19.11.2012 | 16:25:00 | ID: 13950 | Ressort: Landwirtschaft | Wissenschaft & Forschung

Ein einzelner Buchstabe ist entscheidend

Gatersleben (agrar-PR) - Der genetische Schalter von Winter- zu Sommergerste entdeckt
Während der Evolution der Wildgersten und anschließend durch die Selektion des Menschen bei deren Kulturformen war das Gerstengenom massiven Anpassungen und Umstrukturierungen unterworfen. Forscher des IPK Gatersleben berichten gemeinsam mit Kollegen aus Schottland, Italien und Schweden in der neuesten Online-Ausgabe des Journals „Nature Genetics" über die Entdeckung des genetischen Auslösers für die Unterschiede in Winter- bzw. Sommergerste. Ursächlich für diesen Unterschied ist der Austausch einer einzelnen Aminosäure. Dieser versetzte Gerste in die Lage, in Regionen vorzudringen, in denen vollkommen andere Witterungsbedingungen herrschten.

Weltweit stehen Lebewesen unter Selektionsdruck, der unter anderem auch von Klimaschwankungen und Veränderungen in den Ökosystemen erzeugt wird. Insbesondere Pflanzen sind an die Bedingungen in ihrer unmittelbaren Umgebung gebunden und müssen in der Lage sein, sich an diese anzupassen. Vor etwa 10.000 Jahren begannen Menschen mit dem Anbau von Gerste. Heute ist sie die viertwichtigste Getreidepflanze weltweit und wird in Wüstenregionen aber auch in Gebieten mit hohen Niederschlagsmengen angebaut.

Die Erfolgsgeschichte nahm ihren Anfang im Nahen Osten/Fruchtbaren Halbmond, wo die Gerstenkörner nach heißen und trockenen Sommern mit den ersten Herbstniederschlägen keimten. Ebenso profitierte das Wachstum der jungen Pflanzen von der noch vorhandenen Restwärme des Sommers und der entstehenden Feuchtigkeit bevor der Winter einbrach. Dieser generiert ein notwendiges Signal in den Pflanzen, was sie dann später im Frühjahr wieder wachsen, Blüten bilden und Samen ansetzen lässt, noch bevor die Sommerhitze in diese Region zurückkehrt. Doch als Bauern und Händler Gerstenkörner mit auf ihre Reisen in Richtung Westen rund um das Mittel und den Norden in die gemäßigte Klimazone nahmen, sah sich die Gerste vollkommen anderen Wetterbedingungen ausgesetzt.

All diesen Widrigkeiten zum Trotz hat Gerste auf dieser 10.000 Jahre währenden Wanderung im Laufe der Evolution auch Formen entwickelt, die erst im Frühjahr ausgesät werden können und somit den strengen nordeuropäischen Winter überstehen. Darüber hinaus sind diese Formen in der Lage, die längeren aber kühleren Tage des Nordens zu nutzen und erst später als die Ursprungsformen im Frühherbst zu reifen.

Für Forschungsarbeiten könnte dies entscheidend sein, um die Möglichkeiten der Pflanzenzüchtung und der Landwirtschaft zur Anpassung an unser sich veränderndes Klima zu unterstützen. Wissenschaftler des Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung aus Gatersleben berichten gemeinsam mit Kollegen aus Großbritannien, Italien und Schweden in der heutigen Ausgabe von „Nature Genetics" über einen Grund, der die Anpassung der Gerste an die Bedingungen auf ihrer Expansion in den Westen und nach Norden erst ermöglichte. Durch den Einsatz moderner genetischer Untersuchungsverfahren konnten sie sehr charakteristische „Signaturen" in den unterschiedlichen Gerstengenomen finden, die diese Anpassung widerspiegeln.

Insbesondere die enorme Diversität der Wild- und Kulturgersten in den Genbanken des IPK Gatersleben und des James Hutton Institutes in Schottland war maßgeblich für den Erfolg beim Auffinden der entscheidenden Unterschiede zwischen Winter- und Sommergerste. Bei ihrer Untersuchung konzentrierten sich die Forscherteams auf eine bestimmte Signatur in einem einzigen Gen. Dabei stießen sie auf einen sehr spezifischen genetischen Unterschied, der die Funktion des Gens in Sommergersten verändert.

Nur durch einen einzelnen Aminosäureaustausch ist die Sommergerste in der Lage, später zu blühen und Samen anzusetzen als ihr Vorfahr, die Wintergerste. Dadurch kann sie länger wachsen und mehr Sonnenlicht in Kornmasse umsetzen. Dieser unglaubliche Effekt eines so kurzen DNS-Abschnittes auf die Fähigkeit der Gerste, sich an andere Umweltbedingungen anzupassen, war auch für die Forscher sehr überraschend.

Dr. Benjamin Kilian, der leitende Wissenschaftler auf deutscher Seite formuliert es so: „Unsere Ergebnisse sind entscheidend für das Verständnis zur Anpassungsfähigkeit von Pflanzen an neue Umweltbedingungen. Insgesamt ist es ein eindrucksvolles Beispiel für die Effizienz in der pflanzlichen Evolution. Dies kann neue Ansätze für die Pflanzenzüchter eröffnen, um Herausforderungen wie Klimawandel oder der Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen auf weniger fruchtbare Gebiete zu begegnen."


Roland Schnee, Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Tel: +49-039482-5427, Email: schnee@ipk-gatersleben.de oder Dr. Benjamin Kilian, Arbeitsgruppe Genomdiversität, Tel: +49-039482-5571, Email: kilian@ipk-gatersleben.de
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