Wien (agrar-PR) - Wird Fleisch zu Rohschinken verarbeitet, dürfen Konsumenten/-innen davon ausgehen, dass für die Herstellung nur ein einzelnes, natürlich gewachsenes Stück Muskelfleisch verwendet wurde. So schreibt es das österreichische Lebensmittelbuch vor. Dieses muss jedoch von den Teilen des Tierkörpers stammen, die für Schinken eingesetzt werden (beim Schwein vom Schlögel). Ein Zusammenkleben von einzelnen Fleischteilen zu einem Stück ist nicht erlaubt. Darüber hinaus wäre die unzureichende Kennzeichnung eine Täuschung der Konsumenten/-innen hinsichtlich der Beschaffenheit der Endprodukte.
Was ist so genanntes "Klebefleisch"?
"Klebeschinken" kann großtechnisch durch den
Einsatz eines Enzyms aus der Enzymfamilie der Transglutaminasen
hergestellt werden, dessen Fähigkeit zur Vernetzung von Proteinen dabei
technologisch genutzt wird. Aufgrund des natürlichen Auftretens von
Transglutaminasen in Säugetieren, Fischen und Pflanzen sind diese Enzyme
Bestandteil unserer täglichen Nahrung und gelten als gesundheitlich
unbedenklich.
Ist "Klebefleisch" gesundheitlich
bedenklich?Bei den für Klebeschinken verwendeten
Fleischstücken handelt es sich nicht um minderwertige Ware, noch ist das
Enzym gesundheitsschädlich. Bei Kochpökelware, etwa bei Toastschinken,
ist das Zusammenführen von mehreren Teilen übrigens erlaubt. Dabei
handelt es sich um einen natürlichen Vorgang, indem sich Fleischeiweiß
durch Tumbeln (Mischen in der Pökellake) aufschließt und sich im
anschließenden Erhitzungsverfahren verbindet.
Was wird seitens der Lebensmittelbehörden
unternommen?Seitens der AGES wird aktuell der Einsatz
solcher Enzyme bei einer Schwerpunktaktion in ganz Österreich
untersucht. Bislang wurde noch kein "Klebeschinken" entdeckt. Auf
EU-Ebene werden derzeit die rechtlichen Bestimmungen zur Kennzeichnung
überarbeitet. Davon ist indirekt auch der "Klebeschinken" betroffen.
Denn dann müsste z.B. Transglutaminase auf der Packung angeführt werden.
Nach Ablehnung des Vorschlags der EU-Kommission durch das EU-Parlament,
den Zusatzstoff Rinder- und Schweinethrombin in der EU zu genehmigen,
muss sich die EU-Behörde einen neuen Vorschlag überlegen.
Warum
werden die Enzyme überhaupt eingesetzt?
Ziel des Einsatzes von Thrombin und Transglutaminase
ist es, deren Fähigkeit zur Vernetzung von Proteinen in Lebensmitteln
technologisch zu nutzen. Die bindende Wirkung dieser Enzyme kann
einerseits zum "Verkleben" von einzelnen Fleisch- und Fischabschnitten
herangezogen werden, andererseits kann Transglutaminase auch dazu
verwendet werden, die Textur, Stabilität und Haltbarkeit von
proteinreichen Lebensmitteln zu verändern.
Wofür wird
Thrombin eingesetzt?
Thrombin ist Teil eines Enzympräparats, das neben
Thrombin auch Fibrinogen enthält. Das Thrombin-Fibrinogen-Präparat
könnte Fleisch zugesetzt werden, um die Bindung von Fleischabschnitten
zu bewirken, sodass portionierte Standard-Erzeugnisse einheitlicher
Form, Dicke und Qualität hergestellt werden könnten. Das Präparat könnte
ferner dazu dienen, Rohmaterial aufzuwerten, indem kleine
Fleischabschnitte zu größeren Einheiten zusammengesetzt werden könnten.
Wofür wird Transglutaminase eingesetzt?
Transglutaminase ist dazu geeignet, bei der
Herstellung von Fleisch- und Fischprodukten, von Milchprodukten und
Produkten auf Pflanzenproteinbasis eingesetzt zu werden.
Transglutaminasen wirken überall dort, wo Proteine vorhanden sind und
vernetzt werden sollen. Mögliche Anwendungsbeispiele für den Einsatz von
Transglutaminasen sind das Verbinden von kleineren Fleischabschnitten
zu größeren zusammengesetzten Fleischstücken einheitlicher Form und
Dicke, die Optimierung der Konsistenz fettarmer Milchprodukte und die
Verbesserung von Textur und Haltbarkeit von Tofu aus Sojamilch. Weiters
besteht die Möglichkeit, Transglutaminase bei Back- und Fleischwaren
einzusetzen, um die Klebereigenschaften von Gluten zu ersetzen.
Was
ist der Unterschied zwischen den beiden?
Die in der LM-Industrie kommerziell genutzte
Transglutaminase ist mikrobiellen Ursprungs und ist über einen weiten
Temperatur und pH-Bereich stabil und ohne Co-Faktor katalytisch wirksam.
Thrombin wird aus tierischem Blutplasma gewonnen und ist das wichtigste
Enzym der Blutgerinnung bei Wirbeltieren. Thrombin kann seine bindende
Wirkung nur unter Anwesenheit von Fibrinogen entfalten. Thrombin wandelt
das Fibrinogen in Fibrin um, welches in Verbindung mit Kollagen die
Bindung von Fleischabschnitten bewirkt.
Wie erkenne ich
Klebefleisch? KonsumentInnen-Tipp?
Ein Indiz für das Vorliegen von
Klebefleischerzeugnissen ist die Form des Produktes selbst, die sehr oft
nicht der Form eines natürlich gewachsenen Fleischstückes entspricht.
Weiters ist der Hersteller dazu verpflichtet, im Zuge der Kennzeichnung
von vorverpackten Fleischerzeugnissen, die für den Letztverbraucher
bestimmt sind, die Verbraucherinformation über die tatsächliche Art des
Lebensmittels nach den gültigen rechtlichen Bestimmungen
sicherzustellen. Auf nationaler und europäischer Ebene sind zur Zeit
große Bemühungen seitens der Fachgremien und der Behörde im Gang, um
einer missbräuchlichen Anwendung von Transglutaminase und Thrombin
entgegenzuwirken, und um sicherzustellen, dass es zu keiner Irreführung
der KonsumentInnen bezüglich der Art und Identität der unter Verwendung
dieser Enzyme hergestellten Lebensmitteln kommt.
Kommt
dies auch bei Fisch zum Einsatz (Fischstäbchen, billige Sushis,
Shrimpsersatz, etc)?
In der Literatur [1] wird über den möglichen Einsatz
von Transglutaminase bei der Herstellung von Surimi (einem Gel aus
Fischabschnitten, Wasser, Salz), bei Fischpastete und zur Reduktion des
Wasserverlusts beim Auftauen von tiefgefrorenem Fisch berichtet.