Freising-Weihenstephan (agrar-PR) - Als Zeichen des Klimawandels häufen sich in
der heutigen Zeit Folgeerscheinungen wie Flutkatastrophen, Hitzewellen,
Tornados oder Hurrikans. Die Frage nach den Auswirkungen der
klimatischen Veränderungen auf schützenswerte Kulturgüter wie
beispielsweise die Königsschlösser von Ludwig II. oder die Vegetation
im Alpenraum ließen ein interdisziplinär aufgestelltes Expertenteam des
Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP sowie des Fachgebietes für
Ökoklimatologie der TU München kürzlich in die Luft gehen. Als Auftakt
für ein umfangreiches Forschungsprojekt wurde per Hubschrauber eine
Wetterstation auf den Berg Schachen geflogen und dort im botanischen
Alpengarten neben dem Königshaus installiert.
Die
Kulturlandschaft der Alpen ist als sensibles Ökosystem in besonders
gravierender Weise vom Klimawandel bedroht. Der überdurchschnittliche
Temperaturanstieg im Alpenraum und die Zunahme von extremen
Wetterereignissen werden sich auch in der Zukunft fortsetzen. Davon
unmittelbar betroffen sind neben historisch wertvollen Gebäuden auch
die einzigartige Flora und Fauna des Alpenraumes. Forscher des
Fraunhofer IBP und der TU München analysieren diese Auswirkungen auf
Natur und Kultur in zwei verschiedenen Forschungsprojekten - greifen
dabei aber beide auf Daten der gemeinsamen auf dem Schachen
installierten Klimastation zurück. Auf diese Weise ergänzen Synergien
in der Ausstattung die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
»Klimawandel bedroht Alpenflora«
Der Schachen mit seinem Botanischen Alpengarten
neben dem Königsschloss eignet sich in besonderer Weise, um die
Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Vegetation der Alpen zu
erforschen. Diese alpine Flora ist besonders sensibel gegenüber der
Klimaerwärmung, so ist etwa der Gletscher-Hahnenfuß als hochalpine
Pflanzenart bereits auf dem Rückzug. Die Prognosen für die Zukunft
lassen noch drastischere Veränderungen in dieser gefährdeten Region
erwarten. In einem vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und
Gesundheit geförderten Projekt werden deshalb seit August 2009 die
Auswirkungen des Klimawandels im Werdenfelser Land untersucht - von der
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus unterhalb der Zugspitze bis
nach Garmisch-Partenkirchen.
Die Klimastation am Schachen ist Teil eines neu
errichteten Höhengradienten-Messnetzes von Wetterdaten im
Zugspitzgebiet. Die beteiligten Institutionen, die Technische
Universität München, die Ludwig-Maximilians-Universität München, das
Helmholtz-Zentrum München und die Universität Augsburg, betrachten
dabei verschiedene Aspekte. Diese reichen von Veränderungen an der
Baumgrenze am Zugspitzplatt bis zur höhenabhängigen Erfassung des
Stickstoff-Eintrages in bzw. der biogenen Emissionen von
Bergwaldbeständen. Der Alpengarten ist dabei Ausgangspunkt für ein
intensives Monitoring von Veränderungen, etwa im Austriebs- und
Blühverhalten, der Samenproduktion oder in den Verbreitungsgebieten von
montanem Bergmischwald, subalpinen und alpinen Pflanzenarten. Die große
Herausforderung ist die Erfassung der unterschiedlichen vertikalen
Wanderungsgeschwindigkeiten der Arten, die der Erwärmung
hinterherhinken werden.
»Klimastabilität historischer Gebäude«
Schadensmeldungen an Kunstwerken und historischen
Gebäuden, wie beispielsweise an Schloss Linderhof, nehmen immer mehr
zu: Nicht nur der ständig steigende Besucherandrang fordert seinen
Tribut, sondern auch klimatische Einflüsse bedrohen Kulturstätten wie
die Königsschlösser Ludwigs des II. langfristig und substanziell. Stark
schwankendes Raumklima und die immer extremeren Wetterlagen haben
Zerstörungspotential von innen und von außen.
Seit Juni 2007
arbeiten die Forscher des Fraunhofer IBP an dem Projekt
»Klimastabilität historischer Gebäude«. Zu den bereits laufenden,
umfangreichen Messungen in Innenräumen der bayerischen Königsschlösser
benötigen die Forscher für die Bewertung der Klimafaktoren auch
aktuelle und präzise Wetterdaten vor Ort. Daher wird nun zunächst eine
Wetterstation auf dem Schachen installiert. Unterstützt wird die
Klimabeobachtung durch den Alpengarten am Schachen, unter der Obhut des
Botanischen Gartens München.
Konkret steht in Schloss Linderhof
in den nächsten Jahren die Restaurierung der wertvollen Prunkräume an.
Diese können nur dauerhaft erhalten und geschützt werden, wenn es
gelingt, auch das Raumklima entscheidend zu verbessern. Gleichzeitig
ist es das Ziel des Forschungsprojektes, übertragbare Ergebnisse auch
für andere schützenswerte Kulturgüter zu erarbeiten. In der
Gesamtbetrachtung von Innenraumklima und Wetterveränderungen können
verlässliche Aussagen getroffen werden, welche Maßnahmen umgesetzt
werden müssen, um unser kulturelles Erbe besser zu schützen. In Zukunft
sollen im Rahmen des EU-Forschungsprojekts "Climate for Culture" die
Auswirkungen des globalen Klimawandels am Schachen mit untersucht
werden. Historische Gebäude, Museen und Kunstsammlungen in aller Welt
werden von diesem modellhaften Vorhaben profitieren.
Die
Klimatisierung von historischen Gebäuden, die für den Schutz unbedingt
erforderlich ist, erfordert viel Fachwissen. Vollklimaanlagen können
nicht eingesetzt werden – sie sind teuer, ihr Einbau zerstört
historische Bausubstanz und die hohen Energiekosten sind aus
finanziellen und ökologischen Gründen nicht tragbar. Stattdessen setzen
die Forscher zur langfristigen Schadensvermeidung auf
ressourcenschonende Maßnahmen wie beispielsweise feuchtegesteuerte
Temperierung und Lüftung. Derartige Maßnahmen müssen wissenschaftlich
abgesichert sein, durch messtechnische Untersuchungen in Verbindung mit
einer Computer-Simulation zur Beurteilung der innenklimarelevanten
Auswirkungen.
Durch umfangreiche Analysen des Innenraum- und
Außenklimas werden die Forscher neuartige Methoden entwickeln, um
möglichst frühzeitig Schäden an Gebäuden und Sammlungen zu entdecken
und durch intelligente bauphysikalische Maßnahmen zu Kulturgüterschutz
und Denkmalpflege beizutragen. Unterstützt wird die Forschung von der
Bayerischen Sparkassenstiftung sowie vom Land Bayern.