04.09.2009 | 00:00:00 | ID: 2029 | Ressort: Landwirtschaft | Veranstaltungen

Bei der Getreidevermarktung künftig gute Nerven gefragt - Podiumsdiskussion zu aktuellen Markttrends im Rahmen der DLG-Unternehmertage

Frankfurt (agrar-PR) - Rasche Abfolge von Hoch- und Tiefpreisphasen wird der Normalfall – Rabobank-Analyst Weinhausen: Zwischen 100 und 300 Euro pro Tonne ist beim Weizen künftig alles drin – KAS und Phospatdünger können jetzt gekauft werden – Getreidepreis für Veredelungsbetriebe vor allem Kostenfaktor – Weizenversprittung lohnt sich wieder

 Der jüngste Preissturz beim Getreide hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, worauf sich Ackerbauern bei der Vermarktung ihrer Ernte künftig einstellen müssen. Jörg Weinhausen von der Rabobank International in Frankfurt geht davon aus, dass die rasche Abfolge von Hoch- und Tiefpreisphasen bei Agrarrohstoffen zur Normalität wird. „Ein Preiskorridor zwischen 100 und 300 Euro pro Tonne wird Ihr täglich Brot bei der Weizenvermarktung“, erklärte der Marktexperte bei einer Podiumsdiskussion über aktuelle Markttrends bei Getreide und Ölsaaten, die gestern im Rahmen der Unternehmertage 2009 der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) in Würzburg stattfand. Den künftigen Gleichgewichtspreis für Weizen sieht Weinhausen zwischen 170 und 230 Euro/t, das Preisband werde sich gegenüber früheren Jahren also deutlich nach oben verschieben. Solange der Weizenmarkt eine Bugwelle an Überschüssen vor sich herschiebe, sei aber nicht an eine Rückkehr in solche Preisregionen zu denken, zerstörte Weinhausen die Hoffnung vieler Ackerbauern auf eine baldige Normalisierung am Weizenmarkt. „Erst zur Ernte 2010 wird sich zeigen, ob die Weizenerzeuger rund um den Globus stark genug auf die Bremse gestiegen sind, um das Angebot zu verknappen“, so Weinhausen. Selbst viele Spekulanten hätten sich aus den Agrarcommodities zurückgezogen, da Aktien momentan größere Renditen versprächen.  

Folgt man Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, könnten die Weizenpreise demnächst zumindest von der Nachfrageseite einen Schub erfahren. Der Banker geht davon aus, dass die weltweit aufgelegten Konjunkturprogramme und Zinssenkungen schnell greifen. Vor allem in den Schwellenländern könnte dies die Nachfrage nach Agrarrohstoffen kurzfristig beflügeln. Ein wichtiger Frühindikator sind für Hellmeyer die Energiepreise: „Das Rohöl läuft als erstes nach oben, anschließend folgen die Agrarrohstoffe.“ Ein aus Erzeugersicht positiver Nebeneffekt: Teures Rohöl macht Biotreibstoffe attraktiver, was große Mengen Getreide und Ölsaaten bindet. DLG-Vorstandsmitglied Carl-Christian von Plate-Stralenheim warnte seine Berufskollegen davor, immer dem höchsten Preis hinterher zu jagen. „Niemand kennt den besten Vermarktungszeitpunkt im Voraus“, so von Plate-Stralenheim, der im niedersächsischen Imbshausen einen Ackerbaubetrieb leitet. Daher könne es auch eine Strategie sein, sich grundsätzlich mit dem „zweitbesten Preis“ zufrieden zu geben. Geschäfte sollten in Zukunft immer dann gemacht werden, wenn man mit dem Ergebnis gut leben kann. „Aber nur wer seine Stückkosten kennt, kann den richtigen Zeitpunkt für eine Kosten deckende Vermarktung finden“, so das DLG-Vorstandsmitglied.  

