31.05.2020 | 16:50:00 | ID: 28849 | Ressort: Umwelt | Tier

Fledermäuse in der Corona-Pandemie zu Unrecht in Verruf geraten

Hannover (agrar-PR) - NLWKN verweist auf strengen Schutz der Fledermausarten in Deutschland
Unheimliche Blutsauger, Unglücksboten, Überträger von Krankheiten - die oft jahrhundertealte Liste der Vorurteile gegenüber Fledermäusen ist lang und hält sich regional zum Teil sehr hartnäckig. Die aktuelle Corona-Pandemie nährt diese Schauergeschichten und das veraltete Image zusätzlich. „Die in Deutschland vorkommenden Fledermausarten sind aber keine Überträger des Corona-Virus SARS-CoV-2", erklärt Dr. Melina Heinrich, Expertin für Fledermäuse im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). „Der Ursprung des Virus bleibt jedoch vorerst ungeklärt."

Fledermäuse zählen zu den am stärksten bedrohten Säugetierarten in Deutschland. Aus Niedersachsen sind aktuell 19 Fledermausarten bekannt. Weitere Arten wie die Kleine Hufeisennase sind in Niedersachsen seit Jahrzehnten durch den Einfluss des Menschen ausgestorben. Viele Fledermausarten sind stark bedroht, und nicht zuletzt deswegen stehen alle Arten dieser Tiergruppe in Europa unter strengem Artenschutz. „Fledermäuse aus Angst vor dem Corona-Virus zu bekämpfen, entbehrt jeder Grundlage. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht dafür sogar hohe Strafen vor", betont Heinrich. „Nicht nur das Töten, auch das Stören von Fledermäusen sowie die Beschädigung oder Zerstörung ihrer Quartiere ist eine Straftat."

Fledermäuse und Corona - kurz erklärt

Säugetiere sind Wirte unterschiedlicher Bakterien und Viren. Das gilt für Menschen wie für Fledermäuse. Darunter befinden sich auch verschiedene Arten von Corona-Viren wie SARS-CoV-2. Es handelt sich hierbei um einen Krankheitserreger des Menschen, der genetisch eng mit Viren aus dem Tierreich verwandt ist. Eine direkte Übertragung des Corona-Virus von Fledermäusen auf Menschen ist nach aktuellem Wissensstand höchst unwahrscheinlich.

Bis ein Corona-Virus, das in einer Fledermauspopulation zirkuliert, für den Menschen ansteckend wird, sind mehrere Übergänge von einer Tierart zur nächsten notwendig, bei denen sich gleichzeitig auch das Virus selbst an die neuen Wirtsarten anpassen muss. Daher erfolgen Wirtswechsel ausgesprochen selten und auch nur unter sehr speziellen Bedingungen. Dazu zählen zum Beispiel Wildtiermärkte, wo Tierarten unterschiedlicher Lebensräume auf engstem Raum aufeinandertreffen. Ein derart enger Kontakt von Zwischenwirt und Mensch, der für eine Virusübertragung entscheidend ist, ist in Deutschland nicht gegeben. Die in Deutschland vorkommenden Fledermausarten sind nicht mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infiziert.

Nach wie vor nicht zweifellos geklärt ist der tatsächliche Ursprung von SARS-CoV-2. Wissenschaftler fanden Viren mit ähnlichem Erbgut in asiatischen Fledermäusen aus der Gruppe der Hufeisennasen und in Schuppentieren. Genetische Untersuchungen legen nahe, dass der Wechsel des Virus vom ursprünglichen Wirt auf einen Zwischenwirt und schließlich auf den Menschen bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegt.

