Berlin (agrar-PR) -
WWF-Studie „Modell Deutschland“: Der Weg zu 95% weniger Treibhausgasemissionen Die Klimawissenschaftler sind sich weitgehend
einig: Die globale Temperatur darf nicht um mehr als zwei Grad
gegenüber vorindustriellen Zeiten steigen. Nur so lassen sich die
schlimmsten Folgen des Klimawandels abwenden. Dazu müssen die
Industrieländer ihre Treibhausgase allerdings bis 2050 um 95 Prozent
gegenüber 1990 reduzieren. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, zeigt
die heute in Berlin vorgestellte Studie des WWF: „Modell Deutschland –
Klimaschutz bis 2050“. Die WWF-Studie liefert ein Navigationssystem zum
Klimaschutzziel 2050 und zeigt, dass Emissionsminderungen von 95
Prozent möglich und bezahlbar sind. „Modell Deutschland zeigt, dass der
geforderte Wandel von der klimaschädlichen zur klimaverträglichen
Wirtschaftsweise möglich und unabdingbar ist. Er schafft Stabilität,
Sicherheit, Wohlstand und neue Arbeitsplätze für Deutschland“, erklärt
Eberhard Brandes, Geschäftsführer des WWF Deutschland.
Die Studie, erstellt von der Arbeitsgemeinschaft
Prognos AG, Öko-Institut und Dr. Ziesing, entwickelt aus der Utopie
erstmalig einen durchgerechneten Politikentwurf. Sie beschreibt bis ins
Jahr 2030 detailliert und übergreifend die erforderlichen technischen
Maßnahmen und politischen Instrumente, um das 95%-Ziel zu erreichen. Im
Jahr 2050 können die Deutschen demnach einen CO2-Ausstoß von 0,3 t pro
Kopf (anstelle der heutigen 11 t) erreichen – ohne dass sich das Leben
dramatisch verändert.
Die Mehrkosten für eine derartige Reduktion sind
laut WWF-Studie überschaubar und liegen bei durchschnittlich 0,3
Prozent des Bruttoinlandprodukts. Dafür müsse die neue Regierung jedoch
langfristig planen und gleichzeitig schnell handeln. Denn selbst eine
ambitionierte Weiterführung der bisherigen deutschen Energie- und
Klimaschutzpolitik führe bestenfalls zu einer Reduzierung um 45 Prozent
bis 2050. „Die Berechnung der Treibhausgasemissionen zeigt
unmissverständlich, dass Deutschland mit den bisherigen Maßnahmen das
geforderte Reduktionsziel dramatisch verfehlen wird“, erklärt Regine
Günther, WWF-Klimachefin.
Die Gutachter haben ermittelt, dass gezielte
Investitionen und Förderungen von Innovationen in allen Bereichen
notwendig sind, um minus 95 Prozent zu erreichen. Es wurden erstmalig
die komplexen Zusammenhänge zwischen allen Bereichen analysiert. Als
zentrale Handlungsfelder wurden die Stromerzeugung, der Gebäudesektor,
der Straßenverkehr sowie die Industrie ermittelt. Ohne den Einbezug der
Landwirtschaft sowie der Landnutzung sei das ambitionierte
Klimaschutzziel jedoch nicht zu erreichen. „Anspruchsvoller Klimaschutz
muss endlich alle Sektoren erfassen“, so Regine Günther. „Die Mehrheit
der Treibhausgasminderungen hängt von sehr langfristigen Entscheidungen
ab. Die heute vermeintlich preiswerten Wege führen langfristig häufig
in die Irre.“
Neben einer massiven Steigerung der
Energieeffizienz spielen die Erneuerbaren Energien eine herausragende
Rolle für das „Modell Deutschland“. Sie könnten 83 Prozent der
Stromerzeugung bis 2050 ausmachen. Dafür würden intelligente
Stromnetze, massiv ausgebaute Speicherkapazitäten sowie neue
Marktregeln benötigt. „Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke sowie
neue Kohlekraftwerke sind für das Reduktionsziel überflüssig“, betont
Eberhard Brandes. Auch für den Verkehrssektor sind im Modell
Deutschland die erneuerbaren Energien extrem wichtig, denn bis 2050
werden zu 80 Prozent Hybrid- und Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen
unterwegs sein. Die Effizienz des gesamten Fahrzeugparks muss um 60
Prozent erhöht werden. Neben der Verlagerung des Güterverkehrs auf die
Schiene könne die Nutzung nachhaltig erzeugter Biotreibstoffe
wesentlich zur Emissionsreduktion im Verkehrssektor beitragen.
„Wir werden 2050 gut leben können und dabei kaum
noch Treibhausgase produzieren“, so Günther. Klimaschonende Produkte
und neue Technologien, wie Induktionsherde beim Kochen, LED bei der
Beleuchtung oder wasserfreie Waschmaschinen, würden sich in den
Haushalten durchsetzen. Durch eine massiv ausgebaute Dämmung verringert
sich der Heizwärmebedarf um rund 85 Prozent und ein geringerer und
gesünderer Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten führt zu
einer signifikanten Senkung von Methan- und Lachgasemissionen in der
Landwirtschaft.
„Die Studie sendet eine klare Botschaft an die
laufenden Koalitionsverhandlungen, dass der Klimaschutz ganz anders
positioniert werden muss. Wenn wir Klimaschutz weiter nur als Stückwerk
betrachten, werden wir nicht erfolgreich sein“, so Brandes.
„Mit „Modell Deutschland“ wollen wir der
internationalen Gemeinschaft in Kopenhagen im Dezember eine
realistische Strategie für eine kohlenstofffreie Wirtschaftsentwicklung
bis 2050 vorlegen“, so Brandes weiter. „Deutschland könnte damit zum
Entwicklungsmodell für andere Länder werden und wieder eine
Vorreiterrolle bei den Klimaverhandlungen einnehmen. Wir müssen diesen
Weg nur beschreiten wollen.“