27.08.2013 | 13:45:00 | ID: 15851 | Ressort: Landwirtschaft | Wissenschaft & Forschung

Getreide-Arithmetik: Wie man der Gerste das Zählen über Drei beibringt

Gatersleben (agrar-PR) - Ein einzelnes Gen entscheidet über die Anzahl samenbildender Gewebe.

Getreide bildet eine wichtige Nahrungsgrundlage für die menschliche und tierische Ernährung. Derzeit ernten Mähdrescher Gerste, Dinkel, Roggen, Triticale und Weizen. Die Unterschiede zwischen diesen Pflanzen bleiben den meisten Menschen verborgen und werden erst beim Brotkauf durch die Schilder an den unterschiedlichen Brotsorten für sie sichtbar.

Anders verhält es sich bei Pflanzenforschern und -züchtern. Sie interessieren sich brennend für die Unterschiede nicht nur zwischen den unterschiedlichen Getreidearten sondern insbesondere für die vielen feinen Unterschiede innerhalb dieser Getreide, denn die können mitunter eine große Wirkung hervorrufen. So auch in der Forschergruppe Pflanzliche Baupläne am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Hier haben in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekt Dr. Thorsten Schnurbusch und Ravi Koppolu zusammen mit Kollegen vom National Institute of Agrobiological Sciences in Tsukuba, Japan, und dem Nordic Genetic Resource Center, Alnarp, Schweden die Erbinformation (DNA) von Gerstenmutanten untersucht. Sie wollten aufklären, wie Gerste die Anzahl der samenproduzierenden Meristeme reguliert. Meristeme sind bspw. für das gerichtete Wachstum von Sprossen, Blättern und Wurzeln verantwortlich. Gerste entwickelt im Allgemeinen drei samenproduzierende Meristeme pro Ähren-Spindelstufe. Die von den Forschern untersuchte Gerstenmutante (vrs4) war besonders interessant, weil sie mehr als drei Meristeme pro Spindelstufe hervorbringt. Diese Eigenart der „Meristemüberschüsse“ samenproduzierender Gewebe wollten die Forscher besser verstehen, um neue Ansatzpunkte für eine verbesserte Züchtung von Getreide und höhere Erträge zu finden. Ihre Ergebnisse haben sie vor kurzem im amerikanischen Wissenschaftsmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) der USA veröffentlicht.

Bei ihren Untersuchungen stützten sich die Gaterslebener Forscher vorwiegend auf Gerstenmutantensammlungen, die bereits in den 1950er und 60er Jahren aufgebaut wurden und an der Nordischen Genbank in Schweden bis heute erhalten werden. Die IPK-Forscher um Dr. Thorsten Schnurbusch and Dr. Nese Sreenivasulu vermuteten, dass das Vrs4-Gen eine zentrale Funktion bei der frühen Ährenentwicklung der Gerste einnimmt. Insgesamt konnten sie 18 vrs4-Mutanten identifizieren, die unterschiedliche Mutationen im verantwortlichen Protein aufweisen. Das Vrs4-Protein ist ein sog. Transkriptionsfaktor, der die Anzahl der samenproduzierenden Meristeme bestimmt.

Andere Forschergruppen hatten bereits das entsprechende Vrs4-Gen im Mais identifiziert, das die Entwicklung und Form der Blütenstände in Mais steuert. Die am IPK Gatersleben durchgeführten Genexpressionsstudien mit zwei vrs4-Mutanten zeigten deutlich, dass dem Vrs4-Gen auch bei Gerste eine Schlüsselrolle bei der Festlegung der samenbestimmenden Meristeme zukommt. In den Studien wurde deutlich sichtbar, dass Vrs4 hierbei eine ganze Reihe von wichtigen Genen reguliert. Diese bestimmen bspw. die Fruchtbarkeit der Blütchen (Teil der Ähre, die die Samen bilden) oder beeinflussen Meristemwachstum und -steuerung. Diese hierdurch aufgedeckten Gen-regulierenden Netzwerke in Gerste beschreiben bisher unbekannte Gen-Steuerungen während der Blütenstandsentwicklung im Vergleich zu den bisher bekannten beim Mais.


