12.10.2011 | 09:15:00 | ID: 10911 | Ressort: Landwirtschaft | Agrarwirtschaft

Krisenangst drückt Getreidemärkte trotz anhaltender Anspannung

Wien (agrar-PR) - Die weltweite Angst vor einer Finanz- und Wirtschaftskrise sowie dadurch ausgelöste Verfallserscheinungen der Aktienkurse bestimmten in den letzten Wochen praktisch eins zu eins auch die Agrarrohstoffmärkte.
Die Richtung der Kurse an den Warenterminbörsen wiesen meist nach Süden. Erst Mitte dieser Woche trat wieder eine leichte Befestigung ein.

So verlor der November-Weizenfutures an der Pariser Euronext in den vergangenen 14 Tagen vom 20.09. bis zum Dienstag dieser Woche deutlich Terrain von EUR 196,- auf ein Drei-Monate-Tief bei EUR 182,25 pro t, ehe er am Donnerstag wieder bei EUR 186,75 pro t schloss und heute, Freitag, vormittags neuerlich in den roten Bereich drehte. Ähnlich erging es dem Pariser Maisfutures, der am Donnerstag bei EUR 188,75 pro t ebenfalls für den November-Termin aus dem Handel ging. Auch am österreichischen Kassamarkt sind die Preise mit den Notierungen an den internationalen Warenterminbörsen mit nach unten gefahren. Wie heute, Freitag, mittags bekannt wurde, beschloss nun das Parlament in Kiew nach Landwirte-Protesten überraschend die Aufhebung der ukrainischen Exportzölle für Weizen und Mais. Dies drückte die Weizen- und Maisnotierungen in Paris neuerlich, weil jetzt noch umfangreichere Exporte aus der Ukraine erwartet werden. Bislang beklagten die ukrainischen Exporteure Wettbewerbsnachteile gegenüber Russland wegen der Zollbelastung.

An der Wiener Produktenbörse gaben diese Woche praktisch alle Kurse von Brotweizen über Roggen, Mais bis hin zu Raps und Sonnenblumen teilweise sogar um deutlich zweistellige Eurobeträge pro t nach. Qualitätsweizen hält nun bei EUR 215,- pro t, nachdem es am 21.09. noch EUR 230,- gewesen waren.

Einen zusätzlichen Schub nach unten erhielten die Notierungen schon vor 14 Tagen durch einen Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums USDA, dem zufolge die US-Maisvorräte wegen einbrechenden Verbrauchs nicht so stark wie bisher vorausgesagt zurückgingen. Der Mais als "Kurslokomotive" riss in der Folge auch die Weizennotierungen an den internationalen Warenterminbörsen mit sich nach unten. Dabei änderte der USDA-Bericht eigentlich nicht wirklich etwas an den fundamentalen Marktdaten mit inbesondere beim Mais äußerst engen Bilanzen. Wiesen die Schätzungen der Maisbestände in den USA nämlich bis zuletzt eine dramatische Stock-to-Use-Ratio von 7% aus, revidierte sie das Washingtoner Ministerium in dem Bericht auf nicht viel weniger rosige und noch immer weit von den auf den Märkten als preisneutrale Marke betrachteten 20% hinauf. Marktteilnehmer reagieren auch immer allergischer auf die zuletzt zunehmend in die Kritik geratenen USDA-Berichte. "Das USDA macht es sich zum Volkssport an den Zahlen der Endbestände herumzudrehen. Das ist mehr Kaffeesudlesen oder Wünsch Dir was als eine seriöse Orientierung für die Märkte", so ein Händler.


FAO und COPA/COGECA: Märkte dennoch weiterhin angespannt

Für weiterhin angespannt halten die Märkte auch die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO und die EU-Landwirte- und Genossenschaftsverbände COPA und COGECA in ihren jüngsten Veröffentlichungen. Die FAO setzte ihren monatlichen Nahrungspreisindex für September zwar mit 225 Punkten um 2% gegenüber dem August und im dritten Monat in Folge niedriger an, warnt aber weiterhin, dass die Nahrungsmittelsicherheit insbesondere für die ärmeren Länder der Welt weiterhin ziemlich in der Luft hänge. Für den Preisverfall macht die FAO den starken Mengen- und Preisdruck aus der Schwarzmeerregion sowie einen stärkeren US-Dollar verantwortlich.

