Leipzig (agrar-PR) -
Leistungen der Korallenriffe in Milliardenhöhe und die Existenzgrundlagen von einer halben Milliarde Menschen gefährdet Investitionen in die Wiederherstellung und Erhaltung der mit einem Wert von mehreren Billionen Dollar
bezifferten Ökosysteme dieser Erde - von Wäldern und Mangroven bis zu Feuchtgebieten und Flusseinzugsgebieten - können eine
Schlüsselrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Stärkung der Widerstandsfähigkeit anfälliger Wirtschaftssysteme
gegenüber Klimaschwankungen und -änderungen spielen.
Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse von TEEB, einem globalen
Projekt zur Untersuchung der Ökonomie von Ökosystemen und der
Biodiversität ("The Economics of Eco-systems and Biodiversity", TEEB),
das heute einen neuen Sachstandsberichts zur Klimaproblematik
veröffentlichte. TEEB wurde von Deutschland und der Europäischen
Kommission auf Vorschlag der G8+5-Umweltminister (Potsdam, Deutschland,
2007) initiiert zur Untersuchung des ökonomischen Werts der Verlust
biologischen Vielfalt. Die Studie wird unter der Schirmherrschaft des
Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) durchgeführt. Der
Zwischenbericht wurde heute vom Leiter der TEEB-Studie Pavan Sukhdev
zusammen mit Bundesumweltminister
Sigmar Gabriel, Karl Falkenberg,
Generaldirektor der Generaldirektion Umwelt bei der EU-Kommission,
sowie dem Untergene-ralsekretär der Vereinten Nationen und
Exekutivdirektor von UNEP
Achim Steiner vorgestellt.
Dem Bericht zufolge werden die biologische Vielfalt die `ökologische Infrastruktur’ unseres Planeten zunehmend von den
Auswirkungen steigender Treibhausgasemissionen bedroht. Dabei seien natürliche Ökosysteme einer der wichtigsten, noch nicht
mobilisierten Verbündeten im Kampf gegen die größte Herausforderung für unsere Generation, heißt es in dem Bericht, der im
Rahmen der Vorarbeiten für eine abschließende Studie im Jahr 2010 erstellt wurde.
Ankurbelung des Minderungs- und Anpassungsmotors der Natur
Der Sachstandsbericht weist ausdrücklich darauf hin, dass eine
Finanzierungsvereinbarung für den Bereich Wälder für die Regierungen,
die im Dezember an der entscheidenden Vertragsstaatenkonferenz der
Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Kopenhagen teilnehmen,
hohe Priorität habe. Schätzungsweise fünf Milliarden Tonnen bzw. 15
Prozent des weltweiten Ausstoßes von Kohlendioxid -
dem wichtigsten
Treibhausgas - werden jährlich von den Wäldern absorbiert oder
`sequestriert’, die somit einen zentralen Beitrag zur Abschwächung des
Klimawandels leisten. Dies könnte auch als `grüner Kohlenstoff’
bezeichnet werden.
Investitionen in Maßnahmen auf Ökosystemebene, z. B. zur Reduzierung
der Emissionen aus der Entwaldung und Waldschädigung in
Entwicklungsländern ("Reduced Emissions from Deforestation and forest
Degradation", REDD), könnten aber nicht nur zur Bewältigung des
Klimawandels beitragen, sondern auch eine wirksame Armutsbekämpfungs-
und Anpassungsmaßnahme sein. Wälder stellen auch Leistungen wie etwa
Trinkwasser, die Stabilisierung des Bodens, Nährstoffe für die
Landwirtschaft, Möglichkeiten für Ökotourismus sowie Nahrung, Fasern
und Brennstoffe bereit - die allesamt eine wichtige Pufferfunktion
erfüllen, um anfällige Bevölkerungsgruppen vor den Auswirkungen des
bereits in Gang befindlichen Klimawandels zu schützen.