Kalipreise haben noch Luft nach unten
Dr. Nikolai von Roenne von der Raiffeisen Waren Zentrale Rhein-Main (RWZ) empfahl den Landwirten, den Weizen aus der neuen Ernte lieber gleich zu verkaufen statt einzulagern. „Der Weizenmarkt ist ziemlich tot, was sich auch so schnell nicht ändern dürfte“, argumentierte von Roenne. Daher sei es wenig wahrscheinlich, dass sich die Einlagerung dieses Jahr rechnet. Erfreulicherweise hätten sich mittlerweile auch die Betriebsmittelpreise an die veränderten Verdienstmöglichkeiten im Ackerbau angepasst. Vor allem bei den Düngerpreisen sei man inzwischen wieder in der Realität angekommen. „Kalkammonsalpeter kann jetzt gekauft werden“, so die Empfehlung des Handelsexperten. Auch bei den Phosphatpreisen sei inzwischen die Talsohle erreicht. Dagegen sei es bei Kalidüngern ratsam, Käufe noch hinauszuzögern. „Da gibt es noch Luft nach unten“, glaubt von Roenne. Aber auch die Pflanzenschutzindustrie habe auf die desolaten Getreidepreise reagiert. Bei Standardprodukten seien in der neuen Saison allenfalls überschaubare Preissteigerungen zu erwarten. Allerdings seien bei einzelnen Produkten Lieferengpässe auch in der neuen Saison nicht auszuschließen. Von Roenne warnte davor, die Intensität im Ackerbau als Reaktion auf die niedrigen Preise zurückzufahren: „Ob eine Pflanzenschutzmaßnahme notwendig war, erkennt man immer
erst hinterher.“  

Beim Raps lohnt sich für von Roenne schon jetzt ein Blick auf die Erntepreise 2010. Bei der Ölsaat könne es sinnvoll sein, bei einem Kursanstieg im Herbst Teilmengen über Vorkontrakte abzusichern, „aber nicht aus dem Bauch heraus, sondern abgeleitet von den Produktionskosten“. Spätestens wenn im Frühjahr 2010 die neue südamerikanische Sojaernte auf den Markt komme, müsse beim Raps wieder mit Preisdruck
gerechnet werden.  

Ölmühlen eingedeckt

Xenia Worrall von der Cargill GmbH sieht bei den Rapspreisen in den kommenden Monaten wenig Spielraum nach oben. Die heimischen Ölmühlen hätten den Ende Mai einsetzenden Preisrückgang genutzt und sich bis zum Jahresende, teilweise sogar darüber hinaus, mit Rohstoff eingedeckt, begründete die Einkäuferin ihren pessimistischen Ausblick. Hierzulande sorge eine Rekordernte über 6 Mio. t für Angebotsdruck. Exportmöglichkeiten für EU-Raps gebe es nur im Rahmen von Kleinstmengen. Eine Schiffsladung nach China sei wieder auf dem Rückweg, da Peking nun doch nur kanadischen und australischen Raps zukaufen wolle. Für die Höhe des Schlaglohns entscheidend sei jetzt die Preisentwicklung auf der Produktseite. Beim Rapsöl sei durch die in vielen EU-Ländern heraufgesetzten Biokraftstoffquoten ein leichter Nachfrageanstieg möglich. Im Winter könne dem mineralischen Diesel kein Biosprit auf Palm- oder Sojaölbasis beigemischt werden, wovon ebenfalls das heimische Rapsöl profitiere. Beim Rapsschrot seien entgegengesetzte Entwicklungen zu beobachten. Einerseits sei die Mischfutterproduktion rückläufig, so dass über diese Schiene weniger Rapsschrot abfließe. Andererseits könnte US-Sojaschrot durch die in der EU bestehenden Nulltoleranz für nicht zugelassene, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) bis zum Frühjahr knapp werden und durch Rapsschrot in den Rezepturen ersetzt werden. Von der Produktseite stehe einem zumindest leichten Aufwärtstrend bei den Rapssaaten nichts im Wege, wobei eine Seitwärtsbewegung das wahrscheinlichere Szenario sei. Den Erzeugerpreis für Raps sieht Frau Worrall zum Jahresende bei maximal 260 Euro/t netto
ab Hof.  