Fledermäuse leiden auch unter dem Rückgang der Insekten

Fledermäuse sind unverzichtbare Akteure in vielen Ökosystemen, auf die auch wir Menschen angewiesen sind. Als Insektenfresser dezimieren sie Schädlinge in der Land- und Forstwirtschaft, in tropischen Regionen der Erde bestäuben und verbreiten sie viele Pflanzenarten. Allerdings ist auch diese Artengruppe stark vom Rückgang der Insekten betroffen. Da sich unsere heimischen Fledermäuse von Insekten ernähren, verknappt sich mit deren Rückgang ihre Nahrungsquelle. 

Hinzu kommen weitere Faktoren wie der Verlust von Quartieren und Jagdgebieten. In den letzten Jahren wurden immer häufiger geschwächte und unterernährte Tiere gefunden. „Daher ist es bei allen Gefährdungsursachen, denen die Fledermäuse ausgesetzt sind, umso wichtiger, dass sich negative Vorurteile nicht in den Köpfen der Menschen festsetzen, die das Überleben dieser besonderen Tiergruppe zukünftig noch schwieriger machen würden", so die Fledermaus-Expertin des NLWKN.

Aktuell besonders sensible Zeit - Wochenstube der Fledermäuse

Ab Ende Mai beginnt in Deutschland die besonders sensible Zeit, in der Fledermäuse ihr zumeist einziges Junges zur Welt bringen und über den Sommer hinweg großziehen. Hierfür fliegen sie aus den Winter- in ihre Sommerquartiere, wo sich die Weibchen in Gruppen zusammenschließen und in sogenannten Wochenstuben ihre Jungen bekommen. Viele Fledermausarten sind typische Kulturfolger. Die Wochenstuben befinden sich daher häufig im Siedlungsbereich und dort in Kirchen, Scheunen, Wohngebäuden oder Bäumen. Fledermäuse leben bereits lange mit uns zusammen. Viele Menschen bemerken sie nicht einmal. Es ist wichtig, dass diese Koexistenz im Siedlungsbereich auch in Zeiten von Covid-19 erhalten und wo möglich gefördert wird. Bei den wenigen direkten und indirekten Kontakten zwischen Menschen und Fledermäusen wie zum Beispiel Kot, der aus einem Quartier rieselt oder Jungtiere, die aus einer Wochenstube fallen, ist ein ruhiger und besonnener Umgang die beste Reaktion. Beispielsweise sollten, sofern es nicht vermieden werden kann, lebende oder tote Fledermäuse sowie deren Kot nur mit Handschuhen angefasst werden.

„Wir leben in einer Gesellschaft, in der vielen Menschen der Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt am Herzen liegt. Sich nicht von Angst und Vorurteilen leiten zu lassen, hilft unsere Fledermäuse zu schützen und somit unsere heimische Artenvielfalt zu erhalten. Denn Artenschutz beginnt oft direkt Zuhause", so Heinrich.

Allgemeine Informationen zu Fledermäusen bietet die Broschüre „Fledermäuse - geliebte Nachtschwärmer" auf der NLWKN-Website als PDF zum Download www.nlwkn.niedersachsen.de/43960.html oder kostenfrei als Bestellung im NLWKN-Webshop https://nlwkn-webshop.webshopapp.com/fledermaeuse-geliebte-nachtschwaermer.html


Informationen zu Fledermäusen und SARS-CoV-2 erhalten sie u.a. hier:

https://bvfledermaus.de/wp-content/uploads/2020/04/Informationsblatt-Fledermaeuse-und-SARS-CoV-2.pdf

www.bfn.de/themen/artenschutz/regelungen/wandernde-tierarten/eurobats.html


Fledermaus gefunden, was tun?

Bitte kontaktieren sie die ehrenamtlichen Fledermausregionalbetreuer/innen des Landes Niedersachsen als Ansprechpartner in Sachen Fledermausschutz in den Kommunen oder wenden sie sich an die Wildtierauffangstationen:

www.nlwkn.niedersachsen.de/44215.html

www.nlwkn.niedersachsen.de/46125.html
Pressekontakt
Herr Christian Budde
Telefon: 0511/120-3423
E-Mail: pressestelle@mu.niedersachsen.de
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