Leipzig (agrar-PR) - Neuer TEEB-Report zeigt die Bedeutung
ökonomischer Ansätze für die lokale und regionale Umweltpolitik.
Wichtige Ansätze hierfür sind u.a. ein ökologischer Finanzausgleich, die
Reform der Agrardirektzahlungen und eine Stärkung kooperativer Ansätze.
Curitiba/Neu-Delhi/Kapstadt/Gent/Leipzig. Die Initiative zur
Ökonomie der Ökosysteme und der
Biodiversität
legt parallel auf vier Konferenzen weltweit ihren neuen
Bericht vor. Der Bericht betont die hohe Bedeutung lokaler und
regionaler Management-Entscheidungen, um den Umgang mit den natürlichen
Ressourcen nachhaltiger zu gestalten.
Das gilt vor allem für Entwicklungsländer. Aber auch in Europa muss man
sich über die Stärkung neuer Ansätze Gedanken machen, so die
Umweltökonomen im neuen TEEB-Report.
Ein möglicher Ansatz ist es, Naturschutz und
Ökosystemdienstleistungen als Leistungen des ländlichen Raumes stärker
zu betonen und etwa in den kommunalen Finanzausgleich
aufzunehmen. Eine zentrale Aufgabe ist ferner die Reform der
Agrardirektzahlungen durch die EU und die Bundesländer. Zahlungen
sollten stärker an die Leistungen, die die
Landwirtschaft für die Allgemeinheit erbringt, gebunden werden. Nicht
zuletzt ist die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ein zentraler
Eckpfeiler - so sollte die
Politik die konsequente Umsetzung der Aarhus-Konvention zur
Umweltinformation als Chance für eine bessere Umweltpolitik begreifen.
Das alles dient nicht nur der Umwelt,
sondern ist auch ökonomisch sinnvoll, wie die Studie an zahlreichen
Fallbeispielen zeigt.
Mehr als 140 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus 40
Ländern haben am über 200 Seiten dicken TEEB-Bericht für lokale und
regionale Entscheider
mitgearbeitet. "Die
Ökonomie der Ökosysteme und der
Biodiversität"
(The Economics of Ecosystems and Biodiversity - TEEB) wurde 2007 ins
Leben gerufen. TEEB ist eine
unabhängige Studie, die vom Ökonomen Pavan Sukhdev geleitet und vom
Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) organisiert wird. Die
wissenschaftliche Koordination
erfolgt durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in
Leipzig. Finanziert wird die Studie von der Europäischen Kommission,
Deutschland, Großbritannien, den
Niederlanden, Norwegen und Schweden.
Der jüngste Bericht für regionale und lokale Entscheidungsträger
wurde parallel auf Veranstaltungen in Curitiba (Brasilien), Neu Delhi
(Indien), Kapstadt (Südafrika) und
Gent (Belgien) vorgestellt. Er ist einer von vier miteinander
verbundenen Berichten. Dazu gehören neben dem jetzt veröffentlichten
"TEEB-Bericht für lokale und regionale
Entscheidungsträger" ein Bericht zu den ökologischen und ökonomischen
Grundlagen und die Berichte für die nationale und internationale Politik
sowie für die Wirtschaft,
die beide bereits erschienen sind. Der Endbericht wird im Oktober auf
der 10. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention zur biologischen
Vielfalt im japanischen Nagoya
vorgestellt.
Die Bedeutung von lokalen Entscheidungen für die Biodiversität weltweit.Mit ihrem Report "TEEB for Local and Regional Policy" wenden sich die
Experten nun an Entscheidungsträger in Landesbehörden und Kommunen
sowie an Vertreter von
Nicht-Regierungsorganisationen und Verbänden. Damit berücksichtigen sie,
dass weitreichende Schutzmaßnahmen für die Biologische Vielfalt und
damit für unsere
Lebensgrundlagen zwar auf hoher politischer Ebene beschlossen werden
können, die Umsetzung aber regional und lokal erfolgen muss. Der nun
veröffentlichte, letzte spezielle
TEEB-Bericht zeigt, dass gerade auf lokaler Ebene die wichtigsten
Entscheidungen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung getroffen werden.