Zudem mehren sich Klagen über die trockenen Aussaatbedingungen für den Herbstanbau zur Ernte 2012. In der Ukraine geistert bereist das Reizwort "Dürre" durch die Branche.

COPA/COGECA sagten heute in einer Aussendung anlässlich der Publikation ihrer finalen Erntedaten für die EU 2011, trotz einer 1,9%igen Produktionssteigerung auf 280 Mio. t Getreide inklusive Mais bliebe der Markt in der EU-27 2011/12 "eng". Die Verbände warnten angesichts der angespannten Marktlage vor einem weiteren Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP.


Ernteschätzungen 2011 für die EU von COPA/COGECA und COCERAL

COPA/COGECA schätzen die Weichweizenernte der EU 2011 auf 126,34 Mio. t (plus 0,7% nach 125,44 Mio. t) und liegen damit etwas unter der am Vortag veröffentlichten Schätzung des EU-Getreidehandelsverbandes COCERAL von 128,39 Mio. t. Während beide übereinstimmend Rückgänge der Erntemengen von Durum und Gerste sehen, stimmen sie auch darin überein, dass die Maisernte der EU heuer ein sattes Plus gegenüber dem Vorjahr bringen wird. Laut COPA/COGECA werden die Landwirte in der Union heuer 64,01 Mio. t Mais (2010: 55,80 Mio. t) und laut COCERAL 62,65 Mio. t nach 54,77 Mio. t dreschen.


Österreich: Handel mit Verlauf des Kassamarktes bisher zufrieden - Qualitätsweizen punktet

Am österreichischen Kassamarkt sind die ersten Nachfragespitzen unmittelbar nach der Ernte, wo sich viele Verarbeiter bis zum Halbjahresbedarf deckten, verflacht. Das Geschäft laufe aber saisonüblich ruhig weiter. Dies sei auch angesichts der großen Erntemenge des heurigen Sommers und wegen der sehr stark differenzierten Qualitäten positiv bemerkenswert. Besonders gut lasse sich Qualitätsweizen dank seiner sehr guten inneren Qualitäten und Homogenität vermarkten. Süddeutschland dagegen berichtet wegen der Inhomogenität seiner Weizenqualitäten zum Beispiel schon über Probleme mit italienischen Kunden. Premiumweizen spiele dagegen wegen seines relativ geringen Mengenanteils diesmal eine untergeordnete Rolle. Er notierte diese Woche erstmalig aus der Ernte 2011 an der Wiener Produktenbörse mit EUR 230,- pro t, das heißt EUR 15,- über dem Qualitätsweizen.

Der Handel ist mit der Qualitätsweizenvermarktung in der laufenden Saison bisher recht zufrieden. Die Qualitätsstrategie im heimischen Anbau habe sich bewährt und die Ware werde von den Kunden geschätzt. Die bisher verkauften Mengen seien erfreulich, das Geschäft laufe der Jahreszeit entsprechend normal. Seine "Fans" finde wegen der guten Qualität auch heimischer Schälhafer für die menschliche Ernährung. Er verzeichne "schönen und stabilen" Absatz. Allerdings, so Experten, bleibe der Hafermarkt nur eine Nische.

Beim Mais hält die bisherige Stimmung an: Die Erträge seien zwar hoch, aber vom erhofften Rekord doch entfernt. Nach klassischem Erntedruck in Ungran und im internationalen Fahrwasser gab aber auch die Wiener Futtermaisnotierung diese Woche um EUR 11,50 auf EUR 170,50 pro t nach. Die großen industriellen Abnehmer in Österreich sollen die Nassmaispreise auf Basis von 30% Feuchtigkeit für die kommende Woche auch auf ein Niveau von rund EUR 110,- netto pro t senken.


Finanztransaktionssteuer: Grundidee richtig, Belastung gering, aber Gleichbehandlung wichtig

Mit gespanntem Interesse verfolgt der heimische Getreidehandel auch den Vorschlag der EU-Kommission für eine Finanztransaktionssteuer, die ja auch den Futures-Handel bei Agrarrohstoffen an den Warenterminbörsen einbeziehen soll. So sagte der für den Getreidehandel zuständige Bereichsleiter beim österreichischen Branchenleader Raiffeisen Ware Austria (RWA), Ernst Gauhs, auf Anfrage von aiz.info, man sei zur Risiko- und Preisabsicherung massiv auf eine heftige Nutzung der Warenterminbörsen angewiesen. Die Grundidee der Finanztransaktionssteuer sei aber richtig und die Auswirkung in der vorgeschlagenen Höhe gering, allerdings müsse das Instrument so konstruiert werden, dass es die richtigen und alle gleich treffe und es nicht zu Intransparenz auf den Märkten führe.