„Wenn man sich die großen phänotypischen Unterschiede im Aufbau der Blütenstände beider Arten, Mais und Gerste, genau anschaut, spiegelt sich hier einfach die genetische und phänotypische Vielfalt wider, die wir in beiden Arten finden. Dies rechtfertigt sicherlich auch, beide Kulturarten hinsichtlich ihrer ertragsrelevanten Eigenschaften genauer zu erforschen, um so gezielter züchten zu können“, erläutert Dr. Thorsten Schnurbusch, Gruppen- und Projektleiter am Gaterslebener Institut. Während ihrer Untersuchung der genetischen Informationen der Gersten konnten die Wissenschaftler auch beobachten, dass die DNA-Sequenz des Vrs4-Gens nur wenig variiert. Das legt wiederum den Schluss nahe, dass die Anzahl der samenproduzierenden Meristeme möglicherweise unter starkem Selektionsdruck stand.

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg dieser Arbeit bestand sicherlich darin, dass das IPK in Gatersleben federführend an der Aufklärung der Genomsequenz der Gerste beteiligt war. „Die während der Laufzeit des Projektes erhaltenen genomischen Informationen haben entscheidend dazu beigetragen, dass wir diese Studie durchführen konnten“, berichtet Ravi Koppolu, einer der Erst-Autoren der Vrs4-Studie und Doktorand in der Forschungsgruppe Pflanzliche Baupläne am IPK. „Gerste ist für uns das ideale Getreide-Modellsystem, um grundlegende Eigenschaften bei Weizen, Roggen oder Triticale zu erforschen und aufzuklären. Grundsätzlich stehen wir erst am Anfang eines sehr interessanten Forschungsgebietes. Zum Glück für uns, konnte Ravi Koppolu die Untersuchungen in der dreijährigen Projektlaufzeit zu einem erfolgreichen Ende führen.“, freut sich Dr. Thorsten Schnurbusch.

Wir danken dem BMBF (FKZ: 0315071) und der DFG (SCHN 768/2-1) für die finanzielle Unterstützung.

Weiterführende Informationen

 

Frei verwendbares Bildmaterial

Aufnahme Ähren-Spindelstufe mit sechs Meristemen (Bild: Heike Ernst | IPK Gatersleben) [druckfähige Auflösung: http://www.ipk-gatersleben.de/fileadmin/content-ipk/content-ipk-institut/Presseinformationen/2013/PM_06_13_Spindel.jpg]

Die Hauptautoren der Studie, Dr. Thorsten Schnurbusch und der indische Doktorand Ravi Koppolu. (Bild: Roland Schnee | IPK Gatersleben) [druckfähige Auflösung: http://www.ipk-gatersleben.de/fileadmin/content-ipk/content-ipk-institut/Presseinformationen/2013/PM_06_13_Schnurbusch_Koppolu.jpg]

Originalpublikation

Ravi Koppolu, Nadia Anwar, Shun Sakuma, Akemi Tagiri, Udda Lundqvist, Mohammad Pourkheirandish, Twan Rutten, Christiane Seiler, Axel Himmelbach, Ruvini Ariyadasa, Helmy Mohamad Youssef, Nils Stein, Nese Sreenivasulu, Takao Komatsuda, and Thorsten Schnurbusch. Six-rowed spike4 (Vrs4) controls spikelet determinacy and row-type in barley.

PNAS 110 (32) (2013) 13198-13203. doi:10.1073/pnas.1221950110

 

Kontakt

Roland Schnee

Leibniz-Institut für Pflanzengenetik

und Kulturpflanzenforschung (IPK)

OT Gatersleben, Corrensstr. 3

06466 Stadt Seeland

Tel: 039482 - 5427

E-Mail: schnee@ipk-gatersleben.de

Pressemeldung Download: 
Agrar-Presseportal
Agrar-Presseportal
Postfach 131003
70068 Stuttgart
Deutschland
Telefon:  +49  0711  63379-810
E-Mail:  redaktion@agrar-presseportal.de
Web:  www.agrar-presseportal.de
>>>  Pressefach


© proplanta 2006-2024. Alle Rechte vorbehalten.