindest
leichten Aufwärtstrend bei den Rapssaaten nichts im Wege, wobei eine
Seitwärtsbewegung das wahrscheinlichere Szenario sei. Den Erzeugerpreis
für Raps sieht Frau Worrall zum Jahresende bei maximal 260 Euro/t netto
ab Hof.
Gewaltige Eiweißlücke
Bernhard
Dahmen von der CropEnergies AG in Ochsenfurt hat bisher keine Signale
ausmachen können,
die auf eine rasche Preiserholung an den
Getreidemärkten hindeuten. In fast allen EU-Ländern stehe eine große
Maisernte auf den Feldern, was für neuen Preisruck beim Weizen sorgen
dürfte. „Selbst wenn die Konjunktur anzieht und El Niño gleichzeitig
die Ernten auf der Südhalbkugel schmälert, wird es mit den
Weizenpreisen so schnell nicht wieder Richtung 200-Euro-Marke gehen“,
erklärte Dahmen, der bei der Südzucker-Tochter den Getreideeinkauf und
Futtermittelverkauf verantwortet. Der Manager wies darauf hin, dass
sich die schwierige Absatzsituation durch die Versprittung von Getreide
zumindest etwas entspannt hat. Während der Hochpreisphase 2007/08 seien
die Destillerien bei den Getreideerzeugern nicht sonderlich beliebt
gewesen, obwohl man durchaus marktgerechte Preise bezahlt habe. Die
Verarbeitung von Bioethanol sei eine zukunftsträchtige Absatzschiene,
die sich die Landwirtschaft unbedingt offen halten sollte.
Die
Produktionsanlage in Zeitz könne nicht nur zuckerhaltige Pflanzen,
sondern auch Gerste, Weizen, Triticale oder Mais vergären. CropEnergies
sei deshalb
ein interessanter Partner für Getreidebauern in der Region.
Die Versprittung entlaste nicht nur den Getreidemarkt, sondern könne
durch das Nachprodukt Protigrain auch einen Beitrag leisten, die
gewaltige Eiweißlücke in der EU zu schließen.
Nulltoleranz gehört auf den Prüfstand
Dr.
Walter Helms von der Bröring-Unternehmensgruppe gab zu bedenken, dass
der Getreidepreis für die vielen Veredelungsbetriebe in Deutschland
kein Einkommens- sondern ein Kostenfaktor ist. So werde im Raum Vechta
fünfmal mehr Getreide verbraucht als erzeugt und müsse daher von den
meisten Betrieben in größeren Mengen zugekauft werden. Während Helms
als Vertreter eines großen Mischfutterherstellers beim Getreide nach
der zweiten Spitzernte in Folge bis weit ins Frühjahr 2010 hinein keine
großen Preissprünge erwartet, könnte es beim Sojaschrot aus seiner
Sicht spannend werden. Nach der Dürre bedingt kleinen Sojaernte in
Argentinien seien die USA bis zum Frühjahr 2010 alleiniger Anbieter auf
dem Weltmarkt. Im Juli sei eine Sojalieferung aus den USA nach der
Anlandung in Spanien nicht gelöscht worden, nachdem Spuren einer nicht
zugelassenen transgenen Maislinie entdeckt worden seien. Dies sei beim
Transport von Massengütern wie Mais oder Sojaschrot nicht vermeidbar,
weshalb die Nulltoleranz in der EU auf den Prüfstand gehöre. „Da wir im
Winter auf US-Bohnen angewiesen sind, könnte es ansonsten zur
Unterbrechung der Sojaschrotkette kommen“, warnte Helms. Den Preis für
HP-Sojaschrot ab Hamburg sieht er zum Jahresende bei 330 Euro/t. „Alles
andere würde zu Unruhe beim Weihnachtsfest führen“,
ergänzte Helms.
Gerstenpreis vor dem freien Fall?
Daniel
Musmann von der Josef Marschall GmbH in Schwaig/Nürnberg sieht beim
Sojaschrot eine dramatische Situation auf die europäische
Veredelungsindustrie zukommen, sollte es nicht doch noch in letzter
Sekunde zu einem Kompromiss in Sachen Nulltoleranz kommen. Das ist für
den Getreide- und Ölsaatenhändler aber kein Grund, sich jetzt
vorsorglich mit größeren Mengen Sojaschrot einzudecken: „Das
Spekulieren überlassen wir anderen Marktteilnehmern“. Den
Getreideerzeugern riet Musmann, künftig nur noch anzubauen, was der
Markt auch verlangt. Schon heute mache es keinen Sinn, Futtergerste für
die Intervention zu produzieren. Nach der Ernte 2010 gebe es bei der
Gerste keine staatlichen Aufkäufe zu Mindestpreisen mehr.
Dann könnte
die Gerste zumindest vorübergehend auf 70 bis 80 Euro pro Tonne
fallen, befürchtet Musmann. Anders als die Gerste finde guter
Brotweizen auf dem Weltmarkt immer einen Abnehmer, da Weizen nach Reis
das zweitwichtigste Grundnahrungsmittel sei. Allerdings, schränkte
Musmann ein, könne deutscher Weizen momentan preislich nicht mit
vergleichbaren Qualitäten aus Frankreich oder dem Schwarzmeerraum
mithalten. Derzeit könnten hohe Aufschläge für Qualitätsweizen erzielt
werden, berichtete der Händler aus dem Tagesgeschäft. Guter Weizen
sollte möglichst rasch vermarktet werden, da die Aufgelder im weiteren
Saisonverlauf abschmelzen dürften.
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