TEEB fordert die Regierungen nachdrücklich auf, diese weiter
gehenden Vorteile in ein waldbezogenes Emissionshandelspaket
einzubeziehen, um das positive Echo des Ab-kommens von Kopenhagen
möglichst weit in die Zukunft zu tragen. Damit könnte der Weg für eine
neue `Grüne Wirtschaft’ im 21. Jahrhundert bereitet werden, in der
Naturgüter bzw. naturbezogene Güter fester Bestandteil der allgemeinen
Wirtschafts- und Politikplanung sind. Laut Aussage des TEEB-Berichts
können die Regierungen schon jetzt Schritte zur Einbeziehung der
Ökosystemleistungen in ihre volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
unternehmen,
um "zu messen, was sie managen". Zur Unterstützung wird
eine Aktualisierung des Handbuchs der Vereinten Nationen zur
integrierten umweltökonomischen Gesamt-rechnung aus dem Jahr 2003 und
die Einbeziehung des Waldkohlenstoffs vorgeschlagen.
Die genaue Höhe der erforderlichen Investitionen zur Erhaltung und Stärkung der Kohlenstoffspeicherungs- und
Anpassungsleistungen der Ökosysteme in einer vom Klimawandel bedrohten Welt ist zwar noch nicht bekannt, doch die aktuellen
Zwischenergebnisse von TEEB weisen darauf hin, dass die ökologische Infrastruktur der Erde ein vorzügliches Renditepotenzial
bietet. So könnten beispielsweise allein durch eine 45-Milliarden-US-Dollar-Investition in Schutzgebiete naturbezogene
Leistungen im Wert von 5 Billionen US-Dollar pro Jahr gesichert werden.
Notstand der Korallenriffe: Ein Ökosystem am Rande einer
klimabedingten Katastrophe
Der Bericht stellt auch einige der Konsequenzen heraus, mit denen
wir rechnen müssen, wenn es den Regierungen nicht gelingt, den
Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und in Kopenhagen ein
ehrgeiziges Abkommen zu besiegeln. TEEB spricht von einem
`Korallenriff-Notstand’, der aufgrund des aktuellen Anstiegs der
Treibhausgaskonzentrationen bereits Realität geworden ist.
Wissenschaftler von TEEB weisen darauf hin, dass es bei atmosphärischen
CO2-Konzentrationen von mehr als 350 ppm zu
einer irreversiblen Schädigung der Korallenriffe kommen kann. Das hängt nicht nur mit steigenden Temperaturen zusammen,
sondern auch mit der zunehmenden Versauerung der Meere.
Die Konzentrationen liegen bereits jetzt über diesem Grenzwert und steigen weiter an. Ein Einpendeln der
CO2-Konzentrationen
auf einem Niveau von 450 ppm (etwa 16 Prozent über den aktuellen
Werten) könnte innerhalb weniger Jahrzehnte zur vollständigen
Vernichtung dieses wichtigen Ökosystems führen, das
Ökosystemdienstleistungen in Milliardenhöhe pro Jahr liefert und
gleichzeitig die Existenzgrundlage von einer halben Milli-arde Menschen
darstellt.
Pavan Sukhdev, Leiter der TEEB-Studie, der von der Deutschen Bank für diese Aufgabe abgestellt wurde, erklärte, dass uns
durch den Verlust der weltweiten Korallenriffe einer der produktivsten Naturschätze der Erde verloren gehen würde, der für den
Schutz der Küsten vor künftig zunehmenden Sturmfluten und anderen durch den Klimawandel bedingten extremen Wetterereignisse
eine Schlüsselrolle spielt. Sukhdev sagte: "Die Ökosystemleistungen der Korallenriffe - die vom Küstenschutz bis zu
Fischzuchtanlagen reichen - haben einen Wert von bis zu 170 Milliarden US-Dollar pro Jahr; die Existenz von rund einer halben
Milliarde Menschen hängt von ihnen ab, und über ein Viertel aller in der Meeresumwelt vorkommenden Fischarten sind auf die
Korallenriffe angewiesen."
Sukhdev fügte hinzu: "Die Klimaschutzziele vieler Regierungen könnten
sich zwar für manche Ökosysteme und manche Bestandteile der
biologischen Vielfalt als ausreichend erweisen, doch das Überleben der
weltweiten Korallenriffe und ihrer natürlichen Schätze ist inzwischen
ganz konkret in Frage gestellt."