Gewaltige Eiweißlücke

Bernhard Dahmen von der CropEnergies AG in Ochsenfurt hat bisher keine Signale ausmachen können,
die auf eine rasche Preiserholung an den Getreidemärkten hindeuten. In fast allen EU-Ländern stehe eine große Maisernte auf den Feldern, was für neuen Preisruck beim Weizen sorgen dürfte. „Selbst wenn die Konjunktur anzieht und El Niño gleichzeitig die Ernten auf der Südhalbkugel schmälert, wird es mit den Weizenpreisen so schnell nicht wieder Richtung 200-Euro-Marke gehen“, erklärte Dahmen, der bei der Südzucker-Tochter den Getreideeinkauf und Futtermittelverkauf verantwortet. Der Manager wies darauf hin, dass sich die schwierige Absatzsituation durch die Versprittung von Getreide zumindest etwas entspannt hat. Während der Hochpreisphase 2007/08 seien die Destillerien bei den Getreideerzeugern nicht sonderlich beliebt gewesen, obwohl man durchaus marktgerechte Preise bezahlt habe. Die Verarbeitung von Bioethanol sei eine zukunftsträchtige Absatzschiene, die sich die Landwirtschaft unbedingt offen halten sollte.
Die Produktionsanlage in Zeitz könne nicht nur zuckerhaltige Pflanzen, sondern auch Gerste, Weizen, Triticale oder Mais vergären. CropEnergies sei deshalb
ein interessanter Partner für Getreidebauern in der Region. Die Versprittung entlaste nicht nur den Getreidemarkt, sondern könne durch das Nachprodukt Protigrain auch einen Beitrag leisten, die gewaltige Eiweißlücke in der EU zu schließen.  

Nulltoleranz gehört auf den Prüfstand

Dr. Walter Helms von der Bröring-Unternehmensgruppe gab zu bedenken, dass der Getreidepreis für die vielen Veredelungsbetriebe in Deutschland kein Einkommens- sondern ein Kostenfaktor ist. So werde im Raum Vechta fünfmal mehr Getreide verbraucht als erzeugt und müsse daher von den meisten Betrieben in größeren Mengen zugekauft werden. Während Helms als Vertreter eines großen Mischfutterherstellers beim Getreide nach der zweiten Spitzernte in Folge bis weit ins Frühjahr 2010 hinein keine großen Preissprünge erwartet, könnte es beim Sojaschrot aus seiner Sicht spannend werden. Nach der Dürre bedingt kleinen Sojaernte in Argentinien seien die USA bis zum Frühjahr 2010 alleiniger Anbieter auf dem Weltmarkt. Im Juli sei eine Sojalieferung aus den USA nach der Anlandung in Spanien nicht gelöscht worden, nachdem Spuren einer nicht zugelassenen transgenen Maislinie entdeckt worden seien. Dies sei beim Transport von Massengütern wie Mais oder Sojaschrot nicht vermeidbar, weshalb die Nulltoleranz in der EU auf den Prüfstand gehöre. „Da wir im Winter auf US-Bohnen angewiesen sind, könnte es ansonsten zur Unterbrechung der Sojaschrotkette kommen“, warnte Helms. Den Preis für HP-Sojaschrot ab Hamburg sieht er zum Jahresende bei 330 Euro/t. „Alles andere würde zu Unruhe beim Weihnachtsfest führen“,
ergänzte Helms.  

Gerstenpreis vor dem freien Fall?
Daniel Musmann von der Josef Marschall GmbH in Schwaig/Nürnberg sieht beim Sojaschrot eine dramatische Situation auf die europäische Veredelungsindustrie zukommen, sollte es nicht doch noch in letzter Sekunde zu einem Kompromiss in Sachen Nulltoleranz kommen. Das ist für den Getreide- und Ölsaatenhändler aber kein Grund, sich jetzt vorsorglich mit größeren Mengen Sojaschrot einzudecken: „Das Spekulieren überlassen wir anderen Marktteilnehmern“. Den Getreideerzeugern riet Musmann, künftig nur noch anzubauen, was der Markt auch verlangt. Schon heute mache es keinen Sinn, Futtergerste für die Intervention zu produzieren. Nach der Ernte 2010 gebe es bei der Gerste keine staatlichen Aufkäufe zu Mindestpreisen mehr.
Dann könnte die Gerste zumindest vorübergehend  auf 70 bis 80 Euro pro Tonne fallen, befürchtet Musmann. Anders als die Gerste finde guter Brotweizen auf dem Weltmarkt immer einen Abnehmer, da Weizen nach Reis das zweitwichtigste Grundnahrungsmittel sei. Allerdings, schränkte Musmann ein, könne deutscher Weizen momentan preislich nicht mit vergleichbaren Qualitäten aus Frankreich oder dem Schwarzmeerraum mithalten. Derzeit könnten hohe Aufschläge für Qualitätsweizen erzielt werden, berichtete der Händler aus dem Tagesgeschäft. Guter Weizen sollte möglichst rasch vermarktet werden, da die Aufgelder im weiteren Saisonverlauf abschmelzen dürften.

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