Dabei spielen die ökonomischen
Aspekte eine zentrale Rolle. Dies gilt sowohl in Industrieländern, z.B.
wenn es um Entscheidungen bei neuen Infrastukturmaßnahmen oder der
Landnutzung geht, aber auch in
Entwicklungsländern, wo das tägliche Leben oft von den Gütern und
Dienstleistungen der Natur direkt abhängt. "Wenn wir uns auf die
verschiedenen Leistungen der Natur
konzentrieren, dann können wir erkennen, wie wir direkt und indirekt von
einer natürlichen Umwelt abhängig sind. Diese Einsicht sollte auch bei
Lokalpolitikern und
Behörden reifen", hofft Pavan Sukhdev, Leiter der TEEB-Studie. "Wir
bitten daher die öffentliche Hand dringend, diesen Bericht zu lesen, um
die Leistungen der Natur und
die ökonomische Dimension dieses natürlichen Kapitals zu verstehen."
Dabei ist den Autoren wichtig, zu betonen, dass die Verantwortung
nicht allein bei der öffentlichen Hand liegt: "Die Kompetenz von
Partnern in der Zivilgesellschaft wie
Verbänden des Naturschutzes und aus der Landwirtschaft kann Behörden
entlasten und sinnvoll ergänzen. Dafür muss aber eine entsprechende
Umweltinformation seitens der
Behörden und eine Einbindung von Verbänden und anderen Akteuren durch
partizipative Ansätze sichergestellt sein. Auch das Verbandsklagerecht
sollte als Chance verstanden
werden", erklärt Dr. Heidi Wittmer vom Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung (UFZ), die den neuen TEEB-Bericht zusammen mit ihrer
Kollegin Prof. Haripriya Gundimeda vom
Indian Institute of Technology Bombay (IITB) koordiniert hat. "Um die
ökonomische Bedeutung der Natur als unsere Lebensgrundlage sichtbar zu
machen, bedarf es der Aktivierung
von Bürgern und Verbänden im Sinne der Aarhus-Konvention."
Das Potenzial der Ökosysteme für eine nachhaltige Regionalentwicklung deutlich machenDas Potenzial, das die Ökosysteme bieten, wird oft noch nicht
ausreichend verstanden, denn Entwicklungsstrategien basieren meist auf
ökonomischem Wachstum (ohne die Rolle
der Natur dafür zu berücksichtigen), die Dienstleistungen der Natur sind
nicht immer offensichtlich, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen
profitieren oder leiden unter dem
Raubbau an der Natur und die Effekte zeigen sich oft erst mit großer
zeitlicher Verzögerung. Gleichzeitig können intakte Ökosysteme nicht nur
Probleme auf lokaler Ebene
lösen, sondern auch helfen, die Auswirkungen des Klimawandels zu
mildern. Zum Beispiel können Moore auf vergleichsweise geringer Fläche
den meisten Kohlenstoff speichern.
Sie bedecken nur drei Prozent der Landfläche der Erde, speichern aber
knapp ein Viertel des im Boden gebundenen Kohlenstoffs. Die momentane
Landnutzung weltweit sorgt dafür,
dass jedes Jahr 1,5 Gigatonnen weniger gespeichert werden und auch
dadurch die Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre ansteigt.
Die Weltbank schätzt, dass die
Entwicklungsländer von 2010 bis 2050 zwischen 70 und 100 Milliarden
US-Dollar aufbringen müssen für Anpassungsmaßnahmen an ein zwei Grad
wärmeres
Klima.
Die Sicherung der
Trinkwasserversorgung und der Hochwasserschutz bergen dabei das größte
Potenzial, Kosten zu sparen. Zu beidem können funktionierende Ökosysteme
einen wichtigen Beitrag
leisten. Das hat die TEEB-Studie anhand von Beispielen aus aller Welt
gezeigt.
Lokale, nationale und europäische Ebene in Ihrer Verantwortung stärker verbinden - das Beispiel Agrarpolitik
Der neue TEEB-Bericht erläutert für die lokale Ebene die
Möglichkeiten, die eine bessere Sichtbarkeit des ökonomischen Wertes von
Ökosystemen bieten. Er stellt hierfür
mögliche Werkzeuge vor und diskutiert verschiedene Anwendungsgebiete,
sei es beim Management von Städten, ländlichen Regionen oder
Schutzgebieten, aber auch bei Instrumenten
der Raumplanung. Ebenso werden neue Instrumente wie etwa Zahlungen für
Ökosystemdienstleistungen vorgestellt, wie sie aktuell für den Erhalt
der tropischen Wälder im
Gespräch sind und in vielen Fällen vor Ort schon angewandt werden.