Pavan Sukhdev, der auch die Federführung der Green Economy
Initiative (GEI) des Umweltprogramms der Vereinten Nationen innehat,
fuhr fort: "Die wirtschaftlichen Folgen sind gravierend, und dasselbe
gilt auch für die sozialen und die humanitären Folgen. Dies zeigt in
aller Deutlichkeit, dass eine einfache Kosten-Nutzen-Analyse allein
nicht ausreicht, um die ethischen Dimensionen internationaler
klimapolitischer Entscheidungen jetzt und in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten zu erfassen insbesondere im Hinblick auf ein Ökosystem, das
sich an einem klimatischen Wendepunkt befindet."
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erklärte: "Die Anfälligkeit des Menschen gegenüber den negativen Auswirkungen des globalen
Klimawandels hat sich durch den Rück-gang der biologischen Vielfalt erheblich verschärft. TEEB ist ein Beweis, dass der Schutz
und die Wiederherstellung der ökologischen Infrastruktur kostengünstige und wirksame Mittel sind, um die globalen
Klimaänderungen und ihre Folgen zu bremsen.
Für mich ist die ökologische Wiederherstellung ein außerordentlich wichtiges
Instrument bei der Bewältigung des globalen Klimawandels, dem Ausbau der Kohlenstoffsenken und der Verbesserung ihrer Funktion
sowie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Durchbruch in Kopenhagen.
Wir müssen
erkennen, dass die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und die Bewahrung der biologischen Vielfalt unseres
Planeten elementare Bestandteile der Minderungs- und
Anpassungsstrategien sind."
Karl Falkenberg, Generaldirektor der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kom-mission erklärte: "Diese TEEB-Ergebnisse
zeigen, dass Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam bekämpft werden müssen. Sie unterstützen auch das Ziel der EU,
in Kopenhagen zu einem konkreten und ehrgeizigen Abkommen zu gelangen, das sowohl eine Senkung der weltweiten
Treibhausgasemissionen als auch die Schaffung globaler Mechanismen zum Stopp der Tropenwaldabholzung einschließt. Ohne eine
Abschwächung der Klimaänderungen werden wir es einfach nicht schaffen, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten.
Und ohne die Sicherung unserer wertvollen Ökosysteme und biologischen Vielfalt werden wir nicht in der Lage sein,
die Klimaänderungen zu min-dern oder uns daran anzupassen."
Achim Steiner, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Exekutivdirektor von UNEP, erklärte:
"Es zeichnet sich klar
ab, dass Investitionen in die Ökosystem-Infrastruktur unseres Planeten beides schaffen können: Erfolge der grünen Wirtschaft
bei der Drosselung und Reduzierung der Emissionen bei gleichzeitiger Unterstützung anfälliger Gemeinschaften in ihren
Anpassungsbemühungen."
Er fügte hinzu: "Derzeit erwägen die Regierungen Investitionen in Milliardenhöhe in die CO2-Abscheidung und
-Speicherung in Kraftwerken. Vielleicht ist es an der Zeit, dies einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen, um
herauszufinden, ob sich die technologische Option mit der CO2-Abscheide- und Speicherfähigkeit der Natur messen kann
- einem natürlichen System, das über Jahrmillionen immer perfekter geworden ist und eine Vielzahl zusätzlicher Vorteile von der
Wasserversorgung bis zur Umkehr der Verlustrate biologischer Vielfalt bietet."
TEEB lädt ein zu weiteren Beiträgen
Das TEEB Team lädt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere Expertinnen und Experten weiterhin ein, durch Hinweise
auf bestehende Arbeiten zu den ökonomischen Konsequenzen des Biodiversitätsverlustes zum Projekt beizutragen. Über die
TEEB-Webseite (www.teebweb.org) ist eine Übermittlung solcher Beiträge zu den einzel-nen TEEB-Produkten möglich. Für den
anstehenden Bericht zu den ökologischen und ökonomischen Grundlagen von TEEB werden die Entwürfe der Berichtskapitel
ab September 2009 für eine Kommentierung auf der Webseite zur Verfügung stehen.