Stuttgart (agrar-PR) -
Pilotanlage entsteht derzeit auf dem Campus / BMBF / PTJ fördert mit rund 2 Mio Euro Höherer Methangehalt, kürzere
Verfahrenszeiten, flexiblere Produkte: Forscher der Universität
Hohenheim wollen in den kommenden drei Jahren eine drei-stufige
Versuchsanlage aufbauen, die all das kann. Langfristig tragen sie damit
dazu bei, dass Biogas mit einem deutlich geringeren Energieaufwand als
heute zu Erdgasqualität aufbereitet und ins Erdgasnetz eingespeist
werden kann. Damit kann die Erzeugung des Biogases von dem Ort der
Nutzung entkoppelt werden. Auch bezüglich der eingesetzten Substrate
und der nutzbaren Produkte soll die Anlage wesentlich flexibler als
heutige Biogasanlagen sein. Das Verbundprojekt mit acht Partnern wird
im Rahmen des Förderprogramms „Bioenergie 2021“ vom BMBF über den
Projektträger Jülich (PtJ) mit insgesamt 1,96 Mio Euro gefördert.
275.500 Euro davon fließen direkt nach Hohenheim und machen das
Forschungsprojekt zu einem der Hohenheimer Schwergewichte der Forschung.
Die
neue Mini-Biogasanlage soll auf dem Campus der Universität am Institut
für Agrartechnik stehen. In vier je 100l-Fermentern wird pro Tag 1 kg
Trockenmasse des Modellsubstrats aus Gras und Mais bzw. Stroh und Heu
gären. In einem getrennten Methan-Reaktor von 50l Nutzvolumen werden
410 l Biogas mit einem Methananteil von bis zu 85 % gewonnen. Das ist
zwar eine zu geringe Menge an Methan um sie direkt zu nutzen, doch mit
Hilfe der kleinen Versuchsanlage haben die Hohenheimer
Agrarwissenschaftler Großes vor.
Ziel des Verbundvorhabens ist es, einen neuen
Anlagentyp zu entwickeln, der mehrere Vorteile vereinen soll: Erstens,
sollen flexible Einsatzstoffe eingesetzt werden können; zweitens soll
ein höherer Methangehalt im Endprodukt erzielt werden und drittens soll
der gesamte Prozess noch schneller ablaufen.
2 + 1 = komplett neuer Anlagentyp
Bisher wurde Biogas in Hohenheim in Biogasanlagen
aus einem Behälter produziert: In diesem Behälter läuft sowohl die
Säurebildung als auch deren Abbau zu Methan ab. Damit sind die
Milieubedingungen für alle am Prozess beteiligten Mikroorganismen
suboptimal. Erste Versuche zu einer zweiphasigen Vergärung zeigten,
dass durch die Trennung der eigentlichen Gärung von der Methanogenese
der Prozess beschleunigt werden kann. Allerdings wies diese zweiphasige
Anlage erhebliche steuerungstechnische Nachteile auf.
Aus drei, statt aus ein bis zwei, Behältern wird
der neue Anlagentyp zusammengesetzt sein. Und das hat eine Funktion:
Die Forscher wollen die Gärung und die Methonogenese
verfahrenstechnisch trennen. „Im ersten Gärkessel findet die Hydrolyse
statt. Bei diesem Vorgang wird das Substrat durch Enzyme in so genannte
Monomere und Säuren abgebaut. Bei lignifizierten Substraten bleiben
dabei Gerüstsubstanzen, das sind die unlöslichen Reste, übrig. Leicht
abbaubare Stoffe werden dagegen vollständig in lösliche Substanzen
überführt“, erklärt Dr. Andreas Lemmer von der Landesanstalt für
Agrartechnik und Bioenergie.
Im zweiten Behälter findet das so genannte
Bio-Leaching statt. Dabei werden die löslichen Stoffe, das heißt,die
Säuren und löslichen Zucker aus den nicht abgebauten Gerüstsubstanzen
„ausgewaschen“ Ausschießlich diese gelösten Zwischenprodukte werden in
den dritten Behälter überführt. Dieser gleicht einem Filter, in dem die
organischen Säuren zu Methan abgebaut werden. Der Methangehalt des
Biogas aus dem neuen Anlagentyp kann dabei bis zu 40 % höher sein als
in bisherigen einphasigen Anlagen.
Flexibler, schneller, reiner
Diese Auftrennung ermöglicht größere Flexibilität
in der Praxis der neuen Biogasanlage. „Die mögliche Bandbreite der
Einsatzstoffe zu erhöhen und damit das deutschlandweite
Methanertragspotenzial zu steigern ohne die Flächenkonkurrenz zu
erhöhen ist wohl das naheliegendste Ziel“, schätzt Andreas Lemmer.
Daneben kann die Anlage zur Gewinnung von Brennstoff aus den
Gerüstsubstanzen verwendet werden. Organische Säuren herzustellen
könnte ein weiteres mögliches Ziel der neuen Anlage sein. Fazit des
Agrartechnikers: „Wir erreichen mit dem neuen Anlagentyp ein flexibel
zu steuerndes Modul, das anpassungsfähig in den Einsatzstoffen, sowohl
als auch in den Endprodukten ist“.
Ein weiterer Vorteil der neuen Anlage sind kürzere
Verfahrenszeiten. Während beispielsweise der Abbau von Gras im
einphasigen Anlagentyp mindestens 70 bis 100 Tage dauerte, wird er in
Zukunft nur 18 bis 25 Tage benötigen. Ermöglicht wird der schnellere
Abbau, so Andreas Lemmer, durch eine verbesserte Anpassung des ph-Werts
in den getrennten Behältern: „Während der optimale ph-Wert für die
Gärung bei 5,5 liegt, braucht die Methanbildung ein Milieu von 7 bis 8.
Auch die Temperatur kann individuell für die einzelnen Gruppen der
Mikroorganismen angepasst werden“. Der neue dritte Behälter, das
Bioleaching, dient dazu, die beiden biologischen Vorgänge strikt
voneinander zu trennen, damit im Methanreaktor ein möglichst reines
Methan entsteht.
Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
Rund 26 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten
Forscher der Universität Hohenheim allein im vergangenen Jahr – gut 20
% mehr als im Vorjahr. In loser Folge präsentiert ihnen die Reihe
„Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit
einem Drittmittelvolumen von mindestens einer Viertelmillion Euro, bzw.
125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.