Wichtig ist daher die nutzerfreundliche Komponente: Der Report wird ab
September im Internet mit einem
Angebot von über 100 Fallstudien aus der ganzen Welt unterstützt. Für
solche lokalen Aktivitäten ist aber der nationale und länderbezogene
Rahmen von entscheidender
Bedeutung, denn dort werden die institutionellen Rahmenbedingungen für
lokale Entscheidungen festgelegt. Die Agrarpolitik ist hier ein
zentrales Beispiel: Entscheidungen
fallen zwar auf der Ebene des einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes -
die ökonomischen Anreize dafür werden aber durch die politischen
Entscheidungen zur Förderung
getroffen - auf Länder- und auf EU-Ebene. Hier bietet die Reform der
gemeinsamen Agrarpolitik im Jahr 2013 eine herausragende Chance, den
Landwirten bessere Anreize zum
Erhalt der natürlichen Ressourcen zu bieten - wie dies auch bereits vom
Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) nachdrücklich gefordert wird.
Eine aktuelle Studie der
Michael-Otto-Stiftung zeigt ferner auf, dass die erforderlichen Mittel
von 1,5 Mrd. Euro durch eine Umgestaltung der Agrarsubventionen
verfügbar gemacht werden können.
Damit würde einer zentralen Forderung der TEEB-Studie Rechnung getragen:
Den Verlust von Ökosystemleistungen für die Gesellschaft stärker bei
der Ausrichtung von
Subventionen zu berücksichtigen. "Die Reform der Agrarpolitik ist ein
zentraler Gradmesser der Umweltpolitik für die nächsten Jahre. Gelingt
hier keine deutliche
Weiterentwicklung hin zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung bei
gleichzeitiger ökonomischer Sicherung der landwirtschaftlichen Betriebe,
dann erscheint auch ein
weiteres Umsteuern in zentralen Umweltthemen wie dem
Klima- und Hochwasserschutz zunehmend unwahrscheinlich," so Carsten Neßhöver vom UFZ, Mitkoordinator der TEEB-Studie.
Bewährte Instrumente der Politik ökologisch neu
ausrichten, um ökonomisch zu profitieren - Weiterentwicklung des
Finanzausgleichs
Der Report für die lokale Politik und
Behörden zeigt, wie abhängig die Städte von der Natur sind und wie
Ökosystemdienstleistungen preiswerte Lösungen für kommunale öffentliche
Dienstleistungen bieten können.
Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass im Jahr 2050 bis zu 80
Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben werden - mit großen
Auswirkungen auf die Umwelt.
"Länderregierungen, Städte und Kommunen können alle einen großen Beitrag
auf dem Weg zu einer Ressourcen schonenden 'Green Economy' leisten.
Denn der Umgang mit
Ressourcen in Städten ist momentan für 70 Prozent des ökologischen
Fußabdrucks der Menschheit verantwortlich", unterstreicht Achim Steiner,
Exekutivdirektor des
UN-Umweltprogramms UNEP. "Einige Kommunen haben sich dieser
Herausforderung bereits gestellt - wie die Fallstudien im Bericht mit
positiven Beispielen zeigen.
Weitere sollten diesem Vorbild folgen." Eine Möglichkeit hierfür bietet
der ökologische Finanzausgleich. Länder wie Portugal und Brasilien
praktizieren bereits
solche Ansätze, bei denen die ökologischen Leistungen des ländlichen
Raumes - etwa durch Wasserbereitstellung, Naturschutz und Erholungsraum -
im Rahmen des kommunalen
Finanzausgleichs zwischen Städten und Gemeinden berücksichtigt werden.
Dies würde auch den Druck auf ländliche Gemeinden mindern, denn durch
immer neue Gewerbeflächen
in sensitiven Ökosystemen gefährden diese momentan oft dauerhaft ihr
Naturkapital.
Der Report erscheint im Vorfeld der 10. Konferenz der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt (
CBD
COP10), die vom 18. bis 29. Oktober im japanischen Nagoya stattfinden
wird. Dort entscheiden die Vertragsstaaten der Konvention über die
Strategie für die nächsten Jahrzehnte. Bereits im Vorfeld wird
deutlich, dass ökonomischen Ansätzen
zur Unterstützung der bestehenden Naturschutzmaßnahmen eine zentrale
Rolle zukommt. Die TEEB-Berichte bieten hierfür eine wichtige Grundlage.