Der Steuersatz von 0,01% auf die getätigten Umsätze lasse die geplante Finanztransaktionssteuer aber eher als einen "Erinnerungs-Euro" pro Futures mit 50 t Handelsvolumen erscheinen. "Rund 2 Cent Finanztransaktionssteuer pro t Getreide beim derzeitigen Preisniveau sind zwar kein Grund zur Aufregung", so Gauhs, "bei der Umsetzung der Abgabe muss aber scharf darauf geachtet werden, dass nicht Finanzspekulanten aus der Steuerpflicht austauchen und sich der Handel von den transparenten Warenterminbörsen auf intransparente Hinterhofgeschäfte diverser Finanzdienstleister verlagert." Man verlangt daher, dass eine derartige Abgabe sowohl regional - möglichst weltweit - und für alle Marktbeteiligten gleich zur Anwendung kommen müsse, "sonst kommt es zu undurchsichtigen Verschiebungen". Dies könnte etwa der Fall sein, wenn außereuropäische Firmen oder Warenterminbörsen nicht der Steuerpflicht unterlägen und diese dann mit exotischen Scheinfirmen umgangen werden könnte. "Dann wird nämlich eine Finanztransaktionssteuer wieder nur jene treffe, die zu klein sind, um davor zu flüchten."


Russland und Kasachstan subventionieren ganz offen ihren Getreideexport

Die Schwarzmeerländer Russland und Kasachstan brüsten sich ganz offen, ihre Exporte von Getreide zu subventionieren. Demnach gab der stellvertretende Premierminister Viktor Zubkov am Donnerstag in Moskau bekannt, seine Regierung subventioniere 50% der Transportkosten von Getreide aus Sibirien und der Ural-Region zu den Exporthäfen - auch denen in der Ukraine - und den Landgrenzen zu China, Nordkorea und der Mongolei.

Die Regierung in Astana wiederum gleicht die Kosten der Transporte von kasachischem Exportgetreide aus der diesjährigen reichlichen Ernte nach China sowie den Transit über das Reich der Mitte sowie über Russland mit Zuschüssen von USD 40,- (EUR 30,15) pro t aus.


Ukraine: Landwirte protestieren gegen Exportzölle - Aufhebung für Weizen und Mais

In der Ukraine kam es zu Bauernprotesten gegen die Agrarpolitik des Kabinetts. Etwa 1.500 Teilnehmer forderten vor Residenzen der Regierung und des Parlaments in Kiew die Aufhebung der Exportzölle auf Getreide sowie weitere Maßnahmen gegen die Unterfinanzierung der Landwirtschaft. Die landwirtschaftlichen Organisationen kritisieren die seit Anfang 2011/12 geltenden Abgaben als wichtigste Ursache für die schleppenden Getreideexporte. Der Veranstalter der Protestaktion, die Ukrainische Agrarunion, wies in einer Erklärung darauf hin, dass die Regierung zahlreiche Appelle der Agrarproduzenten missachtet hätte und obendrein auch noch Exportzölle auf Soja, Raps und Sonnenblumenöl ab Anfang kommenden Kalenderjahres einführen wolle, wodurch die Situation der Landwirte weiter verschlechtert würde. Wie heute, Freitag, mittags bekannt wurde, beschloss nun das Parlament in Kiew die Aufhebung der Exportzölle für Weizen und Mais. Wie die offizielle Nachrichtenagentur Ukrinform heute Mittag weiter bekannt gab, bleibe der Exportzoll für Gerste in Höhe von 14% oder mindestens EUR 23,- pro t allerdings bis zum Jahresende in Kraft.


Im Gegensatz zu Schwarzmeerländern dereguliert Australien Weizenexport vollständig

Im Gegensatz zu den Schwarzmeerländern dereguliert Australien seinen Weizenexport vollständig. Landwirtschaftsminister Joe Ludwig kündigte jetzt in Canberra an, der australische Weizenexport werde schrittweise weiter liberalisiert und die Exportbehörde abgeschafft. (bmlfuw)
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